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Ausgabe:

1970

Spalte:

161-172

Autor/Hrsg.:

Diem, Hermann

Titel/Untertitel:

Zur Problematik theologischer Wahrheitsfindung 1970

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Theologische Literaturzeitung

Monatsschrift für das gesamte Gebiet der Theologie und Religionswissenschaft

Begründet von Emil Schürer und Adolf von Harnadc
HERAUSGEBER: PROFESSOR D. ERNST SOMMERLATH, D.D..LEIPZIG

NUMMER 3

Spalte

Zur Problematik theologischer Wahrheitsfindung
. VonH.Diem.................... 161

Archiv für Liturgicwisscnschaft. hrsg. v. E.v. Severus
. X, 2 (J. Beckmann).................. 238

Asheim, I. [Hrsg.]: Kirche, Mystik, Heiligung und
das Natürliche bei Luther (D.Löigren)....... 219

Becker, J.: Das Heil GotteB (G. Baumbach) ____ 197

Beckmann, J. [Hrsg.]: Zum Verständnis des Todes
Jesu (J.Fangmeier) ....................... 206

Bizer, E., Fürst, W., Goeters, J.F.G., Kreck, W.,
u.W. Schräge: Das Kreuz Jesu Christi als Grund
des Heils (J. Fangmeier) ...................205

Boer, F.A.H. de, s. Oudtestamentische Studien . 180

Brekelmans, Chr. 11. W., s. Oudtestamentische
Studien.................................. 180

Brongers, H.A., s. Oudtestamentische Studien .. 180

Bronner, L.: The Storles of Elijah and Elisha at
Polemics against Baal Worship (J. Gray)..... 178

Brown, S.: Apostasy and Perseverance in the
Theology of Luke (T.Holtz)................ 192

Cantalamessa, R.: L'Omelia „In S.Pascha" dello
Pseudo-Ippolito di Koma (H.D.Altendorf) .... 215

Fohrer, G.: Das Alte Testament. L. (K.-H. Bernhardt
).................................... 176

Fürst, W., s. Bizer, E......................... 205

Funke, F.: Christliche Existenz zwischen Sünde
und Rechtfertigung (J. Hebert).............. 235

Giblin, Ch.H.: The Threat to Faith (W.Schmit-
hals) .................................... 200

Gllg, A.: Fragen und Wege historischer und systematischer
Theologie (E. Schott) ............. 230

95. JAHRGANG

Spalte

Goeters. J.F.G., s. Bizcr, E................... 205

Grabner-Haider, A.: Verkündigung als Einladung

(F.Winter)............................... 231

Hahn, V.: Das wahre Gesetz (H.D.Altendorf)... 214
Halkin, F. [Ed.]: IniSdits byzantins d'Ochrida,

Candie et Moscou (J.Irmscher).............. 209

Harnisch, W.: Verhängnis und Verheißung der

Geschichte (O.Eißfeldt).................... 183

Kniglit, G. W.: The Faithful Sayings in the Pastoral
Letters (E.Lohse) ...................... 195

Kreck, W., s. Bizer, E........................ 205

Lebrain, J.C.H., s. Oudtestamei-tische Studien .. 180
Leroy, H.: Rätsel und Miß" ,ständnis (B. Gyllen-

berg) .................................... 204

Loretz, O.: Qohelet und der Alte Orient (W.Zim-

merli) ................................... 172

Mastin, A., s. Sauders, J.N................... 193

Mauser, U.: Der junge Luther und die Häresie

(W.v.Loewenich) .........................218

Metzger, W.: Die romanischen Reliefbilder an der

Plieninger Martinskirche (H.Jursch)......... 223

Mulder, M. J., s. Oudtestamentische Studien .... 180
Oudtestamentische Studien, uitg. door P.A.H. de
Boer. XV: The Priestly Code and seven other
Studies. By J.G.Vink, J.C.H.Lebram, Chr.
H.W.Brekelmans, H.A.Brongers, J.Schons-
veld, N.A. van Uchelen, N.H.Bidderbos,
M.J.Mulder. - XVI: The Dramatization of
Salvific Hlstory in the Deuteronomic Schoolp

By J.N.M.Wijngaards (O.Eißfeldt)......... 180

Rendtorff, K.: Studieff zur Geschichte des Op'ers

im alten Israel (K.-H. Bernhardt)............ 177

Ridderbos, X.H., s. Oudtestamentische StUiien . 180

MÄRZ 1970

Spalte

Roy. O. du: L'Intelligence de la foi en la trinite
Selon Saint Augustin (R.Lorenz)............ 212

Sanders, J. N.: A Commentary on the Gospel aecor-
ding to St. John, ed. by B.A.Mastin (T.Holtz).. 193

Schick, E.: Offenbarung und Geschichte (Ch.
Demke).................................. 207

Schillebeeckx, E.: Die eiicharistische Gegenwart,
übers, v. H.Zulauf (P.Brunner)............. 224

Schmitt, A.: Stammt der sogenannte ,,#"'-Text
bei Daniel wirklich von Theodotion? (H.-F.
Weiß) ................................... 184

Schoneveld, J., s. Oudtestamentische Studien ... 180

Schräge, W., s. Bizer, E...................... 205

Schweizer, E.: Das Evangelium nach Markus
übersetzt u. erklärt, 11.Aufl. (J.Schneider) ... 188

