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Ausgabe:

1970

Spalte:

114-116

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

D. Martin Luthers Werke Kritische Gesamtausgabe Briefwechsel 1970

Rezensent:

Wolf, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

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Der in der Überlieferung dominierende Vulgatatext stammt,
wie gesagt, aus dem Archetyp. Trotz der eingetretenen Textveränderungen
läßt sich der Archetyp .noch an fast allen Stellen
mit hinreichender Sicherheit" ermitteln (S. 278), ja: „Es gibt m. E.
keinen Anlafj, daran zu zweifeln, daß der von allen später eingetretenen
Veränderungen gereinigte Text des Archetypus nahezu
überall dem Wortlaut Gregors entspricht" (ebd.). o>2 ist mit dem
Archetypus „nahezu" identisch; der Archetyp selbst »enthielt
nahezu immer den richtigen Wortlaut" (S. 283). Der Befund kann
die Annahme empfehlen, „da5 die m2 -Fassung dem Text der Erstedition
unserer Predigt entspricht" (ebd.).

Der Frage, was unter der ersten Edition eines Textes zu verstehen
sei, geht Vf. in einem eigenen Abschnitt nach: „Zur Problematik
des Archetypus und des Autorenoriginals* (S. 82 ff.). Vf. setzt
sich mit H. I. Marrou und H. Langerbeck auseinander, die sich
zuletzt mit dem Editionsvorgang bei frühchristlichen Texten befaßt
haben. Das Ergebnis der beachtenswerten Überlegungen ist,
daß am Beginn einer Ausgabe nicht ein Autorenmanuskript stand,
sondern der vom „Umschreiber" angefertigte Text. Dieser Text
pflegte vervielfältigt und an einen kleinen Kreis ausgewählter
Empfänger gesandt zu werden. Die Adressaten übernahmen die
weitere Verbreitung des Textes: die Überlieferung setzte also
nicht an einem einzigen, sondern an mehreren Zentren ein. Den
Text des „Umschreibers" dürfen wir „solange als den Archetypus
bezeichnen", als nicht nachgewiesen ist, „dafj alle erhaltenen
Zeugen von einem einzigen Exemplar jener ersten kleinen Auflage
abstammen" (S. 97). Ferner gilt: „gelingt es, den Text des Umschreibers
sicherzustellen, so ist damit die älteste Fassung, die
überhaupt je existierte, wiedergewonnen" (ebd.).

Die scharfsinnigen Darlegungen des Vf.s sind damit auf das
kürzeste referiert; auf die aus der praktischen Arbeit an der Ausgabe
entstandenen Ratschläge zur Editionstechnik (S. 49 ff.) kann
nur hingewiesen werden; präzise und durchdacht sind auch sie1.

Tübingen Hans-Dietrich Altendort

1 Zu Cod. Escurial <p III 20 (M 23«), der auf S. 143 ff. beschrieben wird, vgl.
F. J. Leroy, L'homiletique de Proclus de Constantinople, Cittä del Vaticano 1967
(Studi e Testi, 247), S. 39 f. L. will zwei Textgruppen unterscheiden (aus dem
5./6. Jh. und aus viel späterer Zeit); er hält es für denkbar, daß die Handschrift
anläßlich der Gründung der Demetriuskirche durch Leo den Weisen geschrieben
worden sei.

Mose iil'Ö 'IupaiHiTHiv 6 t ec o- <S £ tt V (S. 28,
6 f.): Mose rettet dos Volk Israel, nicht: „das Judentum" (S. 29).

Origene: Contre Celse. III (Livres V et VI). Introduction, texte
critique, traduction et notes par M. Borret. Paris: Les fiditions du
Cerf 1969. 386 S. 8° - Sources Chretiennes, dir. par C. Mondesert,
147. ffr. 48.-.

