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1970

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

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Neuerscheinungen

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145

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

146

Schoeneich, Harro: Die grundlegende Bedeutung des Artikels von
der Rechtfertigung - Gogarten (ZdZ 23, 1969 S. 91-97).

Schwarz, Hans: Das Verhältnis von Theologie und Naturwissenschaft
als systematisch-theologisches Problem (NZsTh 11, 1969
S. 139-153).

Segundo, Juan: Dialog und Fundamentaltheologie (Concilium 5,
1969 S. 447-452).

Semmelroth, Otto: Die Rolle der Theologie in der Kirche (StZ 184,
94. Jg. 1969 S. 233-243).

Theologische Akademie 6, hrsg. von Karl Rahner u. Otto Semmelroth
, Frankfurt'M.: Knecht 1969, 115 S.:
Rahner, Karl: Über das Ja zur konkreten Kirche, S. 9—28.
Semmelroth, Otto: Die Dogmen und ihre Funktionen, S. 29—49.

Trouilleux, Paul: Kritische Theologie (ThQ 149, 1969 S. 235-258).

Turrado, Argimiro: Todas y cada una de las vocaciones al servicio
de la ünica misiön de la Iglesia (Revista agustiniana de espiri-
tualidad 10, 1969 S. 7-48).

Vial, Cristiän: Teologizando sobre algunos aspectos de la familia
moderna (Teologia y vida 21, 1969 S. 57-69).

Voss, Gerhard: Die ökumenische Bedeutung der biblischen Hermeneutik
(Una Sancta 23, 1968 S. 35-49).

Walgrave, Jan: Beitrag zu Aufbau, Methode und Aufgabenbereich
einer zeitgenössischen Fundamentaltheologie (Concilium 5, 1969
S. 452-457).

Widmer, Gabriel: Problemes et methode en christologie (RThPh

100, 1967 S. 224-241).
Wiesner, Werner: Dogmatische Anmerkungen zur Säuglingstaufe

(EvTh 29, 1969 S. 500-508).

ETHIK

Trillhaas, Wolfgang: Sexualethik. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht [1969]. 164 S. 8°. Kart. DM 10.-.

Trillhaas will angesichts der Revolte gegen die traditionelle
Sexualmoral unbefangen nach dem fragen, was „eigentlich" sein
sollte (Einleitung, S. 7—11). Damit bestimmt er das Ethische
zunächst als kritische Funktion des Moralischen, Moral als das
jeweilige Niveau „üblichen" Verhaltens. Als Leser wünscht er sich
nach der Anlage des Buches den nach Neuorientierung suchenden
Zeitgenossen mehr als den Fachtheologen.

Im 1. Kapitel (Abschied von der Tradition. Die neue Moral,
S. 15—36) wird der Bezugshorizont der Sexualethik bestimmt. Dieser
stellt sich dar im Umbruch des moralischen Allgemeinbewußt-
«eins: An die Stelle der Disqualifizierung des Natürlichen ist die
uneingeschränkte „Natürlichkeit" als Voraussetzung des modernen
Bewußtseins getreten. Tabuierung ist durch Offenheit und Wahrhaftigkeit
abgelöst worden. Verhaltensnormen werden nach ihrer
Nützlichkeit, nicht mehr nach ihrem Moralwert beurteilt. Die
Kompliziertheit des heutigen Lebensvollzuges, die Differenzierung
der Sexualbeziehungen haben eine unvergleichbare Situation
des Moralwandels heraufgeführt. Dennoch fordern anthropologische
und soziale Bedingungen immer von neuem die Stabilisierung
des Verhaltens, Kultur als „zweite Natur". „Keine Moral verschwindet
, ohne daß eine neue an die Stelle tritt" (28). Wo hat
in diesem Horizont das Christliche seinen Ort? Der Vf. möchte
jenseits der „festen Daten" (Schöpfungs-, Erhaltungsordnungen,
Königsherrschaft Christi o. a.) das Christliche als „präsente Verantwortung
" beschreiben. Dafür nennt er als Faktoren: Die Unverfügbarkeit
unseres Lebens, Verantwortlichkeit, Vernunft als
Medium der Liebe, die Entscheidungsstruktur des Daseins mit
Gelingen und Versagen — und damit Wissen um Sünde und Vergebung
.