Severus, E. v., s. Archiv für Liturgiewissenschaft . 238

Staats, K.: Gregor von Nyssa und die Messalianer
(A.Kemmcr) ............................. 216

Stuhlmacher, P.: Das paulinischc Evangelium. I.
(P.Pokorntf)............................. 202

Uchelen, N.A. van, s. Oudtestamentische Studien 180

Vink, J.G., s. Oudtestamentische Studien...... 180

Vossberg, H.: Luther rät Iteißenbusch zur Heirat
(J.Rogge)................................ 222

Wagner, M.: Die lexikalischen und grammatikalischen
Aramaismen im alttestamentlichen
Hebräisch (J. Körner)...................... 186

Weber, 0.: Predigt-Meditationen (P. Watzel) ... 232

Wijngaards, J.N.M., s. Oudtestamentische Studien
..................................... 180

Wrege, H.-T.: Die Überlieferungsgcschichte der
Bergpredigt (D.Lührmann)................. 199

Zulauf, H., s. Schillebeecks, E................. 224

Zur Problematik theologische/ Wahrheitsfindung1

Von Hermann Diem, Tübingen

Es kann sich im Folgenden nicht um die Entfaltung einer umfassenden
theologischen Prinzipienlehre handeln. Vielmehr will
ich im Rahmen unseres Themas: Wahrheit und Autorität,
einige aktuelle Probleme herausgreifen, um exemplarisch an
ihnen die Problematik theologischer Wahrheitsfindung aufzuzeigen
. Da wir hier in einem ökumenischen Kreis versammelt
sind, wähle ich katholische und evangelische Beispiele. Dabei
werde ich die mir gegenwärtig sehr bedrohlich erscheinende Gefahr
zu vermeiden suchen, daß wir Ökumenismus im theologischen
Niemandsland betreiben, um damit unserer jeweils
eigenen theologischen Problematik zu entfliehen.

Ich beginne mit der katholischen Seite, und zwar mit der Verlegenheit
, in welche das kirchliche Lehramt durch die Enzyklika
..Humanae vitae" geraten ist. Dazu greife ich aus den vielen
Stimmen pro et contra die wohl am weitesten gehende Kritik von
Hans Küng heraus („Unfehlbares Lehramt?", in der Tübinger
Universitätezeitschrift ,Attempto', Heft 29/30, 1968 S.34ff.).

In unserem Zusammenhang interessiert nicht so sehr die umstrittene
Sachentecheidung dieser Enzyklika als solche, sondern
ihre Rückwirkung auf die Autorität des Lehramtes, um die es
Küng geht, wenn er sagt: „Der in seinen Folgen noch unübersehbare
unbeabsichtigte Nebenaspekt der Enzyklika ist eine
Gewissenserforschung großen Stils über das, was in der Kirche
Autorität und insbesondere Lehrautorität ist" (34). Küng redet
mit höchstem Respekt von dem Mut des Papstes, mit dem er
seine ebenso unpopuläre wie unzweideutige Entscheidung gefällt
hat, die kein Ausweichen zuläßt, weil sie „aufgrund des
vom Schöpfer selbst stammenden Naturgesetzes" erfolgt ist.
Er will sich aber nicht mit dem Ausweg begnügen, daß auch die
von Paul VI. in höchstem Verantwortungsbewußtsein gefällte

Entscheidung nach alter katholischer Lehre die Gewissensfreiheit
des Einzelnen nicht aufheben kann. Man darf „nicht dem
bequemen Trugschluß erliegen, mit dem Verweis auf das subjektive
Gewissen sei die Frage gelöst. Es muß auch die objektive
Problematik bereinigt werden" (39). Deshalb sind Küngs Ausführungen
als ein Beitrag zu unserer Frage besonders interessant
.

Was hat den Papst bewogen, sich gegen den Rat der von ihm
selbst eingesetzten Kommission und trotz dem zu erwartenden
starken Widerspruch für die konservative Minderheit zu entscheiden
? Offenbar haben ihm die Argumente der Progressiven
nicht die Freiheit verschafft, gegen die Interpretation des Naturrechts
in der traditionellen Lehre der Kirche und besonders der
letzten Päpste zu handeln. Küng sieht den „neuralgischen
Punkt" darin, daß der Papst die Irrtumslosigkeit dieser Lehren
nicht aufs Spiel setzen wollte.

Die Progressiven haben diese Schwierigkeit wohl gesehen.
Aber .sie beriefen sich darauf, daß es immer schon Irrtümer des
kirchlichen Lehramts gegeben habe, die durch eine Weiterentwicklung
der Lehrbildung überwunden wurden. Sie betonten
besonders zwei Punkte, aufgrund deren eine moraltheologische
Argumentation vor dem Lehramt der Kirche verantwortet werden
konnte: „(1) es geht um eine neue geschichtliche Situation,
die eine neue Argumentation erlaubt; (2) es geht nicht um eine
Lehre, die in der Enzyklika Pius XI. unfehlbar entschieden worden
wäre, so daß einer neuen Aussage grundsätzliche dogmatische
Schwierigkeiten entgegenstünden" (41).

Gegen beide Argumente ist die konservative Minderheit heftig
angegangen, und zwar, wie Küng sagt, „mit Recht": 1) Irrtümer
des Lehramtes hat auch sie nicht bestritten. Aber der

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