Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1971

Spalte:

193-200

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Huber, Wolfgang

Titel/Untertitel:

Passa und Ostern 1971

Rezensent:

Strobel, August

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3, Seite 4

Download Scan:

PDF

193

Theologische Literaturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

194

Behmithals, Walter: Noch einmal: Historischer und biblischer
Jesus (Evangelische Kommentare 3, 1970 S.416-418).

Veit, Marie: Messias (Der Evangelische Erzieher 22, 1970
S. 221-233).

Whitaker, David: What Happenet to the Body of Jesus? A
Speculation (ET 81, 1970 S.307-310).

Zimmermann, Wolf-Dieter: Markus über Jesus. Das Evangelium
für unsere Tage interpretiert. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus G.Mohn [.1970]. 183 S. 8°. Kart. DM
14,80.

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Huber, Wolfgang: Passa und Ostern. Untersuchungen zur
Osterfeier der alten Kirche. Berlin: Töpelmann 1909. XI,
255 S. gr.8° = Beiheft zur Zeitschrift für die neutestament-
liche Wissenschaft und die Kunde der älteren Kirche, hrsg.
von W. Eltester, 35. Lw. DM 48,-.

Die auf vielen Gebieten angestrebte Neuordnung des
kirchlich-liturgischen Handelns in der Welt der Moderne
macht vor dem österlichen Hauptfest früher oder später
schwerlich halt. In kritischer Reflexion wird unter Bezug
Ulf die geschichtliche Herausbildung der Osterfeier zu
durchdenken sein, welchen theologischen Gehalt man als
unaufgebbar zum Ausdruck bringen will und wie man dem
mißverständlichen Historismus unseres geschichtliche
gewordenen Festjahres entgegentritt und somit jeder falschen
Berufung (etwa auf die ,drei Tage*) in den Anfängen
Wehrt. Möglicherweise nötigt spätestens die Einführung
eines fixierten Osterkalenders, der neuerdings vom Vaticanum
II und längst auch vom Ökumenischen Rat der
Kirchen (zuletzt März 1970) ins Auge gefaßt ist, zu einer
grundsätzlichen theologischen Neubesinnung, die dann
auch liturgisch-gottesdienstliche Konsequenzen nach sich
ziehen sollte.

Welche Wege auch immer beschritten werden, die
Arbeit von W. Huber über ,Passa und Ostern' kann hierbei
eine wichtige Orientierungshilfe sein, das Eigentliche und
Wesentliche, und somit auch das Unaufgebbare, nicht zu
verfehlen.

Ohne Zweifel handelt es sich bei dieser zum Druck gebrachten
Dissertation um eine ausgezeichnete Untersuchung
, die wegen ihrer angestrebten Genauigkeit und
Gründlichkeit als vorbildlich gelten darf. Die Reichhaltigkeit
der Quellen- und Literaturverarbeitung, sowie überhaupt
die klare inhaltliche Aufarbeitung des vielschichtigen
Themas, verdienen wirkliche Anerkennung. Die
Geschichte des Osterfestes und der Osterpredigt ist in vier
großen Abschnitten untersucht, wobei sich am Schluß
einige sehr wesentliche Einsichten in den liturgisch-theologischen
Charakter des christlichen Hauptfestes ergeben.
Des näheren sind die folgenden Themen abgehandelt:
Kp.I „Quartadezimanisches Passa und Osterfeier am
Sonntag" (S.l-88), Kp.II „Altes und neues Passa" (S.89
bis 147), Kp.III „Karfreitag und Ostern" (S. 148-208),
Kp.IV „Ostern und Parusie" (S.209-228). Ein umfassendes
Quellen- und Literaturverzeichnis, dazu ein hilfreiches
Quellenregister, runden diese aufschlußreiche
Arbeit ab.

Indem der Rez. die Leistung voll würdigt, möchte er im
folgenden über verschiedene Thesen der Arbeit informieren
, um sie freilich auch teilweise kritisch zu befragen.
Die Sicherheit des immer wieder mit guter Begründung
abgegebenen Urteils ist bestechend und erfreulich, darf
aber natürlich nicht bedeuten, daß man das Gespräch
hierüber unterläßt.

