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Ausgabe:

1971

Spalte:

188-190

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Rese, Martin

Titel/Untertitel:

Alttestamentliche Motive in der Christologie des Lukas 1971

Rezensent:

Baumbach, Günther

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187

Theologische Literalurzeitung 96. Jahrgang 1971 Nr. 3

188

Parallelen im Joh.-Ev., soweit vorhanden, berücksichtigt
werden, erweist sich durchaus als förderlich.

Teil ß, „Die Frage nach dem Weg Jesu", behandelt
Sabbatkonflikte und Tcmpelreinigung. Aus der Analyse
der Texte - die in allen Partien jeweils gesondert nach der
ursprünglichen Überlieferungsintention und der Verarbeitung
in den einzelnen Evangelien fragt, übrigens
für bestimmte Perikopen die Bildung durch die Gemeinde
wahrscheinlich macht - ergibt sich für die Sabbatkonflikte
, daß es sich bei ihnen ursprünglich „durchweg um
verhüllte Vollmachtsproklamationen gehandelt hat" (70).
„Ihre Überlieferung und Ausgestaltung" verdanken diese
Perikopen dann „dem Interesse der Gemeinde Antwort
auf die Frage nach dem Ausgang Jesu zu erhalten'*
(85), auf „die Frage nach den Ursachen des Kreuzes" (74,
kursiv), die eben in der Auseinandersetzung Jesu mit
seinen Gegnern gegeben sind. Die Sabbatgeschichten
„sind von Anfang an im Blick auf den Konflikt Jesu mit
dem Judentum erzählt worden, der seinen Weg zum
Kreuz bestimmte, und diese Überlieferungsintention hat
ihre redaktionelle Verarbeitung in allen Evangelien geprägt
" (88). - Weithin gilt Entsprechendes für den Bericht
über die Tempelreinigung. Dessen älteste Form umfaßte
„etwa Mk ll,15f.18a.28-33" (93). Danach war diese
„ein prophetisches Zeichen, das Buße und Umkehr Israels
in ilrr Endzeit wirken wollte" (95).

Teil C steht unter der Überschrift „Die Berichte von
Jesu Taten in der Spannung zwischen Vergangenheit und
Gegenwart". In I wird diese Spannung zunächst an zwei
Berichten aufgezeigt, die extreme „Grenzmögliehkeiten"
darstellen: es sind die Erzählung von der Heilung der
Schwiegermutter des Petrus, „die deutlich geschichtliche
Erinnerung sein will", und die Geschichte vom Stater im
Fischmaul, „die sich ebenso deutlich als erzählerische
Einkleidung einer auf ein gemeindliches Lebensproblem
bezogenen kerygmatischen Aussage zu erkennen gibt"
(115). Eingehender werden unter demselben Gesichtspunkt
die Blindenheilungon besprochen. In Mk 10,40-52
hat man es (schon vor Mk) „mit einer ursprünglich stark
von geschichtlicher Erinnerung geprägten Perikope zu
tun, in die sekundäre Züge eingetragen sind"; diese beziehen
sieh aber auf „das Wesen des Glaubens, den der
Jesus der Erdentage hervorrief" (123f.). InC 11 geht es
insgesamt um die Frage, „inwieweit das Bild der Wunder
Jesu ... von den" in der nachösterlichen Gemeinde „geschehenen
Zeichen und Machttaten geprägt ist" (141).
Hier wird zuerst Mk 9,14-29 untersucht, dessen ältestes
Stück, „vermutlich V. (14-17a?) 17b-19a.l9c- 20.25-27",
„zunächst primär als geschichtliche Erinnerung innerhalb
des Zwölferkreises weitergegeben worden ist" (148);
V.28f. ist „eine applicatio für die nachösterliche Gemeinde
" (149). Die Erörterung von V.21-24 leitet über zu
dem Abschnitt „Der Glaube in den synoptischen Jesusgeschichten
" überhaupt (152-173). In deren Jesusworten
über den Glauben wird dieser entscheidend als personale
Hinwendung zu Jesus verstanden (154-158). In dem
Glauben, den Jesus gewährt, kommt die „heilvolle Begegnung
mit dem Gott Israels" zustande (150, zu Mt
8,5-13). Auch wo das Zusprechen des Glaubens sekundär
eingefügt ist (Lk 7,50), kann der Glaube sachgemäß
verstanden sein als „der grundlegende Vollzug der Umkehr
angesichts der von Jesus gewährten Gemeinschaft
" (102). Offenbar hat „die nachösterlichc
Kirche im Erwecken von Glauben einen typischen Zug des
Erdenwirkens Jesu gesehen" (173)1. Um das neue Gottesverhältnis
„auf der Grundlage der ... durch Jesus gewährten
Gemeinschaft" (109) geht es auch in den Aussagen
über den Glauben der Jünger. Dabei gehören „die
Sprüche vom Glauben" Mk 11,23 usw. in „die Jüngerunterweisung
während der Erdentage" (100). Eine „Gegenüberstellung
synoptischer Wundergeschichten mit ...