Der im dritten Band der neuen Ausgabe von Origenes' Buch
(vgl. ThLZ 94, 1969 Sp. 517) gebotene Text ist wiederum im
wesentlichen der von Koetschau hergestellte Text, der durch die
seit 1899 gemachten Verbesserungsvorschläge berichtigt wird, obwohl
natürlich nicht alle Konjekturen aufgenommen worden sind,
weil sie sich angesichts der schmalen Überlieferung von C. Celsum
weitgehend im Bereich der Ermessensfragen bewegen müssen. Die
Anmerkungen des Herausgebers sind im allgemeinen sparsam
und leider wieder nicht immer ganz glücklich: Geläufiges wird
verhältnismäßig ausführlich vorgetragen, während Probleme oft
nur gestreift werden. Hoffen wir, daß der verheißene Einführungsband
auf die strittigen und offenen Fragen eingeht und zu ihrer
Lösung einen Beitrag leistet.

Tübingen Hans-Dietrich Altendorf

Bakhuizen van den Brink, J. N.: Sacrament en ethiek in de vroege

Kerk (NedThT 23, 1969 S. 408-437).
Bergadä, M. M.: La coneepeiön de la libertad en el „De Hominis

Opificio" de Gregorio de Nyssa (Stromata 24, 1968 S. 243-264).
Corneanu, N.: Les efforts de saint Basile pour l'unite de l'Eglise

(Verbum Caro 23, 1969 S. 43-67).
Every, George: Sakralisierung und Säkularisierung im Osten und

Westen während des ersten Jahrtausends nach Christus (Conci-

lium 5, 1969 S. 507-512).
Lentzen-Deis, Fritzleo: Ps 2, 7, ein Motiv früher „hellenistischer"

Christologie? (ThPh 44, 1969 S. 342-362).
Meslin, Michel: Kirchliche Institutionen und Klerikalisierung in

der frühen Kirche (zweites bis fünftes Jahrhundert) (Concilium 5,

1969 S. 512-519).
Ricken Friedo: Nikaia als Krisis des altchristlichen Piatonismus

(ThPh 44, 1969 S. 321-341).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

(Luther:] D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Briefwechsel
. 12. Bd. Nachträge. XVIII, 492 S. 4°. M 59.60. 13. Bd.
Nachträge und Berichtigungen, Synoptische Tabelle. XXXII, 442 S.
M 58.20. Weimar: Böhlau 1967/68. 4°.

— D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. 30. Bd.
II. Abt. Revisionsnachtrag. 173 S. M 24.20. — 32. Bd. Revisionsnachtrag
. 141 S. - 55. Bd. 1. Abt. 1. Teil 1. Lfg. 39*, 119 S. M 19.60.
55. Bd. 2. Abt. 1. Teil 1. Lfg. IV, 124 S. M 19.60. Weimar: Böhlau
1963-67. 4°.

Nach dem 1948 erschienenen 11. Bd. des Briefwechsels in der
WA sind in beträchtlicher Anzahl bislang unbekannte oder un-
benutze Urschriften aufgetaucht oder zuverlässigere Textgrundlagen
. Soweit es sich dabei um deutschsprachige Briefe handelt,
werden sie im Nachtragsband 12 erneut abgedruckt; bei lateinischen
beschränkt sich der Hrsg. auf die Mitteilung von Lesarten.
Die Heranziehung von einst von O. Clemen nicht berücksichtigten
Hss. und alten Drucken hat eine reiche Ausbeute von Textverbesserungen
ergeben. Dabei hat sich herausgestellt, daß zwei Sammlungen
, die sog. Bertramsche Sammlung in Hamburg und die
Rigaer Hs. Mss Nr. 350, beide noch aus dem 16. Jh., die Vorlagen
für die von Clemen benutzte Gothaer Hs. B 185 sind, die damit als
wertvolle Quelle jetzt ausscheidet. Der Band bringt so zahlreiche
Texte a) zu Briefen und Bedenken 1515-1546 (S. 1-376), b) zu undatierten
Briefen (377-401) und dazu c) im Anhang I. Quittungen
und Verträge 1512-1545 (S. 402-427), beginnend mit dem ältesten
erhaltenen deutschen Schriftstück Luthers, der berühmten Quittung
über 50 Gulden zur Ausrichtung seiner Doktorfeier vom 9. Okt.
1512; n. die Universität Wittenberg betr. Schriftstücke 1518-1545
(S. 428-446) und DZ Wittenberger Ordinationszeugnisse 1536-
1545 (S. 447-485) j schließlich noch einige kurze Nachträge (S. 486-
492). Einige Gruppen der Nachträge sind besonders instruktiv, so
die Ordinationszeugnisse - bei 740 Eintragungen im Ordinations-
register freilich mit 25 lateinischen, darunter nur wenigen im
Anschluß an das gedruckte Formular von 1539 (S. 456) und 5 deutschen
(Formular S. 481) für Unstudierte, leider verhältnismäßig
wenig. Sodann die in großer Anzahl vorgelegten Nachträge zum
Abendmahlsstreit, einschließlich der Wittenberger Konkordie. An
einzelnem sei noch herausgegriffen das wichtige Stück zum Widerstandsrecht
(4221 als Ergänzung zu 581), Frühjahr 1523, samt dem
Gutachten von Melanchthon; sodann die Antworten Luthers zu
Fragen Melanchthons zur Rechtfertigung von 1536, jetzt in textlich
gesicherter Gestalt (4259 a). - Daß die Herausgeber - Hans Volz
und Eike Wolgast - in diese Edition eine kaum mehr zu überbietende
, geradezu perfektionistische Akribie investiert haben,
übersteigt noch die bekannten Vorzüge der bisherigen Bände dieser
Reihe und macht zugleich fast beängstigend deutlich, was „exakte
Lutherforschung" an Anforderungen stellt.

