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Ausgabe:

1970

Spalte:

124-126

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Kahle, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Westliche Orthodoxie 1970

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

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jener Zeit wie etwa Lehrkatechismen für die Hand des Seelsorgers,
gedruckte Predigten über die Hauptstücke des Glaubens, eigentliche
Lernkatechismen und auch kurzgefaßte Anleitungen gesammelt
. Der von Kötter damit gebotene Überblick über die katechetischen
Werke dieses Zeitraums, der bislang noch recht lückenhaft
war, verdient besondere Würdigung.

In dem ersten Hauptteil der vorliegenden Untersuchung werden
die katechetischen Werke nach ihren Verfassern geordnet
vorgestellt. Bei dem speziellen Thema der Eucharistielehre in den
Katechismen konnte der Vf. in diesem Teil keine ausführliche
Katechismusgeschichte dieser Zeit bieten. Er selber nennt es
„katechismusgeschichtliche Notizen". Diese Hinweise lassen Entstehung
, Aufbau und Umfang sowie die vermutliche Wirksamkeit
der betreffenden Werke deutlich werden. Eine Fülle von Einzeluntersuchungen
ist hier von Kötter sorgsam bedacht und geschickt
verwertet worden. Dabei machen kritische und weiterführende
Hinweise des Vf.s die Lektüre besonders anregend. Die Reihe der
behandelten Katecheten wird angeführt von Erasmus und reicht
bis zu Petrus Canisius. Schon durch diese Namen wird der weitgespannte
Bogen katechetischer Zielsetzung und Verwirklichung,
der uns von Kötter für diesen Zeitraum vorgeführt wird, erkennbar
. Neben bekannten Namen wie Michael Heiding, Stanislaus
Hosius und Julius von Pflug begegnen wir den weithin Unbekannten
und Vergessenen dieser Zeit. Die nuancenreiche Skala reicht
von den katholischen Reformtheologen bis zu den, in diesem Zeitraum
noch erstaunlich wenigen, engagierten Gegenreformatoren.

In einem zweiten Hauptteil wendet sich Kötter der Eucharistielehre
zu, wie sie in den betreffenden katechetischen Werken begegnet
. Damit wendet er sich einem zentralen Thema der theologischen
Auseinandersetzung und des kirchlichen Auseinanderlebens
im Reformationszeitalter zu. Methodisch geht Kötter so vor,
daß er Katechismus für Katechismus die jeweilige Eucharistielehre
vorträgt. Das führt naturgemäß zu Wiederholungen und erschwert
die Lektüre des zweiten Teiles. Andererseits dient es der leichteren
und genaueren Information über die Aussagen der einzelnen
Katechismen. Da der Vf. zu verstehen gibt, dafj er auch aus späteren
Zeiträumen bereits Material gesammelt hat, wäre die Frage
nach dem methodischen Vorgehen für den Fall einer weiteren Veröffentlichung
doch bedenkenswert.

Es ist erstaunlich, wie stark in der Eucharistiekatechese dieser
Zeit auf die Heilige Schrift und die Patristik zurückgegangen wird.
Wer für die Glaubensverkündigung der katholischen Kirche in diesem
Zeitraum vorwiegend an der Dogmatik orientiert war, bekommt
durch die Darstellung Kötters ein viel lebendigeres Bild.
Er läßt deutlich werden, wie bei den einzelnen Autoren ein leidenschaftliches
Mühen um schriftgemäßes und glaubensgetreues
Eucharistieverständnis zu finden ist, das auch deutlich erkennbar
die Anliegen der Reformatoren aufnimmt. Fast durchgängig setzt
die Abendmahlsunterrichtung dieser Zeit - wie übrigens Martin
Luther in seinem Kleinen Katechismus auch - bei der Wahrheit
und Wirklichkeit der Realpräsenz von Leib und Blut Christi ein.
Der Kommunion und insbesondere der rechten Vorbereitung und
gläubigen Entgegennahme widmen diese Katechismen eine beachtliche
Intensität. Von besonderem Interesse sind auch die Ausführungen
zum Meßopfer. Einerseits bieten diese Katechismen kaum
noch Angriffsflächen, indem sie etwa spätmittelalterliche vulgäre
Entstellungen der Opferlehre noch vertreten oder bestärken würden
. Andererseits lassen einzelne Autoren die Messe so eindeutig
als Lob- oder Gedächtnisopfer in Erscheinung treten, daß man hier
reformatorische Theologen zu hören glaubt. Andere wiederum
lassen es mit der bloßen Feststellung, daß die Messe ein Opfer
sei, ihr Bewenden haben. Hier macht sich auf katechetischem Gebiet
die Unsicherheit — oder besser gesagt die Offenheit — der vor-
tridentinischen Meßopferlehre deutlich bemerkbar.