Aussagen über die Bedeutung des Wunders in der nachösterlichen
Kirche" (203) ergibt charakteristische Unterschiede
im Verständnis beider innerhalb des Neuen Testaments
selbst (173-207).

Teil D, „Der Rückblick auf die Gemeinschaft der
Erdentagc Jesu", setzt mit der Salbung in Bethanien ein,
Mk 14,3-9. Sie wird in V.9 „mit Hilfe eines historischen
Motivs" interpretiert (214). Um ein solches geht es auch
in Mk 2,18-20 (223f.); dabei bilden V. 19b.20 ähnlich wie
14,9 „ein aus der Reflexion über den zeitlichen und sachlichen
Abstand ... erwachsenes Interpretament" (233).
Ein letzter Abschnitt stellt „Die wunderbare Speisung
und die Tischgemeinschaft der Erdentage" überhau])!
unter das Thema von D. Für die Speisungsberichte kommt
R. zu dem Ergebnis, Mk 8,1-9 sei „als Wunder-
geschic.hte konzipiert, die von Jesu Hilfe in leiblicher
Not berichten will", das Thema von 6,34 44 sei „die von
Jesus gewährte Tischgemeinschaft" (243). Dieser
Bericht ist „der ursprünglichen geschichtlichen Situation
näher" (244). Aus der Traditionsgeschichte beider Berichte
ist kein „aktuelles Gegenwartsinteresse der nachöster-
lichen Gemeinde" zu ersehen (2402). Die Speisungs-
geschichten „lassen sich ... nur verstehen als zwar typisch
überhöhende, aber bewußt in den Rahmen der vorösterlichen
Situation eingezeichnete Darstellung eines zentralen
Zuges des Wirkens Jesu, nämlich seines Essens und
Trinkens mit den in seiner Nachfolge Stehenden. Diese
Rückerinnerung ... ist von der Beziehung auf die Auferstehung
her motiviert" (201).

Nur einige Linien der programmatischen Untersuchung
R.s konnten hier nachgezogen werden, die die Relation
von Kerygma und irdischem Jesus neu beleuchtet, indem
sie - unter Anwendung heute gültiger Methoden der Analyse
- historische Motive in den Jesuserzählungen der
Evangelien aufspürt und sie mit der Frage nach dem
kerygmatischen Interesse der nachösterlichen Gemeinde
konfrontiert. Dabei war es weder möglich, die - häufig
nicht nur im Zusammenhang des Themas weiterführenden
- Einzelinterpretationen der behandelten Texte zu
referieren, noch die Analyse der verschiedenen Schichten
und der Bearbeitung der vormarkinischen Tradition durch
die Synoptiker zu skizzieren'. Der Rez. kann dem Leser
das Durcharbeiten der Untersuchung R.s nicht abnehmen.
Dabei wird sich auch die Frage einstellen, wie weit sich
der modus procedendi des Vf.s noch auf andere Textkomplexe
anwenden läßt; daß er ihn bereits an entscheidenden
Traditionsbereichen erprobt hat, ist freilich nicht
zu übersehen. Daß er auf ein Problem hinweist, dem wir
auf die Dauer nicht werden ausweichen können, und eine
ebenso methodisch begründete wie biblisch-theologisch
durchdachte Lösung anbietet und durchführt, ist in einer
weithin versteiften Situation der Erforschung der Jesustradition
auf jeden Fall Grund zum Dank, wie immer man
Einzelheiten der Argumentation oder auch das Ausziehen
bestimmter Linien beurteilen mag.

Halle/Saale Oerhanl Delling

'Vgl. L.Goppelt, Begründung des Glaubens durch Jesus, in: Dcis.,
Christologie und Ethik (1968) 44-65.

2 Die Frage: „Die Speisungsberichte - verkleidete Abendmahlshcrich-
te?" wurde negativ beantwortet (237-241).

" Die Behandlung der jeweils entsprechenden Texte des Joh.-Kv.s - die
nur in U II und D II fehlen - maßte ebenfalls übergangen werden.

Rese, Martin: Alttestamentliche Motive in der Christologie des
Lukas. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G.Mohn [19(>9|.
227 S. 8° = Studien zum Neuen Testament, hrsg. v. G. Klein,
W.Marxsen, W. Schräge, 1. Lw. DM 34,-.

In dieser als Dissertation 1965 eingereichten und danach
überarbeiteten Untersuchung bemüht sich R„ eine thema-