Das 2. Kapitel (Die Geschlechter — Schicksal und Wandel,
S. 37—49) dient der kritischen Auseinandersetzung mit den noch
archaisch besetzten Vorstellungen vom „Wesen" des Mannes und
der Frau — und mit der Verengung der Fragestellungen auf die
Ehe. Der Vf. fordert die Neuverteilung der Rollenbilder von Mann
und Frau und damit die Humanisierung der Geschlechterbeziehungen
. Diese Aufgabe ist freilich sehr schwierig, weil sich in den
zwischenmenschlichen Beziehungen und den gesellschaftlichen Einflüssen
die unterschiedlichsten Erwartungen und Klischeevorstellungen
kompliziert überlagern.

Das 3. Kapitel (Sexus-Eros-Liebe, S. 50—62) soll die grundlegenden
Begriffe klären. Sexus wird bestimmt als das durch
Hemmungssysteme eingeschränkte Feld der geschlechtlichen Reize
und Triebe, das in sich ebenso mächtig wie ziel- und sprachlos ist.
Eros wird beschrieben als schwebende, unverbindliche, zugleich
aber stimulierende personale Beziehung, die zur Sexualität hin
offen ist, ohne doch völlig von ihr abzuhängen. (Damit ändert
sich der Stellenwert des Eros gegenüber der Antithctik zur Agapc
bei A. Nygrcn.) Liebe wird als integrierendes Geschehen bestimmt:
In ihr wird der Eros zur verbindlichen Personbezogenheit und der
Sexus zur Sprache. Dauerhaftigkeit, Neigung zur Exklusivität und

Selbstvergessenheit gehören zum Wesen der Liebe, die darin ihre
„Geschichte" hat.

In den Kapiteln 4 — 7 werden die Problembereiche der Sexualethik
dargestellt und kritisch durchdacht. Die Untersuchung über
abnorme Sexualität (S. 63—80) geht vom „biologischen Normbegriff
" aus und wägt die ethischen Konsequenzen behutsam ab.
Selbstbefriedigung, Hemmungen und Enthemmungen, vor allem
die Homosexualität, werden behandelt. Bei dieser fordert der Vf.
die Aufhebung der negativen Privilegierung im Strafrecht und
größere gesellschaftliche Toleranz. Das Kapitel über die Ehe (S. 81
bis 107) geht von der Tradition aus (Dauerhaftigkeit der monogamen
Bindung, Integration der Sexualität, Rechtsstatus), zeigt
die biblisch-christlichen Impulse darin'und wendet sich der Kritik
der Ehe zu, wie sie Sebastian Haffner formuliert und bis zur
Voraussage des Verschwindens der Ehe vorangetrieben hat. Trillhaas
hält an der Unscheidbarkeit als dem Ziel christlichen Eheverständnisses
fest, „weil der Sinn der Ehe sich nur in dieser
radikalen Form erfüllt und der Wille zur unbedingten Treue allein
das personale Band heiligt, das die Eheleute verbindet" (95). Aber
er möchte dies nicht gesetzlich, sondern durch lebendiges Vorbild
verwirklicht wissen. Der Überhang der vor- und außerehelichen
Sexualität, die Probleme der verlängerten Ehedauer und der alten
Ehe werden mit ihrem Für und Wider dargestellt. Die Familienplanung
ist Thema des 6. Kapitels (S. 108—131). Die intime und
die bevölkerungspolitische Seite werden unterschieden, von beiden
her wird die Familienplanung bejaht. Der mit der „Pille" deutlicher
gegebene Bewußtseinswandel in Richtung auf rationale
Planung und „Machbarkeit des Menschen" bedarf des Korrektivs
liebender Verantwortung. Der Familie (S. 132—142) wird die
Chance ihrer zukünftigen Bedeutung in der wandlungsfähigen
Elastizität zuerkannt, die sie in ihrer Geschichte bewiesen hat. Die
Rollenbilder der Eltern sind variabel geworden. Vom Gelingen
der Ehe hängt es ab, daß die Familie zu dem Raum werden kann,
in dem die Kinder „Wegweisung zum humanen Verständnis der
Geschlechterrollen" (139) empfangen. Aufklärung und Sexualerziehung
sind von daher zu sehen.

