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Ausgabe:

1970

Spalte:

94-95

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bickerman, Elias J.

Titel/Untertitel:

Four strange books of the bible 1970

Rezensent:

Hengel, Martin

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93

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 2

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Vorstellungen noch in den spätesten liturgischen Formen vorhanden
sind; das ist dem Vf. dank seines großen Fleißes und
seiner eminenten Textkenntnisse gelungen.

Speyer/Rh. Carl Schneider

Haule, Cosmas-. Bantu „Witchcraft" and Christian Morality. The

Encounter of Bantu Uchawi with Christian Morality. An anthro-
pological and theological study. Schöneck-Beckenried: Nou-
velle Revue de Science Missionnaire 1969. XXVIII, 187 S. gr. 8°
= Neue Zeitschrift für Missionswissenschaft, hrsg. vom Verein
zur Förderung der Missionswissenschaft, Schöneck, Red. J. Beckmann
, Suppl. XVI. Kart. sfr. 24.—.

Unter Witchcraft wird in dem vorliegenden Buch die geheimnisvolle
Kraft oder Macht verstanden, die neben den gewöhnlichen
Naturkräften vorhanden ist. Daß ein Mensch sehen kann, ist etwas
Natürliches. Daß er aber durch seinen „bösen" Blick Schaden anzurichten
vermag, beruht auf dieser besonderen Kraft. Sie ist in ihrer
Wirkung ambivalent, kann also Nutzen oder Schaden bewirken.
Sie wird vom Vf., einem Afrikaner aus dem Südwesten Tanzanias,
mit einem Suaheliausdruck Uchawi benannt. Dieses Wort darf nicht
im streng philologischen Sinne verstanden werden, da Uchawi ursprünglich
„schädlichen Nahzauber", heute allgemein „schädlichen
Zauber" bezeichnet. Der Vf. gebraucht Uchawi also für das, was
religionsgeschichtlich als schwarze und als weiße Magie unterschieden
wird.

Als katholischer Theologe trennt Haule Religion und Magie
streng von einander. Nach ihm haben die Bantu eine Religion, die
sich in der Verehrung des Höchsten Wesens, des Schöpfers, zeigt.
Er betont, daß sie diese ihre Religion leben. Daneben besteht die
Vorstellung von der Uchawi, die reichlich praktiziert wird. Die ihr
innewohnende Kraft kommt von dem Schöpfergott. Sodann behandelt
der Vf. die Frage nach dem Verhältnis der Uchawi zu dem
höchsten Wert, den die Bantu kennen. Dieser besteht, wie schon
PI. Tempels gesagt hat, in dem „Leben", genauer ausgedrückt in
dem „Gemeinschaftsleben". Alles, was diesem förderlich ist, wird
begrüßt und würde nach religionsgeschichtlicher Terminologie zur
weißen Magie gehören. Demgegenüber ist das, was das Leben bedroht
, der schwarzen Magie zuzurechnen. Die traditionelle christliche
Moraltheologie hat Uchawi strikt abgelehnt. In der gegenwärtigen
Theologie, wobei der Vf. nur an die katholische denkt,
urteilt man differenzierter. Man betont, daß Uchawi weder contra
religionem noch contra Deum sei, daß sie vielmehr von Gott gewollt
und den Menschen zur Hilfe gegeben sei. Sie habe auch keine
Beziehung zum Teufel. Natürlich wird nicht bestritten, daß Uchawi
oft zum Bösen angewandt wird. Es werden aber doch various good
elemcnts angenommen, die mit den alten Vorstellungen und Praktiken
verbunden sind. Es wird sogar von einer inherited goodness
in den Bantu gesprochen. Durch Erziehung und Bildung wird die
schwarze Magie beseitigt werden. Im Dialog und in Zusammenarbeit
mit den Vertretern der weißen Magie können viele der
Uchawi-Probleme gelöst werden. Die Sakramente sind für die
Bantu bedeutungsvoll, und die Sakramentalien können Uchawi-
Medizinen und Amulette ersetzen.

Diese aus katholischer Sicht dargelegten Gedanken zeigen, daß
auch im Hinblick auf Bantu-Afrika wieder alte Fragen aufs Neue
gestellt werden. Dazu gehört die strenge Trennung von Religion
und Magie. Man mag noch so viele berechtigte Gründe dafür anführen
, für die durch das Ganzheitsdenken geprägten Afrikaner
dürfte zwischen beiden kein grundsätzlicher Unterschied bestehen.
Beides sind Größen, denen der Mensch unterworfen ist und mit
denen er sich auseinandersetzen muß. Dabei ist es irrelevant, ob
man die Magie primär nur als eine Technik ansieht, die Regeln
zur Bewältigung des Lebens vermittelt. Die andere Frage ist die
der Akkomodation, die in der Missionsgeschichte verschieden gelöst
worden ist und für die es keine allgemeingültige Lösung geben
dürfte.

