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1971

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Systematische Theologie: Allgemeines

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225

Theologische Litcralurzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

22«

wenn man bei Ralmer einen „unfehlbaren Kern", der
irgendwie von Sünde unberührt bleibt, durchschimmern
sieht. Was Küng anbetrifft, so hat der Vf. leider dessen
1967 (also zwei Jahre vor Schwinteks Arbeit) erschienenes
Buch „Die Kirche" nicht mit aufgenommen. Diese Arbeit
wird nur im Vorwort erwähnt und dort behauptet, sie
hätte - über das hinaus, was der Vf. Küngs „Konzil und
Wiedervereinigung" 2. Auflage von 1960, entnehmen
konnte keine neuen Gesichtspunkte ergeben. Es läßt
sich jedoch feststellen, daß Küngs frühere Tendenz, von
„Kirche der Sünder" anstelle von „sündiger Kirche" zu
sprechen, in seinem Buch aus dem Jahre 1907 keine Entsprochung
mehr findet. Die eigentliche Ausgangsthese im
wichtigsten Kapitel dieser Arbeit, das der Heiligkeit der
Kirche gilt, lautet: „die wirkliche Kirche ist eine sündige
Kirche" (S.379, von Küng gesperrt). Die inl'allibili-
tas der Kirche, die Küng mit „Untrüglichkeit" statt mit
„Unfehlbarkeit" (S.400) übersetzt, wird 1907 ganz auf
Gottes gnädige Treue und Verheißung bezogen. In dieser
Arbeit findet man auch eine Auslegung von Lumen Gentium
, die sich dadurch markant von Schwinteks unterscheidet
, daß sie unterstreicht: die Heiligkeit der Kirche
ist durchweg „Gegenstand des Glaubens" (Lumen Gentium
39), „wir glauben die Heiligkeit der Kirche"
(S.380). Von dieser Darstellung aus dürfte es schwerfallen,
die These Schwinteks, auch bei Küng gäbe es „einen inde-
fektiblen, letzten Kernbereich in der Kirche", aufrechtzuerhalten
. Man fragt sich, ob - wenn Schwintek die hier
erwähnte Arbeit Küngs in die Diskussion mit einbezogen
hätte - das Bild der römisch-katholischen Theologie nicht
doch noch stärker nuanciert gesehen werden müßte.

Das abscldießende vierte Kapitel des Buches nimmt das
Verhältnis von Kirche und Sünde „in evangelischer
Sicht" auf. Sehr realistisch markiert der Vf. dabei die
Schwierigkeit, von „d e r evangelischeu Sicht" zu sprechen
. Er wählt daher als Ausgangspunkt für die Diskussion
das, was er „eine lutherische Grundhaltung"
nennt. Dabei jedoch - erst auf den letzten fünf Seiten wird
die Bedeutung der llechtfertiguugslehre für die Ekklesio-
logie explizit aufgenommen - geht der Vf. regelmäßig
aus von der für die romisch-katholische Ekklesiologie
charakteristischen Fragestellung nach dem Verhältnis
von göttlichen und menschlichen Elementen in der
Kirche. ¥,r tritt ein - bei kritischer Stellungnahme zu den
bereits exemplifizierten Problemlösungen - für die Möglichkeit
einer „begrenzten Analogie zwischen Christus
und der Kirche". Daß man sich die Behandlung der Frage
der „Kategorie des Pneumatischen im Rahmen einer
gesamttrinitarisehen Schau der Kirche" gewünscht
hätte, wird in einigen Zusammenhängen berührt, aber
leider nicht ausgeführt. Wäre das geschehen, dann hätte
sich der Vf. - stärker als das hier der Fall ist - von der
Hindung an die Inkarnationsterminologie lösen können,
die ihn trotz allem eher in der römisch-katholischen Problemstellung
als in der genuin lutherischen sich bewegen
läßt. Sehr markant äußert sich diese Einstellung darin,
daß die Frage nach der Relation von Kirche und Sünde
prinzipiell als eine Teilfrage der umfassenderen Frage
nach dem Verhältnis von Göttlichem und Menschlichem
(S.100) verstanden wird - was dem Rezensenten weder
logisch noch theologisch angemessen erscheint.

Geht man nun notwendigerweise mit „einer lutheririschen
Grundhaltung" von der Christologie zur Ekklesiologie
und nimmt die Frage nach der Kirche und der
Sünde auf, dann wundert man sich darüber, daß der Vf.
nirgends das für Luther so charakteristische Thema vom
»fröhlichen Wechsel" zwischen Christus und dem Sünder
«rwähnt. Da wird gerade die Frage nach der Sünde gestellt
- im übrigen vermißt man in Schwinteks Arbeit oine
ähnlich gründliche Analyse des Sündenbegriffs wie die so
genaue Durchnahme des Kirchenbegrif'fs und der entscheidende
Ausgangspunkt dort ist nicht Göttliches/
Menschliches, sondern Gerechtigkeit/Ungerechtigkeit und
Leben/Tod. Von diesem Ausgangspunkt her wäre die
Auseinandersetzung mit der römisch-katholischen Tradition
wahrscheinlich ergiebiger gewesen als die, die man in
der Arbeit des Vf.s vorfindet.

Zusammenfassend möchte ich sagen, daß Schwinteks
Arbeit eine außerordentlich interessante Orientierung
über die auffallende Verschiebung gibt, die die römischkatholische
Theologie in der Frage nach der Redeweise
über Kirche und Sünde in den letzten Jahrzehnten kennzeichnet
. Trotz der durchgehenden Begrenzung auf die
in deutscher Sprache verfügbare Literatur wird hier ein
instruktives Bild gezeichnet, das in großen Zügen auch auf
einen größeren Bereich anwendbar sein könnte. In der
Hauptfrage der Arbeit nach einer eventuellen Annäherung
an evangelische Theologie möchte mau sich jedoch
eine energischere Bearbeitung der dabei berührten Problemkreise
wünschen.

Laad _ Per Krik Porssou

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