Im Schlußkapitel (Das Evangelium und die neue Moral, S. 143
bis 164) führt Trillhaas die Frage nach der Bedeutung des Christlichen
in der Sexualethik weiter. Wohl muß die theologische Ethik
ihre Verlegenheit angesichts des Moralwandels zugeben. Aber sie
kann über die kritische Funktion hinaus eine Deutung der Sachverhalte
auf ein „Vollmaß von Humanität" hin geben. An dieser
Deutung beteiligt sich der Vf. mit drei leider nicht sehr ausführlichen
Erwägungen. Zunächst wird das Evangelium als eine befreiende
Nachricht interpretiert, die mit der Ansage des Reiches
Gottes zur Neuordnung der Wichtigkeiten führt. So kann Distanz
und Unabhängigkeit von der Faszination der Sexualität und von
enger Moralisierung erwartet werden. Dann folgt eine anthropologische
Erwägung, die von den zwei der Liebe wesentlichen
Verhaltensformen ausgeht, der selbstvergessenen Zuwendung zum
anderen — und der selbstzugewandten Reflexion. Diese „Dialektik
von Hingabe und Zurücknahme seiner selbst" möchte Trillhaas als
christlich gedeutete Humanität verstehen können, weil sie die Voraussetzung
dafür ist, „daß der Liebende seine Einsamkeit ,vor
Gott' (coram Deo) erfährt, ohne daß er in diesem Alleinsein seine
Liebe entlassen könnte" (161). Schließlich möchte der Vf. christliche
Grundbegriffe auch für NichtChristen kommunikabel erhalten.

Die Vorbehaltlosigkeit, mit der Trillhaas sich in dem umstrittenen
Terrain um eine neue Orientierung bemüht, ist die
Stärke dieses Buches. Daß theologisch fragmentarisch, nicht abgerundet
geredet wird, ist — bis auf kleine Inkonsequenzen — kein
Nachteil.

Greifswald Hansjürgen Schulz

Arnold, Otto Heinrich: Ehrfurcht und Bescheidung des Arztes vor
den Grenzen des Lebens (Die Innere Mission 59, 1969 S. 308—
317).

Barghecr, Friedrich W.: Religiöse Familienerziehung. Ein pädagogisches
, soziologisches und theologisches Problem (Pastoraltheologie
58, 1969 S. 384-396).

Bassarak, Gerhard: Haß und Liebe (ZdZ 23, 1969 S. 169-177).

Beinert, Wolfgang: Religionsfreiheit und Kirche (Una sancta 23,

1968 S. 81-97).

Bennett, John: Ökumenische Zusammenarbeit in Fragen von öffentlichem
Interesse (Concilium 5, 1969 S. 279-284).

Bosc, Robert: Peace Science and Peace Theology (Communio viato-
rum 12, 1969 S. 23-30).

Bovet, Theodor: Liebe und Haß (ZdZ 23, 1969 S. 177-179).

Burrington, Dale E.: The Command and the Orders in Brunner's
Ethic (SJTh 20, 1967 S. 149-164).

Butters, Fritz: Grenzen ärztlicher Kunst (Die Innere Mission 59,

1969 S. 318-326).

Demmer, Klaus: Kirchliches Lehramt und Naturrecht (ThGl 59,
1969 S. 191-213).