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1971

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Neues Testament

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Theologische Lileraturzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

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paränetischen Passagen der Paulusbriefe, nacli der Reihenfolge
ihrer Abfassung geordnet; es handelt sieh um
folgende Texte: l.Thess 4-5; 2.Thess 1-3; Gal 5,13-6,10;
l.Kor fast ganz; 2.Kor 5,9f.; 6,14-7,1; 8-9; Rom 12-15;
Phil fast ganz; Kol 3,1- 4,6; Pliilenion (ausgelassen werden
also nur Eph und die Pastoralbriefe). Dieser längste Teil
des Buches (drei Viertel!) ist der problematischste. Statt
sich und den Leser auf die Leitfrage nach den Motivierungen
paulinischer Paränese zu konzentrieren, ist M. der
Versuchung erlegen, auf alle wichtigeren exegetischen
Details der Texte (zwei Fünftel der paulinisehen Briefe!)
einzugehen. Für den eingentlichen Zweck der Untersuchung
ist der Teil ermüdend lang geraten; für eine
wirklich befriedigende Behandlung aller angerührten
Fragen ist er natürlich viel zu kurz. Bei der Fülle der Probleme
muß sich M. naturgemäß meist in abweisenden und
zustimmenden Literaturreferaten - oftmals auch bei
durchaus offenen Fragen mit zu einseitiger Zustimmung -
erschöpfen. Wer sich - wie der Vf. - in die Pauiusexegese
einarbeiten will, wird die fleißige Arbeit mit ihren reichhaltigen
Hinweisen auf neuere Literatur dankbar benutzen
. Aber dem Leser, den das Ziel der Untersuchung
interessiert, wird der Blick verstellt; was zur Sache gewonnen
wurde, wird auch am Ende der Behandlung eines
Abschnitts nicht deutlich genug zusammengefaßt.

Natürlich könnte man an vielen Stellen in die exegetische
Debatte einsteigen, so etwa über die Frage, ob
sich die Einbeziehung des Kol. wirklich damit voll rechtfertigt
, daß er sich gerade in den paränetischen Partien
den Linien der paulinisehen Homologumena zuordnen
läßt. Man vgl. etwa den neuen Kommentar von E.Lohse
(Göttingen 1968). - Nur ein Beispiel sei weiter ausgeführt.
Hinsichtlich des Komplexes l.Kor 8-10 schließt sich M.
vor allem an von Soden an, der versucht hatte, die Einheitlichkeit
des Gedankengangs der Kapitel herauszustellen
(123). So ersteht auch bei M. wieder das Bild von
dem schwankenden Baulus, der es bald mit den Starken
(l.Kor 8), bald mit den Schwachen (10,1-22) und gleich
wieder mit den Starken (10,23-11,1) hält (127), statt daß
der Exeget die Verschiedenheit der paränetischen Themen
deutlich machte. Denn in 10,1-22 geht es ja eben nicht um
die Skrupel der „Schwachen" angesichts kultisch „infizierter
" Lebensmittel (so in 8 und 10,23ff.), sondern um
die Frage, ob das Bekenntnis zu dem Kyrios Jesus vereinbar
sei mit dem Bekenntnis zu anderen Kyrioi; die Relation
Starke - Schwache hat hier gar nichts zu suchen. Und
daß Kap.9 organisch eingepaßt wäre, das hat auch M.
nicht überzeugend klarmachen können. Dabei kommt es
nicht einmal in erster Linie auf die positive oder negative
Beantwortung der literarkritischen Frage an, sondern auf
die saubere Klärung des jeweiligen Skopus (vgl. jetzt
H.Conzelmanns Kommentar, der auf eine ausdrückliche
Stellungnahme zur literarkritischen Frage verzichtet).
M. findet jedenfalls als Hauptmotiv für l.Kor 8-10 die
„Oikodome des Bruders" (233) - aber davon wird 10,1-22
nun eben nicht gedeckt, was denn wieder die These von der
Gültigkeit durchgehender Hauptmotivierungen für größere
Texteinheiten in ein ungünstigeres Licht rückt.

