Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

98-99

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Kilian, Rudolf

Titel/Untertitel:

Die Verheißung Immanuels Jes 7,14 1970

Rezensent:

Stamm, Johann Jakob

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

97

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

98

Es unterstreicht noch die Bedeutung dieses neuen Kommentars,
daß M. Noth seine Erarbeitung übernahm, wozu ihn seine .Überlieferungsgeschichtlichen
Studien', sein ,Josua-Kommentar', seine
.Geschichte Israels' und seine zahlreichen Arbeiten über die frühstaatliche
Zeit Altisraels und vor allem zur Landeskunde und
Archäologie Palästinas wie nur wenige unter den Alttestamentlern
legitimierten. Demgemäß waren auch die Erwartungen, denen N.s
Kommentar begegnete, hochgespannt. Schon die erste Lieferung
vom Jahre 1964 aber hatte gezeigt, dafj diese Erwartungen nicht
enttäuscht werden würden.

Das Besondere der Leistung N.s im Vergleich zu anderen
Kommentarwerken über die Königsbücher ist zweifellos die
meisterhafte Art und Weise, in der er den Text erklärt. Auf dieses
Ziel, den Text in seinem Inhalt schlicht zu verstehen, ist alles
konsequent ausgerichtet. Gelehrter Ballast wird vermieden; in der
Regel nur die neueste Literatur in sinnvoller Auswahl zitiert. Die
ältere ist ja ohnehin in Montgomery's Kommentar ausführlich
herangezogen worden, ebenso wie dort die Varianten der alten
Übersetzungen des Königsbuches in großem Umfange berücksichtigt
werden. N. beschränkt sich in dieser Hinsicht auf das Material,
das tatsächlich bei der Erklärung des Textes weiterhelfen kann.
Sehr zurückhaltend ist er auch mit guten Gründen in der Anwendung
von Konjekturen. Hier fehlt es nicht an scharfen Bemerkungen
gegen willkürliche ,Textverbesserungen'. Von besonderem
Interesse sind die laufenden Erörterungen zur deuteronomistischen
Komposition und späteren Redaktion des Textes, teils in Übereinstimmung
, teils in Auseinandersetzung vor allem mit A. Jepsen.
Auch hierin ist N. vorsichtigt und verzichtet auf eine genaue Scheidung
des Textes, wo er sich seiner Sache nicht ganz sicher ist. Dafj
die Einbeziehung archäologischer Forschungsergebnisse und landeskundlicher
wie topographischer Beobachtungen mit hervorragender
Sachkenntnis geschieht, bedarf eigentlich keiner besonderen
Erwähnung. Man spürt dabei allenthalben die Liebe des
Vf.s zum Land der Bibel, das ihm für die letzten Jahre seines
Lebens zur Heimat und schließlich zur Ruhestätte geworden ist.

Ein besonderer Vorzug des neuen Kommentars zu den Königsbüchern
dürfte darin zu sehen sein, daß N. seine Leser an den
Erwägungen, die ihn zu diesem oder jenem Ergebnis geführt
haben, ausführlich teilnehmen läßt. Die umsichtige, Zug um Zug
voranschreitende und keine Beobachtung verschmähende Diskussion
der Probleme eines Textes - stets mit dem Blick auf das
Wesentliche - macht den Kommentar zu einer spannenden Lektüre.
Das gilt auch von der Behandlung .trockener' Textpartien. So entfaltet
sich aus der Beschreibung des Tempclbaues vor den Augen
des Lesers ein eindrucksvolles Bild altvorderasiatischer Kultur
(S. 106 ff.). Wie sehr N.s auf die genaueste Erörterung der vom
Text vorausgesetzten Situation bedachte Methode auch der Herausarbeitung
des theologischen Gehaltes förderlich ist, zeigt in fesselnder
Weise - um nur ein Beispiel zu nennen - die Erklärung der
Geschichte vom »Gottesmann aus Juda in Bethel" (S. 288-307).