Noch deutlicher wird dies bei Bd. 13 der Briefe, der Nachträge
und Berichtigungen zu den Bänden 1—12 bringt und diese
S. XXXI/XXXXII noch durch letzte Nachträge ergänzt. Es handelt
sich dabei zu ganz großem Teil um wichtige Kommentierung, besonders
zu Bd. 5 mit der Korrespondenz aus der Zeit des Augsburger
Reichstages, wo Clemen bewußt meinte, auf vieles verzichten
zu können (Bd. 5, S. VI). Man wird bei der Benützung von WABr
jetzt stets diesen Nachtragsband zur Hand nehmen müssen. S. 357/
358 werden noch zwei Brieftexte abgedruckt, von denen sich einer
bereits bei Enders 18, S. 94 findet. S. 359-442 folgen Synoptische
Tabellen zu den Briefausgaben von De Wette-Seidemann, Seidemann
, EA 53-56. 64. 65, Burckhard, Enders-Kawerau und Walch'
(Übersetzung der lateinischen Briefe). Zu beachten sind die S. XII-
XIV nachgetragenen Erläuterungen zu den Editionsgrundsätzen
der Gesamtabteilung Briefe. Bd. 14, allem Anschein nach im Manuskript
bereits abgeschlossen, soll schließlich die überlieferungsgeschichtlichen
Fragen behandeln und die Handschriften beschreiben
, Bd. 15 das Gesamtregister enthalten, das D. E. Schott-Halle
bearbeitet. Bd. 13 ist ebenso wie sein Vorgänger Ausweis eines
bewunderungswürdigen Fleißes und Spürsinns und einer großen
Liebe zu den kleinsten Einzelheiten. Er verdient es, daß der Dank
des Benützers an den Herausgeber sich jedesmal von selbst einstellt
.

Eine Stellungnahme zu den beiden Revisions-Nachtragbänden
zu WA 32 und WA 30. II, beide wieder bearbeitet durch die Berliner
Arbeitsgruppen der WA, die Herren Dr. H. U. Delius und Dr.
H. Kirchner unter der Leitung von Prof Dr. J. Erben und unterstützt
durch die Mithilfe anderer, ist ziemlich schwierig, wie schon
bei dem entsprechenden Ergänzungsband zu WA 33 von 1963 (vgl.
meine Anzeige in ThLZ 89, 1964 Sp. 852 f.). Im Ganzen hat man an
den im Ergänzungsband zu WA 33, S. VII—XI aufgestellten Grundsätzen
festgehalten und auch hier wieder auf die große Registerarbeit
von G. Buchwald (f) und seine sonstigen Arbeiten und die