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Ausgabe:

1971

Spalte:

219-222

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kaufman, Gordon D.

Titel/Untertitel:

Systematic theology 1971

Rezensent:

Hartmann, Walter

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219

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

220

Huonder, Quirin: Das Unsterblichkeitsproblem in der abendländischen
Philosophie. Stuttgart-Berlin-Köbi-Mainz:
Kohlhammer [1970]. 155 S. 8° = Kohlhammer Urban-
Taschenbücher, 127. DM 5,80.

Kohnstamm, Max: Person und Struktur am Beispiel internationaler
Beziehungen (ZEE 14, 1970 S. 193-203).

Lakebrink, Bernhard: Metaphysik und Geschichtlichkeit
(ThGl 60, 1970 S. 203-219).

Löwith. Karl: Die Frage Martin Heideggers (Universitär 25,
1970 S.603-616).

Post, Werner: Philosophische Theorien über das Böse (Con-
cilium 6, 1970 S.430-434).

Reboul, Olivier: Kant et la religion (RHPhE 50,1970 S.137 bis
153).

Pviehmond, James: Theology und Metaphysics. London: SCM
Press [1970]. XII, 156 S. 8° = The Library of Philosophy
and Theology, ed. by J.Mcintyre and I.T.Ramsey. Lw. 40 s.

Robert, Jean-Dominique: A propos de quelques „theses" de
M.Alphonse De Waelhens (science et esprit 22, 1970 S.171
bis 188).

Schuhmann, Karl: Over de grondslagen van de fenomenologie
(Zusammenfassung: Über die Grundlagen der Phänomenologie
) (Tijdschrift voor Filosofie 32, 1970 S.471-487).

Sinnige, Th. G.: Gezagsverhoudingen bij Plato (Summary:
Authority Relations by Plato) (Tijdschrift voor Filosofie 32,
1970 S.455-470).

Süttgen, Albert: Wider den Primat instrumentalen Denkens.
Ortsbestimmung der Philosophie im gegenwärtigen Wissen-
sehaftsbereich (St/ 95, 1970 S. 176-186).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Kaufman, Gordon D.: Systeinatle Theology. A historicist
Perspective. New York: Scribner [1968]. XXIII, 543 S.
gr.8°. $ 5.95; Lw. $ 8.50.

Der Verfasser, Mennonit, 1925 geboren, lehrt seit 1963
an der Harvard Divinity School Systematische Theologie.
Er bezeichnet den von ihm vorgelegten Entwurf im Sinne
Kierkegaards als ein „Gedankenexperiment", mit dem er
herausfinden möchte, was geschieht, wenn man den „geschichtlichen
" Charakter des christlichen Glaubens absolut
ernst nimmt. Seine Behauptung: Eben dies sei bisher
kaum geschehen. Obwohl allenthalben von „Geschichte"
geredet werde, liege die theologische Konzeption der Geschichte
in einem großen Nebel. K's eigenes Verständnis
von Geschichte und menschlicher Geschichtlichkeit klärt
sich freilich erst im Laufe seiner theologischen Gesamtdarstellung
, da er bemüht ist, die Entfaltung der theologischen
Aussagen nicht unter die Norm eines ihnen fremden
Geschichtsbegriffes zu zwingen.

Sieht man aufs Ganze, so wird man zugeben müssen,
daß K's Geschichtsbegriff in der Tat theologisch, man
könnte auch sagen „theozentrisch", konzipiert ist. Dagegen
machen die in seinem Werk sich findenden Ansätze
zu einer „Metaphysik der Geschichte" lediglich kund, daß
der christliche Glaube an Gott selbst einen „Sprung" zu
einer besonderen metaphysischen Interpretation der
letzten Grenzen unserer Existenz in sich schließt (110).
Es sind daher nicht die endlichen Erfahrungen des Menschen
selber, sondern es ist seine Begegnung mit dem sich
selbst offenbarenden Gott, der ihn die Geschichte als
einen Bereich (realm) verstehen läßt, in dem Zwecke und
Ziele verwirklicht werden (136).

Immerhin ist diese Entscheidung - wenn schon nicht
philosophisch begründbar - so doch philosophisch durchaus
verständlich zu machen. (Es scheint, daß K. der analytischen
Philosophie, wie sie von den Schülern des späten
Wittgenstein vertreten wird, zumindest nahesteht). Die
Entscheidung selbst für ein Verständnis Gottes als eines
zielgerichtet Handelnden und der Geschichte als jenes
Bereichs, in dem Gott seine Ziele verwirklicht, ist jedoch
nach K. nicht erst mit der Christusoffenbarung gesetzt.

