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Ausgabe:

1971

Spalte:

200-201

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Bibliotheca Hieronymiana manvscripta 1971

Rezensent:

Altendorf, Hans-Dietrich

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199

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

200

Auferstehung. Auch die eschatologischen Ereignisse vergegenwärtigte
man sich nicht mehr proleptisch, sondern
man deduzierte die Gewißheit endzeitlicher Erfüllung
aus dem Faktum der vergangenen Auferstehung Jesu."
W. Huber arbeitet nicht nur die herausragenden neueren
Beiträge auf (z.B. Deaut), sondern trägt auch einiges
Neue bei. Für die jüdische samaritanische Erwartung
zum Passa ist zusätzlich eine Stelle aus Memar Marqah
genannt (S.214 Anni.41), für die altchristliche Hoffnung
ein Zeugnis des Isidor von Sevilla (Etym. VI, 17,12). Tatsächlich
ließen sich noch mehr Belege beibringen. Wir verweisen
auf Dionysius bar Salibi (zit. Hippolyt gegen
Gaius) und auf das arab. Evangelium Ioannis Apocry-
phum (cp.51,7). Über eine Stelle aus einem judenchristlichen
Evgl. hat sich der Rez. in ZKG 76, 1965, S.148,
geäußert (zit. von Ph.Vielhauer, in: Henneeke-Schnee-
melcher I S.98 Nr.26). Die kritischen Analysen, die
W. Huber zum Verständnis einiger Texte liefert, sind in
der Tat zu bedenken (so z.B. zu Euseb h.e. 11,23,10). Im
Blick auf Sap.Sal.18,6 wird man indessen nicht übersehen
, daß er nur von der aktuellen Erwartung der damaligen
Zeit her seinen Sinn hat (daher die Übersetzung
des Rez.). Wie man im zeitgenössischen ägyptischen
Diasporajudentum dachte und empfand, mag z.B. Philo
(Vita cont. §65ff.) veranschaulichen. Was Apg 12,3ff. angeht
, so hat J. van Goudoever (Bibl. Cal. 1959 S.176ff.)
wohl richtiger gesehen, daß Lk als Zeuge des ausgehenden
1. Jahrhunderts durchaus bereits eine neue urchristliche
Terminologie verwendet, derzufolge die Tage der Ungesäuerten
bis zum H.Nisan gezählt sind, der Tag des Passa
aber den lö.Nisan meint. Neuere exegetische Untersuchungen
(s. F.Hahn, EvTh 27, 1967 S.337ff.) stützen
diese Ansicht von anderer Seite her (s. auch schon
Ch. N. Ghiaouroff, Le jour de la Sainte-Cene, Annuaire de
l'Academie de Theologie ,,St. Clement d Oehrida", Sofia
tom.II, XXVIII, 1951-52).

Außerdem wird man gegen einige weitere Schlüsse des
Vf.s Bedenken anmelden. Aus Epist. Apost. 17 (28) ergibt
sich mit klaren Worten eine Passaerwartung, die somit in
entscheidender Weise „zum Festinhalt des quartadeci-
manischen Passa" gehörte. Daß sie teilweise überhaupt
für die Osterzeit (bis Pfingsten) bestimmend war, tut dem
keinen Abbruch. Die distinguierte Vorsicht des Vf.s vermag
nicht zu überzeugen, kam doch schon E. Schürer auf
Grund umfassender Analysen zu dem Ergebnis, im Mittelpunkt
der quartadeeimanischen Feier müsse wohl die „Erlösung
überhaupt" gestanden haben (Die Passastreitig-
keiten des 2.Jh.s, ZHTh 40, 1870 S.208). Ein klares
quartadeeimanisches Selbstzeugnis liegt überdies vor
mit dem Brief des Polykrates, erkennt man an, daß der
Begriff der „episkope" (Euseb h.e.V,24,5) die escha-
tologische Heimholung meint (so Chr. Mohrmann, VigChr
16, 1962 S.154ff.)und daß es im Falle der aufgezählten
„stoicheia" um „Zeugen" geht, deren Namen konfesso-
risch und martyrologisch mit dem 14.Nisan fest verbunden
sind (s. bes. Polykarp und Sagaris, über ihn Euseb
h.e. IV, 26,3!).