Deutlicli wird der rote Faden wieder im Teil III („Zusammenfassung
", 231-248). M. stellt zunächst fest, daß
Paulus nicht nur überhaupt eine Begründung seiner Paränese
für nötig hält, sondern solche Begründungen in großer
Mannigfaltigkeit gibt: nicht aus Sorglosigkeit, sondern
in dem Bemühen, in jeder Situation „verstehenden Gehorsam
" zu finden (232). Sodann laßt M. die behandelten
Paulustexte noch einmal Revue passieren und nennt das
jeweilige Hauptmotiv, dessen Ergänzung durch Nebenmotive
angedeutet wird. Das wichtigste Ergebnis ist
hier wohl dies, daß keins der Hauptmotive aus der heidnischen
Umwelt (etwa von der Physis oder dem Schicklichen
her) oder aus der eigenen jüdischen Tradition des

Paulus genommen sind (234; die Bedeutung des Alten
Testaments in diesem Zusammenhang scheint mir auf
S.244f. freilich etwas unterbewertet; es ist doch für Paulus
offenbar nicht gleichgültig, daß er feststellen kann, in
der Paränese zur Agape sei die „Erfüllung des Gesetzes"
beschlossen, Röm 13,8-10; Gal 5,4); entscheidend motiviert
Paulus also gerade vom Neuen des Christus-
geschehens her. Auch daß es sich dabei nicht um eine
„Entwicklung" von wesentlich theo-logischer Motivierung
in den früheren Briefen zu christo-logischer in den
jüngeren handelt (so Nieder, dazu S.245f.), ist einleuchtend
gemacht, im einzelnen (235-243) gliedert M die
Motive weiter auf: Begründungen aus dem Handeln Gottes
am Glaubenden (auf dem geschichtlichen Weg zwischen
Berufung, Geistbegabung und Endrettung im Gericht
), aus dem Christusgeschehen und den Grundtat-
Sachen der Ekklesia (Taufe, Leib Christi, Herrenmahl).
Doch auch die aus anderen Bereichen stammenden
Nebenmotivierungen werden nicht vom Tisch gewischt
(243-245). Letzte Quelle alles paränetischen Begründens
bei Paulus ist aber Gottes geschichtliches Handeln, das
den Glaubenden bzw. die Gemeinde in den Vollzug dieses
Sandeins selbst eingliedern will (247). - Ein umfangreiches
Literaturverzeichnis (249-268), in dem man einschlägige
Titel kaum vermissen wird und das, wie die ausgiebigen
Literaturverweise in den Anmerkungen zeigen,
wahrhaftig nicht nur bibliographischer Zierat ist, sowie
ein Bibelstellen- und Autorenregister (269-281 und 282 bis
287) schließen das Buch ab.

M. hat ganz gewiß wichtige theologische Motive der
paulinisehen Paränese herausgestellt, auch wenn seine
Durchführung stellenweise zu sehr die Vorstellung erweckt
, als habe es Paulus beim Schreiben seiner Briefe auf
kunstvolle Kompositionen mit Haupt- und Nebenmol iveD
abgesehen. Daß für eine thematische Arbeit dieser Art
eingehende Exegesen zusammenhängender Texte notwendig
sind, wie M. einleitend (2f.) betont, wird niemand
bezweifeln. Aber sollte nicht das meiste davon besser auf
dem Schreibtisch des Autors liegenbleiben ? Seinem eigentlichen
Anliegen hätte jedenfalls eine entscheidende Konzentrierung
des 11. Teils größere Wirkung gesichert.

Naumburg Nikolaus Waltet

Amphoux, Christian-Bernard: A propos de Jacques 1,17

(ItHPhRöO, 1970 S. 127-130).
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Gill, David: Observations on the Lukan Travel Narrative and
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Grimm, Werner: Selige Augenzeugen, Luk 10,23f. (ThZ 26,
1970 S. 172-183).

Grosoh, Heinz: Andere hat er gerettet... Exegetische und didaktische
Besinnung über zwei lukanische Passionstexte
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Hahn, Ferdinand: Das Problem „Schrift und Tradition" im
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Howard, George: Romans 3,21-31 and the Inclusion of the
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Klassen, William: Galatians 6,17 (ET 81, 1970 S.378).

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Mehnert, Gottfried: Jerusalem vor 1900 Jahren (Im Lande der
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Perrin, Norman: The Literary Gattung ,Gospel' - Some Observations
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„pour le feu"? (Pr 25,22a - Rm 12,20 b) (Biblica 51. 1970
8.230-234).

Read, David H.C.: What is the Gospel? - 111 (ET 81, 1970
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