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Ausgabe:

1970

Spalte:

153-155

Kategorie:

Interkulturelle Theologie, Missionswissenschaft

Titel/Untertitel:

Oecumenica. 1970

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

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bzw. synthetische oder antithetische Parallelisierung, meditierendes
Umkreisen, holzschnittartige Erzählweise). So wird der Text
durch »Entfaltung" kerygmatisch zur Sprache gebracht. 4) Dabei
bleibt der Blick „immer auf die Sprache der biblischen Erzählung
gerichtet. Sie ist und bleibt Mafj und Norm für alles biblische Erzählen
heute". Vom naiv-erbaulichen Erzählen unterscheidet sich
die hier vorgelegte Erzählung aber nicht nur durch die theologisch
verantwortliche kerygmatische Akzentuierung sondern auch dadurch
, daß dort, wo der Bibeltext »traditionelle Vorstellungen"
bietet, »deren Übernahme dem Menschen von heute schwerfällt",
diese vorsichtig zurechtgerückt und durch andere Ausdrucksformen
ersetzt werden. Auch dazu wird Anregung geboten.

Das Werkbuch muß als eine außerordentliche Hilfe für alle
diejenigen beurteilt werden, die heute biblische Geschichten Kindern
in Unterricht und Gottesdienst verantwortlich, d. h. theologisch
und pädagogisch sachgemäß zu dolmetschen haben. Eine
Königsgestalt dieses Dolmetscherprozesses ist und bleibt die Erzählung
. Das gilt vor allem für die Aufgabe an Kindern des 1. bis
4. Unterrichtsjahres, an die das vorliegende Buch vor allem denkt.
Es versteht sich als ein Werk- Buch, d. h. es werden Materialien
bereitgestellt, die einen kritischen Benutzer fordern, um ihm bei
seiner eigenen verantwortlichen Gestaltung der Erzählung zu
helfen. Jeder der vorgelegten Erzählvorschläge ist gemeint als
ein Versuch. Jeder spiegelt - das darf bei der Benutzung nicht
vergessen werden - den theologischen Standort und die besondere
Erzählweise der Verfasser. Einzelfragen können hier nicht erörtert
werden. Nur eine sei angemerkt: Das Buch verzichtet bei
den Erzählmodellen auf eine „Hinführung" und „Vertiefung". Es
ist aber zu fragen, ob man grundsätzlich bei einem solchen Verzicht
bleiben muß. Theologische Verantwortung könnte beides -
natürlich immer in Gestalt von Erzählung - doch in stärkerem
Maße nötig machen. Ansätze finden sich in dem Buch insofern, als
etwa in den Vorschlägen von D. Steinwede sich bisweilen ein
theologischer „Vorspann", auch ein eingeschaltetes prägnantes
Bibel- oder frei formuliertes Deutewort und am Ende ein „bündelndes
" Bibelwort findet (vgl. z. B. den Entwurf zu Mk 11,1-lla).

Im ganzen: ein Buch, das inmitten mancher theologisch-
katcchetischer Verwirrung heute geeignet ist, Katecheten, Religionslehrern
und Kindergottesdienstmitarbeitern neu Mut zu machen
zu theologisch und pädagogisch verantwortlichem Erzählen.

Leipzig Siegfried Schmutzler

Hammelsbeck, Oskar: Der Glaube der Gemeinde und die mündige
Welt, hrsg. von H. Horn und H. Kittel. Oskar Hammelsbeck zum
70. Geburtstag gewidmet. München: Kaiser 1969. 281 S. 8° = Beiträge
zur evangelischen Theologie. Theologische Abhandlungen,
hrsg. v. E. Wolf, Bd. 52.

Bohne, Gerhard: Information und Entscheidung in der evangelischen
Unterweisung, S. 25—37.

Delekat, Friedrich: Politik und Pädagogik im Leben und Denken
Pestalozzis, S. 68—82.

Fror, Kurt: Überlegungen zur Rezeption der anthropologischen
Theologie in der katholischen Katechetik der Gegenwart,
S. 105-118.