Diese Andeutungen können nur darauf hinweisen, daß die
Beschäftigung mit der Katechismusgeschichte dieser Zeit die dogmengeschichtlichen
Einblicke wesentlich bereichert und vervollständigt
. Dafür ist dem Vf. und seinem Beitrag über die Eucharistielehre
der katholischen Katechismen des Reformationszeitalters
zu danken.

Es sei noch angemerkt, daß Kötter seine Arbeit nicht nur als
historische Untersuchung ansieht, die die Eigenart der katholischen
Glaubensverkündigung in den Anfängen der abendländischen
Kirchentrennung festhalten will. In der besseren Kenntnis
dieser bedeutungsvollen Zeit sieht er die Vorbedingung für ein
echtes, Gegensätze nicht verschleierndes Gespräch zwischen den
getrennten Kirchen. Diese Grundhaltung ist nicht nur im Blick
auf das hier vorliegende Thema als wesentlich anzusehen.

Plate Jürgen Hebert

Benrath, Gustav Adolf [Hrsg.] i Reformtheologen des 15. Jahrhunderts
. Johann Pupper von Goch, Johann Ruchrath von Wesel,
Wessel Gansfort. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
(1968). 92 S. 8° = Texte z. Kirchen- und Theologiegeschichte,
hrsg. v. G. Ruhbach unter Mitarbeit v. G. A. Benrath, H. Scheible
u. K.-V. Selge, 7. Kart. DM 8.80.

Die „Texte zur Kirchen- und Theologiegeschichte", die Gerhard
Ruhbach mit anderen herausgibt, erfreuen sich als handliche, auch
für Studenten erschwingliche, vor allem fachkundig ausgewählte
und zumeist vorbildlich edierte Materialhefte seit mehreren Jahren
im Lehrbetrieb der Universitäten zunehmender Beliebtheit. Zu den
sechs bereits vorliegenden, jeweils eng thematisch begrenzten
Textbüchlein hat G. A. Benrath, der sich mit dem ersten Band der
„Klassiker des Protestantismus" (Wegbereiter der Reformation,
1967) als Sachkenner der Vorreformations-Geschichte ausgewiesen
hat, ein weiteres Heft gestellt: Unter den zahlreichen sogenannten
„Vorläufern der Reformation" werden Texte von drei Theologen
des 15. Jahrhunderts ausgewählt, die eine „tiefer dringend(e)"
Auseinandersetzung mit der theologischen Lehre ihrer Zeit bieten.
Das sind nach Benraths Definition: Johann Ruchrath von Wesel
(t nach 1479), Johann Pupper von Goch (f 1475) und Wessel Gansfort
(f 1489), deren gemeinsame spätscholastische Grundlage in
Verbindung - das trifft jedenfalls für die beiden letztgenannten
zu - mit der .praktisch theologischen' Bewegung der Devotio
moderna gesehen werden muß.