Zu Kp.I: Der Nachweis E.Lohses, wonach das quarta-
deeimanische Passafest als (terminliche) Fortsetzung des
•Passamahls Jesu, und nicht seines Todes, zu begreifen sei,

wird in aller Ausführlichkeit widerlegt. Wahrscheinlich
zu Recht. Es ist schließlich offenkundig, daß - redaktionsgeschichtlich
gesehen - die synoptischen Abendmahlsberichte
(besonders Lk) in starkem Maße die urchristliche
Praxis widerspiegeln und somit weitaus weniger
für die Rekonstruktion der historischen Situation in
Frage kommen als etwa Joh, der unleugbar exaktere Angaben
bietet und sie keineswegs durch eine massive tendenziöse
Symbolik verzeichnet oder verhüllt hat. Hinsichtlich
der historischen Grundlagen ihres Festes standen die
Quartadecimaner, obschon in genauer Analogie zum
jüdischen Fest praktizierend, in ältester Zeit mit Sicherheit
bei der johanneischen Chronologie des Leidens Jesu.
Mit anderen Worten: der innere Widerspruch zwischen
johanneischer historischer Theorie und synoptischer
jüdischer Praxis mußte früher oder später zu Komplikationen
führen.

Letzterer Gesichtspunkt ist u.E. bei W. Huber nicht klar
genug erkannt. Wenn er beispielsweise Melito von Sardes
im Widerspruch zur bisherigen Forschung und entgegen
eindeutiger Bezeugung (s. Polykrates von Ephesus!)
nicht als Quartadecimaner führt (S. 31 ff.), so geht er in
eklatanter Weise fehl. Anders als sein Nachweis lautet,
muß die Kontroverse zwischen Apollinaris von lliera-
polis und Melito, die beide als Quartadecimaner einzuordnen
sind, so erklärt werden, daß letzterer die quarta-
deeimanische Praxis mit dem inzwischen geläufigeren
synoptischen Schriftzeugnis begründete, ersterer aber
noch richtig an der johanneischen Darstellung der historischen
Zusammenhänge festhielt. Aus den Sätzen des
Apollinaris spricht klar der Tatbestand der innerquarta-
deeimanischen Auseinandersetzung: „Einige gibt es, die
aus Unwissenheit über die Dinge streiten. Ein verzeihliches
Mißgeschick ist ihnen unterlaufen. Unwissenheit
läßt nämlich keinem Anklage zu, sondern bedarf der Belehrung
. Sie sagen, daß der Herr am 14. mit den Jüngern
das Lamm aß...". Es ist zu sehen, daß im ausgehenden
2. Jahrhundert unter den Quartadecimanern (wie überhaupt
in der Kirche, siehe auch Tatian) die Neigung überhandnahm
, sich auf die Synoptiker, besonders Matthäus,
zu stützen. Es lag im Gefälle der Entwicklung, daß mehr
und mehr die simplifizierende historische Betrachtung
Bedeutung gewann, wobei man die eigene Osterfeier am
14./15.Nisan mit der Feier Jesu identifizierte und dies
billigerweise mit der synoptischen Darstellung begründete.

Wenn W. Huber die These W.Rordorfs über die Herleitung
des Ostersountags aus jüdischer Tradition (Qum-
rankalender!) verwirft (S.45ff.), so wird man ihm indessen
zustimmen. Das alexandrinische Mondalter Luna XV für
das Osterfest ist in der Tat ein gewichtiges Beweisstück
dafür, daß Alexandrien im 2. Jahrhundert irgendwann
einmal (S.CO: „bald nach 135") den entscheidenden Schritt
vom quartadeeimanischen Passa (am 14./15.Nisan =
Luna XIV/XV), das damals noch in Jerusalem Usus gewesen
sein mag, hin zur Ostersonntagsfeier tat (S.53ff.).
Desgleichen ist auch die römische (= johanneische)
Luna XVI (für den Ostersonntag) ein bemerkenswertes
Argument dafür, daß die römische Osterpraxis der Sonntagsfeier
nicht des quartadeeimanischen Vorbildes entbehrte
(S.54). Die quartadeeimanische Feier enthielt in
der Tat ein Element, „das auf den Sonntag als den der
Feier einzig gemäßen Tag hindrängte". Darf man aber
sagen, daß sich die römische Form der Feier aus der „jeru-
salemisch-alexandrinischen" „weiterbildete"? (S.55).
Und: Daß sie erst unter Soter (um 165 n.Chr.) eingeführt
wurde, weil Rom vor der Einführung der Sonntagsfeier
„überhaupt kein Osterfest" begangen habe? (S.58). Diese
Sicht der Zusammenhänge ist doch sehr unwahrscheinlich
, bedenkt man die uranfängliche, grundlegende Rolle
des Passa- bzw. Osterfestes im Urchristentum. Hinzu
kommt, daß der Vf. nach unserer Ansicht ohne Zweifel