MISSIONSWISSENSCHAFT, ÖKUMENE

Oecumenica. Jahrbuch für ökumenische Forschung, 1968, hrsg. vom
Institut für ökumenische Forschung Strasbourg durch F. W.
Kantzenbach und V. Vajta. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn; Minneapolis, Minn.: Augsburg Publishing House;
Neuchätel: Delachaux et Niestie [1968). 364 S. gr. 8°. Lw. DM
38.-.

Bei dem dritten Band des Jahrbuchs für ökumenische Forschung
sind gegenüber den beiden früheren Bänden zwei Änderungen
festzustellen: der Umfang des Jahrbuchs befindet sich in
stetigem Wachstum; außerdem erscheint auf der Rückseite des
Titelblatts die Bemerkung: »Die Beiträge dieses Bandes stehen
unter dem Gesamtthema .Ecclesia — Reformatio". Der Weg zu
einer thematischen Konzentration der Forschungsbeiträge wird
damit wenigstens angefangen, auch wenn das eine gewiß nicht
einfache Aufgabe ist.

Nach Form und Inhalt haben die Beiträge zu diesem Band
noch eine recht große Spannweite. Sie reicht von einigen subtilen
Einzclstudicn bis zu Gelegenhcitsreferaten, die, auch ohne Bestreitung
ihrer Qualität, nicht gerade als Forschungsbeiträge anzusehen
sind.

An erster Stelle sei auf zwei Beiträge zur Reformationsgeschichte
hingewiesen. Der Assumptionist Daniel O 1 i v i e r
untersucht die beiden Sermone Luthers ,De duplici iustitia' und
,De triplici iustitia' auf ihre umstrittene Datierung und die Frage
nach den .initia theologiae Lutheri'. In der Datierung schließt sich
Olivicr gegen Bizer an Aland an. Er legt die beiden Sermone in
der Reihenfolge ,De duplici' — ,De triplici' auf das Frühjahr 1518,

womit sie den ,Acta Augustana' vom Oktober 1518 vorangehen.
Dazu verweist Olivier auf Anklänge aus der Fastenliturgie und den
Fastenpredigten Luthers besonders im ersten Sermon, außerdem
auf Beziehungen zu der gleichzeitigen Hebräerbriefvorlesung. Ob
man freilich in den beiden Sermonen bereits eindeutig von der
.iustitia aliena' sprechen kann, bleibt für Olivier offen. Er neigt in
diesem Fall mehr der von Bizer vertretenen These zu.

Die zweite reformationsgeschichtliche Untersuchung stammt
von Pierre Fraenkel (Genf). Sie behandelt die Diskussion um
die Transsubstantiation auf dem Regensburger Religionsgespräch in
der ersten Phase zwischen dem 5. und 10. Mai 1541. Als besonderen
Beitrag zu dem teilweise noch ungeklärten Verlauf der Verhandlungen
bringt Fraenkel aus dem Codex Musculus der Berner
Burgerbibliothek den Bericht von Musculus über die Sitzung vom
8. Mai, der erstmals veröffentlicht wird.

Einar M o 11 a n d verfolgt in seiner Abhandlung über »Das
kirchliche Amt im Neuen Testament und in der Alten Kirche" die
Entwicklung von ursprünglich nicht-sakralen Amtstiteln im Neuen
Testament bis zur Ausbildung besonderer kirchlicher Amts- und
Autoritätsbezeichnungen. Auf diesem Hintergrund erscheint dann
das reformatorische Amtsverständnis als Rückkehr zu der nichtsakralen
Auffassung kirchlicher Funktionen. Den historischen
Bruch erblickt Molland darin, daß im zweiten Jahrhundert der im
NT auf Christus beschränkte Opfergedanke mit der priesterlichen
Funktion verbunden wird in der Ausbildung des .sacerdotium',
außerdem im Aufkommen des Sukzessionsgedankens. Nur schade,
daß nicht gleich die Replik eines katholischen Historikers folgt.