Vielmehr waren gewisse fundamentale Entscheidungen
über den Charakter der „letzten Wirklichkeit" (ultimate
reality), mit der der Mensch zu tun hat, lange vor der
christlichen Ära in Israel gefällt worden (86).

An dieser Stelle muß sich K. natürlich deutlich von
..Tillichs Verständnis Gottes als des - wie er meint -
ungeschichtlich und unpersönlich verstandenen Seinsgrundes
absetzen. Statt von Gott als dem Sein spricht
K. daher per analogiam von Gott als „a personal
being", eine Position, die er ohne zu erröten als „thei-
stisch" bezeichnet, ohne damit freilich zu einem statischen
metaphysischen Dualismus zurücklenken zu wollen. Wohl
u.a. auch im Blick auf Tillich spricht er gelegentlich von
einer „Degeneration des biblischen Glaubens an einen
Gott, der wahrhaftig in der Geschichte handelt, zu einer
mythischen. Konzeption der Sinn-Tiefe in aller Existenz"
(271).

Für K. erweist sich demgegenüber der Begriff des
„Handelns" Gottes geradezu als der Schlüsselbegriff,
mit dessen Hilfe die Beziehung Gottes zur Welt im allgemeinen
und zum Menschen im besonderen interpretiert
werden muß. Nicht nur im Gegenüber zur menschlichen
Existenz und der in ihr implizierten Fragen möchte K.
vom Handeln Gottes reden, sondern zuerst gegenüber der
Welt im Ganzen. Das kommt im systematischen Aufbau
dieser Theologie klar zum Ausdruck. Vom Handeln Gottes
mit dem Menschen und damit von der Geschichtlichkeit
des Menschen wird erst im Kontext des ganzen von
Gott hervorgebrachten „kosmischen geschichtlichen Prozesses
" (329) gesprochen. Um noch einmal zu zitieren:
„God is a being who acts historically to produce the world
and he subsequently continues to develop it in history;
human history and within it the history of salvation are
segments - in some ways a culmination - of this cosmic
historical process" (329).

Die theologischen und philosophischen Schwierigkeiten,
die der Begriff des Handelns Gottes verursacht, bestehen
nach K. nur so lange man ein isoliertes historisches Ereignis
als ein handelndes Eingreifen Gottes in einen im
übrigen in sich geschlossenen Geschichtszusammenhang
zu verstehen versucht. Demgegenüber ist es sowohl für
K's Verständnis von Gott wie auch für seinen Geschichtsbegriff
grundlegend, daß er den ganzen Lauf der Geschichte
von seinem Beginn in Gottes Schöpfungstat bis
zur endgültigen Verwirklichung seiner Ziele in einem primären
Sinn als das Handeln Gottes versteht. Erst in einem
sekundären Sinn kann dann auch von solchen Ereignissen
als von Taten Gottes gesprochen werden, in denen ein
Stück endlicher Wirklichkeit transparent wird für den das
Ganze bestimmenden Willen des verborgenen Gottes. I n
solchen Ereignissen wird dann aber nach K. nicht nur
der jenseitige Gott sichtbar in seiner Jenseitigkeit, sondern
er ist selbst handelnd in der Geschichte gegenwärtig.
Ein Kritiker hat mit Recht bemerkt, daß K. hier gewissermaßen
zu der Vorstellung von zwei handelnden Subjekten
für ein und dieselbe Handlung kommt. Aber damit ist in
K's Sinne ziemlich präzise beschrieben, was in Christus
geschieht: Gott erweist sich nicht mehr nur als Herr
über den geschichtlichen Prozeß, sondern seine Gegenwart
erweist sich im historischen Prozeß selbst als geschichtlich
wirklich (319).

Gott ist gegenwärtig - realiter geschichtlich als ein
zielgerichtet handelnder - und diese seine handelnde
Gegenwart hat reale geschichtliche Konsequenzen.

Es versteht sich, daß die „unglückliche, aber populäre
deutsche Unterscheidung zwischen Historie und Geschichte
" damit für K. gegenstandslos geworden ist (16).
Auch die in die Geschichte einbrechende Offenbarung
Gottes in Jesus Christus, durch die eine neue Sinn-Orientierung
geschaffen ist, wird ebenso zu einem der menschlichen
Geschichte und Existenz selbst immanenten Fak-