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Ausgabe:

1971

Spalte:

214-216

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Kierkegaard, Soren

Titel/Untertitel:

Soren Kierkegaard laest af K. Olesen Larsen 1971

Rezensent:

Holm, Soren

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213

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

214

Bekanntlich verstand Kierkegaard als seine Aufgabe
die Erweckung von „Unruhe in Richtung auf Verinner -
Heliung", die gegen jede äußere Form gleichgültig ist, wo
immer diese nicht die Verinnerlichung überhaupt hindert.

Eller entdeckt denn im wesentlichen auch nur formale
Parallelen zwischen Kierkegaard und der Sektentheologie
, wie etwa die Tatsache, daß beide dem Glaubenden die
Selbstprüfung empfehlen, oder er überbewertet einzelne
zufällige Tagebucheintragungen Kierkegaards bzw. Überspitzungen
Kierkegaards beim Angriff auf die Kirche, den
doch Kierkegaard selber als paradoxe Verteidigung des
Bestehenden verstanden wissen wollte.

Dabei scheut Eller vor einer äußerst großzügigen Benutzung
der Quellen nicht zurück. Zum Beispiel hat er die
Tagebucheintragung entdeckt (Eller hat dieser Entdeckung
auch einen monographischen Aufsatz gewidmet),
in der Kierkegaard sich anhand der Autobiographie
Franklins über die „Tunker" äußert (Papirer X4 A 73).
Kierkegaard schreibt dort: „Franklin ... erwähnt eine
Sekte: Tunker, die kein schriftliches Glaubensbekenntnis
abfassen wollen - um sich nicht an der freien Entwicklung
zu hindern. Dies, findet Franklin, ist so vortrefflich, da die
Sektierer sich sonst gerade durch das genaue Gegenteil
auszeichnen (dän. .udmaerke sig ved lige det Modsatte').
Nun, das Letzte kann ganz wahr sein, aber diese Sektierer
waren doch auch wieder allzusehr Kundige (dän. ,altfor
expediti'). Das Unerklärliche ist eigentlich (dän. ,Det
uforklarligere er egentlig'), wie es ihnen gelungen ist, auf
dies Konto eine Sekte zu bilden." Eller übersetzt: „Franklin
... mentions a sect, the Dunkers, who would not com-
pose a written creed - so as not to hinder themselves in
free development. Franklin finds this very excellent, since
otherwise sectaries distinguish themselves simply by
matching their opponents. Now, ,the latest' can be true
enough; but nevertheless, these sectaries are by this token
also again expediti. This is inexplicably the case - how-
ever they may have sueeeeded on that score in forming
a sect" (324). So liest Eller aus der Eintragung genau das
Gegenteil des Gemeinten, ein überschwengliches Lob der
..Tunker" heraus.

Wenn auch der wissenschaftliche Wert des Buches
durch eine solche Quellenbehandlung herabgesetzt wird,
so kann man dennoch nicht übersehen, daß Eller aufgrund
seines besonderen Standpunktes Verständnis gewinnt
für manchen gewöhnlich vernachlässigten Aspekt
des Kierkegaardschen Gesamtwerks. Vor allem legt er den
Finger darauf, daß Kierkegaard von Anfang an religiöser
Schriftsteller gewesen ist, und er weist energisch auf die
daraus folgenden Konsequenzen des Kierkegaard-Verständnisses
hin. Für den deutschen Leser dürfte interessant
sein Ellers Auseinandersetzung mit der Bultmann-
schen Kerygma-Theologie, deren Berufung auf Kierkegaard
er mit Recht als unsachgemäß zurückweist. Vgl.
z.B. S.366: „And what there is about a claim so lacking
in solidity, in historical actuality and ,presence', that
should attract a man's attention, compel him to face up
to it, and force him to decide one way or the other - again,
no one is able to say. And yet - and yet Kierkegaard is the
one who customarily gets accused of irrationality, sub-
jektivism, and making faith into a wild and unmotivated
lcap in the dark."

Man kann nur bedauern, daß Ellor sich zu der fixen
Idee hat verführen lassen, Kierkegaard zum Sektierer
machen zu wollen, anstatt den eigenen theologischen
Standpunkt als bloßes Hilfsmittel eines wirklichen Kierkegaard
-Verständnisses zu gebrauchen. Dies letztere
hätte ohne Zweifel ein fruchtbares Verfahren sein können.

Die von BUar nicht aulttofiindeno Tagcbuchoinlraminji über 'IVrtullhui
(lillcr, S.277, Aura.37) findet Bich l'apirer X4A 145.

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PHILOSOPHIE,
RELIGIONSPHILOSOPHIE

I Kierkegaard, Seren:] Soren Kierkegaard laest af K. Olesen
Larsen. Udgivet af vibekc Olesen Larsen og Taue Wilhjelm.
1: ArtiklerfraTidehvcrv. 275 S., lTnf. 2: Efterladtc Arbej-
der 260 S. (Seren Kierkegaard as read by K.Olesen Larsen.
1: Essays from „Tidehverv", 2: Posthumeous). With Suni-
maries in English. Kebenhavn: Gad 1966. gr.8° = Kierke-
historiske Studier, TIRackkc Nr.24, red. af N.K.Andersen
og K.Banning.

Seren Kierkegaard kennen heute die meisten, K.Olesen
Larsen nur die wenigsten. Wie Kierkegaard war er ein
Däne, geboren 1899 und gestorben 1964 als Pfarrer in
Kopenhagen. Er war in den zwanziger Jahren einer der
Mitbegründer der sogenannten Zeitwende-Bewegung,
Tidehvervsbovaegelsen, der von Karl Barth ausging, aber
mit den Jahren mehr und mehr von Rudolf Bultmann geprägt
wurde, und doch war es Seren Kierkegaard, der,
jedenfalls für Olesen Larsen, der Ausgangspunkt und tlie
bleibende Triebfeder war. Sein Leben lang beschäftigte er
sich mit Kierkegaard, oder vielleicht besser, Kierkegaard
beschäftigte ihn. Olesen Larsens Elternhaus war von der
Inneren Mission geprägt; mit dieser Bewegung brach aber
die ganze Zeitwendebewegung, die dagegen protestierte,
daß einige Menschen in den Augen Gottes besser wären
als andere. Gott gegenüber seien wir alle Sünder, und
deshalb fand Olesen Larsen auch das Haupttheina in
Kierkegaards Schriften in der „Krankheit zum Tode",
wo das Wesen des Menschen als Geist so bestimmt wird,
daß der Mensch an einer Krankheit zum Tode leide. Dies
wird behauptet in Gegensatz zu denen, die nieinen, daß
das philosophische und literarische Interesse Kierkegaards
sich um den Begriff der Existenz dreht. Das ist natürlich
auch in oiner Weise richtig, mau übersieht aber, daß