Wenn W. Huber weiter die These einer Parusieerwar-
tung zum Passafest schon in urchristlicher Zeit (s. den
Nachweis des Rez. zu Mt 25,1 ff.) abgelehnt, um freilich
aber zuzugestehen, „daß nach der im NT vorherrschenden
Auffassung die Parusie nur allgemein in der Nacht erwartet
wird" (S.218), so zieht sich der Vf. angesichts
dessen, was er an jüdischen und frühchristlichen Texten
zur Kenntnis nehmen muß, auf eine recht zweifelhafte
Position zurück. Sowohl die jüdisch-urchristlichen Materialien
als auch klare methodologische Logik lassen es
wahrscheinlicher sein, daß das spätere Denken einen sehr
konkreten Anhaltspunkt hatte (wie im Judentum). Es
ist einfacli abwegig, zu folgern, die Ostererwartung habe
sich erst im Laufe der Zeit aus einer allgemeinen Erwartung
zur Nachtzeit herausgebildet, wo es im übrigen vor
Belegen über eine früh ausgeprägte Passaerwartung
wimmelt. Charakteristische neutestamentliche Texte, wie
das Gleichnis Mt 25,1 ff., müssen selbstverständlich ebenfalls
, wie alle anderen Überlieferungen, nach ihrem
„Sitz im Leben" befragt werden. Das um so mehr, als sie
weithin (s. auch die eschatologischen Reden Mk 13/Mt i I)
ihren Ort im Zusammenhang des (urgemeindlich aktualisierten
) Passionsgeschehens haben. Ohne auf alle möglichen
Kinwände einzugehen, möchten wir daher doch (Vagen
, ob sich der Vf. nicht von einem bis zur Stunde verbreiteten
Vorurteil leiten läßt. Das Zeugnis des Hieronymus
ist angesichts der Fülle des Anschauungsstoffes von
elementarer historischer Aussagekraft (in Mt1V,25,6):
unde reor et traditionem apostolicam permansisse, ut in
die vigiliarum Paschae ante noctis dimidium populo dl"
mittere non liceat, exspectantes adventum Christi. Um
den Tatbestand der sehr konkreten Hoffnung der ältesten
Kirche fernerhin der Beachtung zu empfehlen, nennen wir
noch das Zeugnis eines Christentumsgegners, wahrscheinlich
Porphyrius, der (in der bei Makarius Magnus überlieferten
Quaestio IV,2) mit ätzendem Spott schreibt:
„Das ist denn doch der Gipfel der Aufschneideroi, daM
lebende Wesen, die mit dem Gewicht ihrer Leiber belastet
sind, die Natur der Vögel annehmen und die ganze Luit
wie ein Meer auf einer Wolke als Fahrzeug durchfahren."
Vollends deutlich sei die Lüge des Paulus (s. 1 Thess 4,15;
dazu: Die altsyrische antimarcionitische Erklärung voD
Parabeln p.341): „denn seit diesem Wort sind ?30? Jahr*
verflossen, und nirgendwo ist irgend etwas, auch bei
Paulus selbst nicht, mit anderen Leibern in die Luft entrückt
worden" (s.a. Mk 13,27; Lk 17,34ff.; Melito, hom.
103: „Ich führe euch hinauf zu den Himmelshöhen").

Wir betonen, daß letztere Hinweise dem Wert der
Untersuchung insgesamt keinen Abbruch tun wollen. Sie
legen einzig und allein den Nachdruck auf ein Gebiet, wo
offensichtlich die Forschung noch nicht zum Abschluß
gekommen ist. Betreten wir Neuland, kann die mahnende
kritische Stimme sehr wohl vonnöten sein. Daß die inhaltsreiche
Arbeit für die Klarstellung der großen Linie»
der Entwicklung sehr wohl weiterführt, beweisen die
Schlußsätze, die die Anfänge und die spätere Entwicklung
hin zum ausgebildeten Osterfestkreis im Blick haben. Mit
W. Huber möchte sie der Rez. unterstreichen und allen
Einsichtigen zu bedenken geben: „Auferstehung, Himmelfahrt
und Geistausgießung stehen für uns heute vielfach
unverbunden nebeneinander (sc. als Ergebnis der altkirchlichen
P]ntwicklung) und werden gar je für sich lD
ihrer historischen Faktizität untersucht. Den inneren Zusammenhang
des im Grunde einheitlichen Geschehens der
,Erhöhung Christi', an dem Auferstehung, Himmelfahrt
und Geistausgießung nur einzelne Momente sind, müssen
wir uns theologisch neu erarbeiten" (S.229).

Neuondettelaaii August Strubel

Lambert, Bernard, O. S. B.: Bibliotheca Hieronymiana Manu-
scripta. La Tradition Manuscrite des Oeuvres de Saint Jerö-
me. Tome IA: XXII, 312 S., 1 Taf. Tome I B: VI, S.313 bis
1114. Tome II: IX, 519 S. The Hague: Nijhoff; SteeD-
brugis: Abbatia S.Petri 1969. gr.81 = Instrumenta Patrist i-
ca IV.

Die ersten beiden Bände des auf vier Bände angelegten
Werkes verzeichnen die Handschriften, welche Hieronymus
' Briefe (Tome I) und Schriften (Tome II) enthalten-
Zu jedem Hieronymustext sind in chronologischer Folge
die Handschriften gebucht, die ihn enthalten; die Briefüberlieferung
ist außerdem in einem nach den Bibliotheken
angeordneten Überblick vorgeführt. Tome III soll
die Spuriaüberlieferung bringen, Tome IV die „Excerpta