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Ausgabe:

1970

Spalte:

122-123

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kötter, Franz Josef

Titel/Untertitel:

Die Eucharistielehre in den katholischen Katechismen des 16. Jahrhunderts bis zum Erscheinen des Catechismus Romanus (1566) 1970

Rezensent:

Hebert, Jürgen

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

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daß es sinnvoll ist, denn Böhners Forschung war tatsächlich sehr
polemisch gerichtet und manchmal gerade von der Antithetik
angeregt. Wie bekannt, ist ja die Diskussion mit der älteren Auffassung
noch nicht abgeschlossen, obwohl der Vf. zum Schluß mit
Recht feststellt, daß das neue Ockhambild sich allmählich durchzusetzen
scheint. Die weitere Diskussion wird kaum dieses Buch
ignorieren können, weil hier an einer Stelle eine Fülle der wichtigsten
, auf beiden Seiten immer wiederholten Argumente eingehend
besprochen werden. Andererseits wird der Kenner der Ockham-
literatur kaum auf große Überraschungen stoßen. Der Vf. kann
gute Referate der verschiedenen Ansichten schreiben, hat aber, was
auch wieder verständlich ist, gewisse Schwierigkeiten, wenn er
sich selbst als Diskussionspartner einschalten will. Er wägt die
Argumente gegeneinander ab, sehr sorgfältig und oft beachtenswert
, aber er kann natürlich nicht selbständig die Forschungsgebiete
von einer lange Reihe von Ockhamforschern beherrschen.
Der Vf. bringt viele gute Beobachtungen sowohl zu einzelnen
Büchern oder Aufsätzen als auch zu verschiedenen Problemen der
Ockhamforschung, die ihn als einen aufmerksamen Leser zeigen,
der durchaus seine eigene Meinung hat, die er aber nur mittelbar
zum Ausdruck bringen kann, weil die gestellte Aufgabe ihn ja auf
die besonnene Vermittlung beschränkt.

Das Ergebnis muß natürlich auch einigermaßen ein mittelbares
sein, nämlich ein Versuch, Ockham im Sinne Böhners geschichtlich
einzureihen. Weil es hier nicht möglich ist, die vielen
behandelten Probleme auch nur zu nennen, die der Vf. bespricht,
muß es genügen, ganz allgemein folgendes zu sagen: auf allen
Gebieten meint der Vf. feststellen zu können, daß Ockham keinen
Bruch in der Geschichte der Scholastik darstellt, sondern daß er
einfach einer unter viefen, jedoch ein höchst bedeutender war.
Ockham bleibt in der Kontinuität. »(Ockham) wollte an seinem
geschichtlichen Ort die Probleme im Sinne der Scholastik lösen,
er wollte eine Synthese zwischen einer veränderten Philosophie
und einer franziskanischen Theologie herstellen" (S. 338). Zu diesem
Ergebnis kommt der Vf., nachdem er all die alten Vorwürfe
gegen Ockham als Skeptiker, Antimetaphysiker, spitzfindiger Logiker
, kurz: Neuerer und damit Zerstörer der Scholastik zurückgewiesen
hat. Das ist alles sehr richtig. So sieht es aus, wenn man
mit Scholastik eben die Scholastik des Mittelalters und nicht etwa
den Neuthomismus und seine Lieblingsideen über das Mittelalter
meint. Daß diese Lieblingsideen im Mittelalter selbst nicht standhielten
, sondern immer mehr kritisiert wurden, sowohl von der
Aristotelesinterpretation her als auch vom theologischen Standpunkt
, ist wirklich nicht eine Einzelleistung Ockhams. Er blieb,
wie der Vf. gut hervorhebt, in der Kontinuität, d. h. er reagierte
auf die Probleme der Zeit, in der er lebte. Darin ist an sich
nichts Sonderbares. Geschichtlich gesehen war er kein „Synthesensprenger
", denn die Synthese, an die man meistens denkt, wenn
man so über über Ockham redet, war historisch längstens dahin.