Die reformatorischen Ansätze sind aus den abgedruckten
Quellentexten herauszuarbeiten - aus: „Fragmenta" (Joh. P. v.
Goch), „De indulgentiis" (Joh. R. v. Wesel) und „De sacramento
poenitentiae" (Wessel Gansfort). Der Zielsetzung dieser Reihe entspricht
die knappe Einführung und ein Literaturverzeichnis von
nur wenigen Titeln. Ob man sich allerdings bei der allgemeinen
Sekundärliteratur lediglich auf neun Titel beschränken kann,
hängt von der jeweils unterschiedlichen Fragestellung ab; daß
R. Stadelmanns weitgespannte, aber unzulässig einseitig Gesamtdarstellung
„Vom Geist des ausgehenden Mittelalters" (1929,
Nachdr. 1966), die sich auch mit den genannten Theologen befaßt,
fehlt, wird kaum verwundern, dagegen hätte S. Axters materialreiches
Werk „Geschiedenis van de vroomheid in de Nederlande"
(3de 2/3, 1953/56) im Blick auf den Einfluß der Devotio moderna
genannt werden können.

Auf die Textedition wurde die erforderliche Sorgfalt gewandt;
Benrath hat Joh. Ruchraths von Wesel Ablaßtraktat neu aus den
bekannten Handschriften Karlsruhe, Berlin und Stockholm ediert.
Der reformationsgeschichtlich hochinteressante Text „De sacramento
poenitentiae" entstammt dem Baseler Frühdruck von 1522,
während die „Fragmenta" der Edition von Pijper (1910) entnommen
wurde. Die Apparate bringen nicht nur abweichende Lesarten,
sondern auch Verweise auf Bibelstellen und vereinzelt auch übrige
Schriftbelege.

Man wünscht dem Büchlein hör- und lernbereite Leser.

Pinneberg b. Hamburg Olaf Schwencke

Brecht, Martin: Herkunft und Ausbildung der protestantischen

Geistlichen des Herzogtums Württemberg im 16. Jahrhundert

(ZKG 80, 1969 S. 163-175).
Haikola, Lauri: De finskspräkiga lutherforskningen i Finland efter

kriget (Tidsskrift for teologi og kirke 37, 1966 S. 99-101).
Lienhard, Marc: Les recherches actuelles sur Luther (RHPhR 47,

1967 S. 261-272).

Prenter, Regin: Lutherforskningen i Skandinavien efter 1945
(Tidsskrift for teologi og kirke 37, 1966 S. 81-98).

Reinhard, Wolfgang: Ein römisches Gutachten vom Juli 1612 zur
Strategie der Gegenreform im Rheinland (RQ 64, 1969 S. 168-
190).

Rieh, Arthur: Zwingli als sozialpolitischer Denker (ZEE 13, 1969
S. 257-273).

KIRCHENGESCHICHTE: NEUZEIT

Kahle, Wilhelm: Westliche Orthodoxie. Leben und Ziele Julian
Joseph Overbecks. Leiden/Köln: Brill 1968. X, 305 S. gr. 8° =

Ökumenische Studien, hrsg. von E. Benz, IX. Lw. hfl. 52.—.

Daß Julian Joseph Overbeck jemals eine umfangreiche Biographie
gewidmet würde, hätte wohl kaum einer erwartet, der
seine Schriften gelesen hat. In der Mehrzahl handelt es sich um
Broschüren von hundert und mehr Seiten mit langen, umständlichen
Titeln, die dann noch durch Untertitel ergänzt werden, die
selbst für das vorige Jahrhundert ungewöhnlich sind. Z. B. „Die
orthodoxe katholische Anschauung im Gegensatz zum Papstthum
und Jesuitismus sowie zum Protestantismus (nebst einem Rückblick
auf die päpstliche Encyklika und den Syllabus vom 8. Dezember
1864)". Nicht minder kurios ist bisweilen der Inhalt, so etwa
einer der praktischen Vorschläge zu einer Kirchenvereinigung:
bei einstündiger täglicher Arbeit lasse sich das Heterodoxe im