Ich würde versuchen, das, was der Vf. Uchawi nennt, zwar als
etwas anzusehen, das generell Ausfluß des magischen Denkens ist,
das aber aus verschiedenen Komponenten besteht. Dabei benutzt
der Medizinmann, d. h. der Vertreter der weißen Magie, oft Mittel,
die bei objektiver Untersuchung ihren positiven Wert ergeben.
Dies in unserer Weise rational zu erkennen, ist ihm aber kraft
seiner Weltanschauung nicht möglich. Diese Komponente könnte
„entmagisiert" werden. Daneben gibt es aber auch eine andere
Komponente, die negativ ist. Diese von Gott abzuleiten, scheint
mir unmöglich zu sein. In ihr zeigt sich die gottwidrige Welt,
einerlei, ob man sie in der Transzendenz oder im Menschen begründet
sieht. Hier hilft keine Belehrung und Erziehung in der
Hoffnung, daß diese Vorstellungen absterben, sondern nur ein
totaler Herrschaftswechsel, indem an die Stelle der Kräfte und
Gewalten oder des Menschen, der sich als Vertreter der weißen
Magie absolut setzen kann, Gott tritt. Eine Akkomodation in der
Form sollte immer gesucht werden, im Glaubensinhalt ist sie problematisch
.

Leider kann nicht auf alle Einzelheiten eingegangen werden.
Christus wird vom Vf. als our ancester „unser Ahn" bezeichnet
(S. 154). Ob diese Auffassung nicht falsche Assoziationen erweckt? —
Die Suaheli-Wendung shauri la Mungu „(es ist) Gottes Ratschlag"
= Gottes Wille wird als Zeichen des Vertrauens der Bantu auf
Gottes Führung gedeutet (S. 162). Mir scheint hier eher muslimischer
Einfluß vorzuliegen, der eine Unterwerfung des Menschen
unter den allwaltenden Allah dokumentiert. — Die Ableitung des
Gottesnamens Mulungu im Suaheli von dem Verbum lunga „grade,
aufrecht sein" (S. 63), ist mindestens zweifelhaft. Mir scheint eine
Beziehung zu lungu „Ahnensippe" wahrscheinlich zu sein. Unsicher
ist auch das von J. J. Komba übernommene Zitat, daß Mulungu
„the Oldest" bedeute (S. 72), es sei denn, man schließt dies aus dem
Zusammenhang mit lungu. — Die Nandi (S. 69), die Lugbara (S. 106)
und die eigenartige Erscheinung des Nommo (S. 64) bei den Dogon
brauchten in einem Buch über die Bantu nicht zu erscheinen. —
1. Utixo statt Uxhixo (S. 161).

In unserer Zeit muß immer wieder gefragt werden, was von
der alten afrikanischen Religiosität vom Christentum inhaltlich
oder formal — vielleicht unter Motivwandel — übernommen werden
kann. Hierzu gibt uns Haule mit seiner fleißigen Arbeit
manches zur Überlegung.

Marburg Ernst Dammann

Chirassi, Ileana: Dea Dia e Fratres Arvales (Studi e materiali de

storia delle religioni 39, 1968 S. 191-291).
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351 S., 1 Porträt 8°. Lw. DM 14.80.

BIBELWISSENSCHAFT

Bickermann, Elias: Four Strange Books of the Bible. Jonah, Daniel,
Koheleth, Esther. New York: Schocken Books [1967). XI, 240 S. m.
11 Abb. 8°. Lw. $ 7.50.

Der bekannte Historiker und Altphilologe wendet sich in 4
selbständigen essay-artigen Untersuchungen einigen späten Schriften
des alttestamentlichen Kanons zu, die wegen ihrer Eigenart
häufig im Schatten der wissenschaftlichen Diskussion standen. Teilweise
greift der Vf. dabei auf ältere eigene Untersuchungen zurück
. Seine völlig unkonventionelle Art, die Problematik dieser
Schriften zu entwickeln, die vorzügliche Kenntnis der antiken und
altorientalischen Quellen sowie die erstaunliche Vertrautheit mit
der gesamten Auslegungstradition - der jüdischen und altchristlichen
wie der modernen, insbesondere aber der der Aufklärungszeit
-, läßt die Lektüre dieses Buches zu einem wirklichen Gewinn
werden. Der Leser erhält dadurch nicht nur reiche Belehrung und
Anregung, sondern es wird ihm eine Vielzahl, z. T. recht überraschender
geistesgeschichtlicher Aspekte eröffnet. Interessante
Bildbeigaben (S. 5-8. 55-59. 173 f.), besonders aus der frühchristlichen
und jüdischen Kunst, ergänzen das Gesamtbild des Buches
in vorteilhafter Weise.

Auf S. 1-50 beschreibt er unter dem Titel „Jonah or the
unfulfilled prophecy" in locker gegliederter Form die historischen
und theologischen Fragen des Buches Jona, wobei er hier, wie auch
in den nachfolgenden Beiträgen, nicht nur eine Fülle religionsgeschichtlicher
Analogien heranzieht, sondern zugleich die Auslegungsgeschichte
für das Verständnis des Buches fruchtbar macht.
Die Änderung des Vernichtungsbeschlusses Gottes gegenüber
Ninive auf Grund der Buße seiner Einwohner betrachtet der Vf.
unter dem Gesichtspunkt der antiken Unterscheidung zwischen den
„fata conditionalia", die durch menschliches Handeln beeinflußt
werden konnten, und den unabdingbaren „fata denunciativa". Für
den Propheten ergibt sich dabei das Problem, daß er durch das
Nichteintreten des Gerichts als Lügenprophet disqualifiziert wurde.
Der Schlüssel zum Verständnis des Buches liegt letztlich in seinem
Gottesbild: „The Story of Jonah teaches us that God is merciful.