Die Begrenzung auf Böhner führt es mit sich, daß das Buch
sich vor allem mit der Philosophie Ockhams beschäftigt. Böhner
hat sich nur am Rande mit der Theologie Ockhams im eigentlichen
Sinne und mit seinen kirchenpolitischen Schriften abgegeben. Doch,
das theologische Interesse des Vf.s bewirkt, daß er alle Gelegenheit
ausnützt, um auch theologische Themen in die Diskussion
hineinzubringen. Das zeigt sich besonders in dem Kapitel: .Gehörte
Ockham zu den .entscheidenden Vorbereitern der Reformation
'?" (S. 285-325). Der Anlaß zum Aufnehmen dieses Themas ist
ziemlich dürftig, denn Böhner hat sich nicht damit beschäftigt,
nur auf bestimmte Arbeiten anderer hingewiesen, was der Vf.
benutzt, indem er diesen Hinweisen folgt. Man versteht, daß J.
sich gern zu Luthers Rechtfertigungslehre im Verhältnis zum
Ockhamismus äußern will, aber in einer forschungsgeschichtlichen
Arbeit über Böhner geht das schlecht, weil eine Darstellung der
Ansichten des Vf.s, die über Pauschalaussagen hinausgeht, den
Rahmen des Buches sprengen würde. Die Komposition wird aber
nicht gesprengt, was man durchaus begrüßen muß. Wahrscheinlich
wäre es dann für das Buch günstiger gewesen, wenn der Vf. ganz
verzichtet hätte, auf das Thema »Luther und Ockham" einzugehen,
denn man merkt, daß er unter der selbstaufgelegten Disziplin leidet
. Wo man nicht Raum und Zeit für ausführliche Begründungen
hat, ist es meistens besser zu schweigen oder bis später zu warten.
Das soll nicht heißen, daß der Vf. nicht hochinteressante Themen
in diesem Kapitel anschneidet.

Für jeden Anfänger im Studium der ockhamistischen Philosophie
wird das Buch von J. sehr wertvoll sein. Ergänzt mit H. A.
Obermans Darstellung der spätmittelalterlichen Theologie hat er
jetzt keine Entschuldigung mehr, wenn er die alten Irrtümer
weiterschleppt. Hoffentlich wird es bald ein Ende haben mit dem
falschen Ockhambild, das sich wirklich nicht mehr verteidigen
läßt. Aber vor allem sind solche Zusammenfassungen, wie die von
Junghans und Oberman, sehr nützlich für den, der selbst forschen
will. Viele Steine sind von seinem Weg geräumt, die früher die
Kräfte des Anfängers fast erschöpfen konnten, bevor er überhaupt

in die Sache hineinkam. Natürlich, die eigentlichen Schwierigkeiten
bleiben. Es fordert auch weiter einen harten Kopf, wenn
man sich mit dieser Materie beschäftigen will. Übersichten haben
nur einen Sinn, wenn sie weitere tiefgehende Textinterpretationen
befördern.

Kopenhagen Leif Grane

Damerau, Rudolf, Dr. theol.: Der Herrengebetskommentar eines
Unbekannten. Textkritische Ausgabe. - 53 Auslegungen des
Herrengebets des Karthäuserpriors Johannes Hagen (f 1475).
Textkritische Ausgabe. Gießen: Schmitz [1966). 115 S. gr. 8° =
Studien zu d. Grundlagen d. Reformation, 4. DM 16.-; Lw. DM
20.-.

Der Hrsg. veröffentlicht hier zwei Kommentare zum Vaterunser
, deren Handschriften aus der ehemaligen Bursfelder Klosterbibliothek
stammen. Sie werden erstmals gedruckt, so daß diese
Veröffentlichung einen interessanten Beitrag für die Erforschung
des Spätmittelalters darstellt.

Der Vf. des ersten Kommentars ist unter den Angehörigen des
Bursfelder Konventes zu suchen, der diese Schrift wahrscheinlich
um 1450 verfaßt hat. Die zweite Arbeit stammt von Johannes
Hagen, der Prior von St. Peter bei Erfurt war. Dieses Kloster gehörte
seit 1450 zur Bursfelder Kongregation. Hagens Schrift entstand
wahrscheinlich um 1460. Beide Werke sind also Zeugnisse
der Bursfelder Reform, die ihre Zitate besonders aus der Heiligen
Schrift und den Kirchenvätern, weniger aus den Scholastikern entnehmen
.