Obgleich der Kommentar mit 1 Kön 16, 34 abbricht, muten
die letzten Zeilen doch wie ein Schlußwort an, in dem N. die Arbeit
des Deuteronomisten noch einmal grundsätzlich würdigt. Danach
kam es für den Deuteronomisten nicht auf die „geschichtliche
Bedeutung oder Nichtbedeutung" einzelner Könige an, „sondern
allein auf das Verhältnis Israels zu seinem Gott. Gleichwohl hat
er den Geschichtsverlauf nicht von sich aus konstruiert, sondern
gewissenhaft auf Unterlagen aufgebaut, wie sie ihm zur Verfügung
standen". Dabei hat er „es vermocht, in der Fülle geschichtlicher
Nachrichten Wesentliches von Unwesentlichem zu scheiden"
(S. 356 f.). Mit dieser schönen Würdigung hat N. seine 1943 mit den
.Uberlieferungsgcschichtlichen Studien V begonnenen Erforschung
des großen Zusammenhanges der geschichtlichen Bücher des Alten
Testaments abgeschlossen. Gerade die letzten Worte zu diesem
Thema zeigen, daß der „Vater des deuteronomistischen Geschichtswerkes
" (O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, Tübingen
*1964 S. 323) eine Abwertung seiner übcrlicfcrungsgeschichtlichen
Arbeit als Frucht eines angeblichen .Skeptizismus' oder gar .Nihilismus
' wirklich nicht verdient hat.

Auf eine kritische Auseinandersetzung mit der Auffassung
M. Noths von dieser oder jener Textpartie meint der Rez. hier
verzichten zu können, zumal es sich entweder nur um Kleinigkeiten
oder um Äußerungen handelt, die der Vf. selbst als Vermutungen
gekennzeichnet oder mit einem Fragezeichen versehen hat. Die
voreilige und weithin widerspruchslos angenommene These
L. Köhlers, wonach Cedrus Libani nicht als Bauholz gedient haben
kann und es sich bei den in entsprechenden Zusammenhängen erwähnten
,Zedern' ausgerechnet um Abies Cilicia gehandelt haben
muß (S. 91), hat N. selbst auf S. 209 teilweise korrigiert. Bei der
Identifizierung des ägyptischen Schwiegervaters Salomos spricht
doch mehr für Schoschenk I., als N. annimmt (S. 49). Am wenigsten
dürfte Siamun in Betracht kommen. Bei der Interpretation von
1 Kön 10, 28 f. wäre H.Schäfers Untersuchung „Armenisches Holz
in altägyptischcn Wagnereien" (SAB 1931) von Nutzen gewesen.

Hin und wieder ist auch dem scharfen Auge N.s ein kleiner Druckfehler
entgangen (S. 50 „bevorzugt" statt „bevogzugt", S. 215 „Bedeutung
" statt „Bedeuting"). Aber dies alles sind nur Geringfügigkeiten
, die den Wert des Werkes überhaupt nicht berühren und
hier nur im Interesse einer sicher bald notwendigen neuen Auflage
vermerkt seien.

Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Kilian, Rudolf: Die Verheißung Immanuels, Jes. 7,14. Stuttgart:
Kath. Bibelwerk [1968]. 129 S. 8° = Stuttgarter Bibelstudien,
hrsg. v. H. Haag, R. Kilian u. W. Pesch, 35.

Das vorliegende Buch enthält die folgenden Teile: I. Zur
historischen Situation (S. 8—11), II. Übersetzung von Jes 7,1—17
S. 12-13), III. Auslegung von Jes 7,1-17 (S. 14-46), IV. Die
Namen Schear-Jaschub und Immanuel (S. 47—58), V. Wer ist Immanuel
? (S. 59-94), VI. Die Immanuelverheißung in der Verkündigung
Jesajas (S. 95-104), VII. Gotteswort und Prophetenwort
(S. 105-124). Als letztes Stück ist das Literaturverzeichnis auf
S. 125-129 zu nennen.

Die historische Situation stellt Kilian in einem knappen Überblick
dar, der im 9. Jahrhundert einsetzt und die wichtigsten
Ereignisse bis 733 nennt. - Bei der Übersetzung ist zunächst
bemerkenswert, daß V. 9 nicht im Sinne einer Satzellipse verstanden
wird, deren zu ergänzender Schluß gelautet hätte entweder
: „Aber Judas Haupt ist Jerusalem, und Jerusalems Haupt
ist Jahwe Zebaot" oder: „Das Haupt von Juda ist Jerusalem, und
das Haupt von Jerusalem ist das Haus Davids". Demgegenüber
glaubt der Vf., den Sinn der Aussage durch ein zugesetztes „nur"
erfassen zu können, d. h. „und das Haupt von Samaria ist nur der
Sohn Remaljas" (vgl. S. 26).