Systematische und historische Erwägungen speziell zum lutherisch
-katholischen Gespräch enthalten drei Aufsätze: Von Peter
Brunn er die Abhandlung: „Unum est necessarium. Eine Besinnung
auf den Richtpunkt des zukünftigen Lehrgesprächs zwischen
der römisch-katholischen und der evangelisch-lutherischen Kirche".
Brunner geht von einem sehr bedenkenswerten Befund aus: die
früheren Spaltungen zwischen östlicher und westlicher Christenheit
betrafen Randfragen des Glaubens; von einer Glaubensspaltung
kann daher hier im strengen Sinne nicht gesprochen werden. Hingegen
reicht die durch die Reformation hervorgerufene Spaltung
in die Fundamente des Glaubens im rechten Verständnis des Heils.
Es wäre daher eine wichtige und notwendige Aufgabe, wenn sich
die in der Heilsfrage zertrennten Kirchen wieder in der Heilsfrage
zusammenfänden, und zwar ganz konkret und praktisch im Blick
auf das gegenwärtige Engagement für das .Humanuni'.

Vilmos Vajta liefert unter dem Thema »Sine Meritis. Zur
kritischen Funktion der Rechtfertigungslehre" einen weiteren Beitrag
zu der seit einigen Jahren zwischen evangelischen und katholischen
Theologen geführten Diskussion um Deutung und Kritik
des Verdienstgedankens. Von den zentralen neutestamentlichen
Aussagen her wird versucht, die festgefahrenen konfessionellen
Fronten aufzulockern. Vajta betont dazu einerseits die grundsätzliche
Berechtigung des ,sine meritis', andererseits bemerkt er aber
auch, daß die lutherische Theologie in ihrer polemischen Frontstellung
zu wenig beachtet habe, »daß unbeschadet der göttlichen
Initiative der Heilige Geist non sine nobis sein heiligendes Werk
durchführt". Die sich daraus ergbenden systematischen Konsequenzen
werden jedoch nur in Umrissen angedeutet. Aber sie verweisen
nicht nur auf das Gespräch mit der römisch-katholischen
Theologie, sondern zugleich auf die Auseinandersetzung um das
Verständnis der Rechtfertigungslehre in der neueren lutherischen
Theologie.

Ebenfalls im Vorfeld eines offiziellen Lehrgesprächs mit der
römisch-katholischen Kirche bewegt sich die Abhandlung von
F. W. Kantzenbach, »Die Struktur der reformatorischen
Kontroverstheologie als Frage an den modernen ökumenischen
Dialog". Zum Sachlichen hat sich K. bereits mehrfach geäußert.
Hier versucht er nun, aus der Theologie Luthers das Anliegen und
die Methode einer evangelischen Worttheologie in der Frage nach
der Erneuerung der Kirche darzulegen. Demnach sollte Kontroverstheologie
im wörtlichen Sinne Dialog sein, also Gespräch über das
Wort und unter dem Wort. Als Abgrenzung gegenüber dem nicht
nur neukonfessionalistischen Entwicklungsdenken ist dieser Ruf
zur Sache des Wortes sehr notwendig. Aber dazu müßte auch das
Wort Dialog von seiner ökumenischen Entwertung befreit werden.

Die übrigen Beiträge seien hier nur kurz angeführt (was jedoch
nicht unbedingt ein Werturteil bedeutet): John F o r s t e r
(Glasgow) liefert eine Analyse des Buchs »The Propagation of the
Gospel in the East" von A. W. Boehm. Dabei werden Verbindungen
von Mission und Ökumene in der Begegnung von Luthertum und
Methodismus im 18. Jahrhundert aufgezeigt.

J. Meyendorff, „Historical Relativism and Authority in
Christian Dogma", bewegt sich auf der Linie der Ekklesiologie
Chomjakovs, wenn er betont, daß nicht die Autorität, sondern der
in der Kirche wirkende Geist die Kirche und die Gegenwart Christi
begründe. Das sind Gedanken neuerer ostkirchlicher Theologie,
die der reformatorischen Ekklesiologie keineswegs fremd sind.