Die beiden Vf. verwenden unterschiedliche Auslegungsmethoden
. In dem anonymen Kommentar wird nach einer Einleitung
das Vaterunser fortlaufend erläutert. Hagen dagegen geht unter
53 verschiedenen Gesichtspunkten meist das ganze Vaterunser
durch, so z. B. unter den Überschriften »De tribus gradibus humi-
litatis", „De VII gradibus humilitatis" (es folgen noch weitere Auslegungen
zu der stark vertretenen humilitas), »De theologicis et
cardinalibus virtutibus", „De passione Christi", aber auch »Pro
papa et cardinalibus suis".

Die beiden Schriften unterscheiden sich aber nicht nur in
ihrem äußeren Aufbau, sondern auch in ihrer Zielsetzung. Die erste
bietet eine Erläuterung des Vaterunsers, die den Leser über die
Bedeutung der einzelnen Aussagen belehren will. In echt scholastischer
Weise werden dabei mehrere Verständnismöglichkeiten
aneinandergereiht und die verschiedenen Autoritäten angeführt.
Die zweite Schrift dagegen bringt bei den 53 Auslegungen zunächst
eine im gewissen Sinne gleichfalls belehrende Aussage, danach
aber in den meisten Fällen eine sehr ausführliche Betrachtung
des Gegenstandes, die in Gebetsform gehalten ist, also jeweils
eine Paraphrase des Vaterunsers darstellt.

Der Hrsg. hat diese beiden Kommentare in seiner Reihe
„Studien zu den Grundlagen der Reformation" als Band 4 herausgebracht
, in der er als Band 7 »Die Gebetslehre Luthers" ankündigt.
Man darf erwarten, daß er Luthers Auslegung des Vaterunsers
dann zu den beiden vorliegenden Schriften und dem Kommentar
Gabriel Biels zum Vaterunser, den er in der gleichen Reihe als
Band 3 herausbrachte, in Beziehung setzen wird, und darauf gespannt
sein, was für Folgerungen er daraus für Luthers Verhältnis
zum Spätmittelalter ziehen wird.

Leipzig Helmar Junghans

Kötter, Franz Josef: Die Eucharistielehre in den katholischen
Katechismen des 16. Jahrhunderts bis zum Erscheinen des
Catechismus Romanus (1566). Münster/W.: Aschendorff (1968).
XIX, 318 S. gr. 8° = Reformationsgeschichtl. Studien u. Texte in
Verb, mit T. Freudenberger, H. Jedin, E. Iserloh, K. Repgen und
W.-W. Zeeden hrsg. v. A. Franzen, 98. Kart. DM 54.-.

Die vorliegende Arbeit wurde 1965 abgeschlossen und der
Theologischen Fakultät Trier als Dissertation vorgelegt. Es ist nur
zu begrüßen, daß diese Untersuchung in die Reihe „Reformationsgeschichtliche
Studien und Texte" aufgenommen wurde. So wurde
diese sorgfältige Studie nicht nur durch die Veröffentlichung einem
größerem Leserkreis zugänglich gemacht, sondern es wurde auch
die Aufmerksamkeit auf die Bedeutung der katechetischen Bemühungen
der katholischen Kirche im Reformationszeitalter gelenkt
. Der Vf. ist sich bewußt, daß es hier eine Lücke auszufüllen
gilt, da das „durchschnittliche katechismusgeschichtliche Bewußtsein
" katholischerseits erst bei Petrus Canisius einsetzt. Der evangelische
Leser wird mit besonderem Interesse verfolgen, welches
Echo die geniale katechetische Leistung Luthers in den Bemühungen
der katholischen Seite gefunden hat.

Kötter hat sich mit den katechetischen Veröffentlichungen der
katholischen Kirche im deutschen Sprachraum von Erasmus bis
zu Canisius befaßt. Dabei ist zu beachten - der Vf. macht eingangs
darauf aufmerksam -, daß der Begriff Katechismus erst durch
Luthers Werk zum terminus technicus geworden ist. Kötter hat
unter diesem Begriff verschiedenartige pastorale Bemühungen