Darf diese Interpretation der Beachtung und vielleicht auch
der Zustimmung sicher sein, so erheben sich Bedenken zu V. 16,
wo Kilian u. a. mit Fohrer die Schlußworte „vor dessen beiden
Königen dir graut" streicht, was zur Folge hat, daß er später
(S. 94) in der Immanuelprophctie nur noch Ankündigung von
Gericht finden kann. Begründet wird die Streichung auf S. 41 vor
allem damit, daß 'adamä an sicher echten Jesajastellen nur die
Bedeutung „Ackerboden" hat (Jes 1,7; 6,11; 28,24). Außerdem
habe Jesaja „für die Länder der Feinde bzw. für die Fremdländer
nie den Terminus 'adamä verwendet, obwohl sich dazu wirklich
die Gelegenheit geboten hätte . . .". Kilian selber gibt zu, daß diese
Schlüsse nicht zwingend sind. In der Tat bleibt es gewagt, einen
gut überlieferten Text einer bestimmten Interpretation zuliebe
zu verändern.

Die Auslegung des Textes (S. 14 ff.) nimmt zu V. 1-9 all das
auf, was die neuere traditionsgeschichtliche Forschung erbracht
hat. Man wird hier gern zustimmen. Anders verhält es sich beim
Namen Schear-Jaschub. Ihn übersetzt Kilian (S. 16) mit: „Nur ein
Rest kehrt um", und demgemäß führt er später (S. 47 ff.) aus, „daß
auch der Name Schear-Jaschub in 7, 3 keinen heilvollen Rest in
Aussicht stellt." Überhaupt kenne Jesaja den Gedanken des heiligen
Restes als Kern des künftigen Gottesvolkes nicht, wie Kilian -
Fohrer in BZAW 99, 1967 S. 155 f. folgend - feststellt. Beides
scheint mir fraglich zu sein. Was den (positiven) Sinn des Namens
Schear-Jaschub anlangt, so dürften die Darlegungen von Siegfried
Herrmann, Die prophetischen Heilserwartungen im Alten Testament
, 1965 S. 129, nicht widerlegt sein. Und bei dem für Jesaja
wichtigen Restbegriff sind mit Werner E. Müller, Die Vorstellungen
vom Rest im Alten Testament, 1939 S. 59f., auch diejenigen Stellen
zu berücksichtigen, welche die Sache enthalten, ohne das entsprechende
Wort zu gebrauchen, so Jes 8,16; 16—18; 14, 32; 28,16.

Mit Recht gilt der Immanuel-Name (S. 54 ff.) als ein Heil verbürgender
Vertrauensname. Mit einer bestimmten Tradition -
Zion, Davidsbund, heiliger Krieg - möchte Kilian ihn nicht verbinden
. Beim Zion hängt das mit der nicht ganz selbstverständlichen
Annahme zusammen, daß nicht nur Ps 76, sondern auch
Ps 46 und 48 exilisch-nachexilisch seien (S. 55).

In dem großen Kapitel: „Wer ist Immanuel?" (S. 59 ff.) bespricht
der Verfasser der Reihe nach die Antworten, die bisher
auf diese Frage gegeben wurden, um sie alle abzulehnen. Er tut
es mit Gründen, die mir einleuchtend scheinen, mit der einen
Ausnahme, daß die Gleichsetzung der 'almä mit der Frau und des
Immanuel mit einem Sohn des Propheten nicht widerlegt scheint.
Kilian macht dagegen vor allem chronologische Gründe geltend,
die aber angesichts unserer ungenügenden Kenntnis des zeitlichen
Verlaufs der Ereignisse im Syrisch-ephraimitischcn Krieg nicht
beweisend sein können. Es gibt auch kein Argument, das die
von Donner, Israel unter den Völkern, 1964 S. 59 ff., erwogene
längere Dauer dieses Krieges ausschlösse. Daß eine junge Frau
nur bis zur Geburt ihres ersten Kindes 'almä genannt werden
konnte, ist eine gewiß mögliche Vermutung, aber mehr ist es
nicht, und Koehler gibt in ZAW 67, 1956 S. 50, zu, es seien ihm
keine Belege für diese Annahme bekannt, eine Zurückhaltung, der
Kilian (S. 79) zu wenig Ausdruck gibt.