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Ausgabe:

1970

Spalte:

936-937

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Die Predigt zwischen Text und Empirie 1970

Rezensent:

Kiesow, Ernst-Rüdiger

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 12

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verständlich zu machen, denn nur so läßt sich christlicher In ihm setzt sich der Vf. mit Zahlreichen Vertretern der

Glauhe übertragen und Predigt, Unlerweisung und missiona- amerikanischen Sprachwissenschaft, der sogenannten „logi-

nicht Verkündigung als sinnvolle Tätigkeit begründen. sehen Analyse" (logical analysis), wie sie sich aus dein angel-

Der Vf. vorfährt dabei so, daß er nach einer Einführung in sächsischen Positivismus gehildet hat, aufeinander. Aus der

den Sachverhalt (S. 3—23) in einem ersten Teil seines Werkes Vielzahl der Erörterungen sei ein Beispiel herausgegriffen, um

die theologische Tradition behandelt, wie sie durch Origenes zu zeigen, wie Jenson seine eigene Position in Abgrenzung

in der alten und Thomas von Aquin in der mittelalterlichen und Weiterführung begründet. Gegenüber einer Erklärung

Kirche verkörpert ist (S. 24—98), während er in einem zweiten Gottes als eudämonislischcs Postulat angesichts der Bewußt*

Teil die zeitgenössische amerikanische Sprachforschung und werdung des eigenen Todesverhänguissos fCrombic, S. L36)

die gegenwärtige evangelische Theologie im deutschen will er die eschatologische Perspektive des christlichen Glau-

Sprachraum auf ihre diesbezüglichen Beiträge untersucht bens als den nicht vom Menschen erzeugten, sondern von

(S. 99—233). Eine Schlußbetrachtung, welche einige Begcln Cott gesetzten letzten Akt im Drama der Menschheitsge-

für den praktischen Sprachgebrauch in der religiösen Rede schichte verstehen. Als Kriterium legitimer Rede von Gott

aufstellt, kehrt damit zur Ausgangssitualion zurück (S. 234 bis ergibt sich für ihn auf diese Weise die eschutologisclie [neins-

240). Setzung des Lebens Jesu und unserer eigenen Existenz

Fragen wir, wie Origenes es macht, für seine Zeilgenossen (S. 155).
verständlich von Gott zu reden, so finden wir, daß der Begriff Damit ist die Frage nach dem geschichtlichen Jesus und
des Bildes fiu-ihn die Brücke darstellt, die das Geschöpf mit seiner Bedeutung für die Zukunft aufgetaucht. Dies ist .I is
dem Schöpfer verbindet. Zwar weiß er sehr wohl um die to- Thema, zu dem die jüngste deutsche Theologie eine Reihe von
tale Verschiedenartigkeit der göttlichen und menschlichen Beiträgen geliefert hat, die der Vf. der Reihe nach von Bult-
Seinsweise; gleichwohl wird das abgründliche göttliche Ge- mann über Ebeling, Fuchs, Ott bis Panneaberg durchgeht,
beimnis in Symbolen, Zeichen und Bildern anschaulich um sie für seine Fragestellung auszuwerten. Die durchfah-
(S. 29). Origenes verwendet diese ontologischc Metaphysik, rende Linie dieser Entwürfe ist entweder die Auflösung der
um damit seine christologische Konstruktion sowohl wie seine empirisch-konkreten Geschichte Jesu und ihr ErsaU durch
Erlösungsthcorie zu begründen. Jesus ist das sichtbare Bild abstrakte, rein formale Existenzkategorien oder die Kon-
des unsichtbaren Gottes, und er ist es so, daß seine äußerlich- struktion eines besonderen Offenbarungsgeichehens mit Hilfe

irdische Lebensgeschichle das Bild seines inneren Lebens einer auf die Auferstehung bezogenen Wunderkausalität,

spiegelt (S. 33). Im Anschauen des Sohnes aber steigen wir Jenson übernimmt diese Konzeption im wesentlichen, wo-

stufenweise empor vom Ausgangspunkt seiner menschlichen hei die Grenze zwischen Referat und eigener Gedankenfüli-

Geschöpflichkeit zur Schau Gottes. rung oft schwer zu erkennen ist, und schließt mit einigen prak-

Diescs Bild mit samt seinem Vorentwurf in der Geschichte tischen Ratschlägen über den Gebrauch des Wortes „Gott"

Israels ist festgehalten in der Bibel, deren richtige Auslegung jn Jer kirchlichen Praxis.

den vordergründigen Buchstabensinn überschreitet und Ob nun diese geläuterte Rede von Gott dem modernen
durch das von ihr bezeugte Geschehen selbst Bild von Gott Menschen verständlicher wird als die bisherige, muß die Er-
wird (S. 38). fahrung in Predigt und Seelsorge lehren; daß sie indessen eine
Es ist klar, daß Origenes hier die Philosophie Plalons für erhebliche Umwandlung der Grundauffassung des Christenseine
Zwecke verwendet, indessen mit einem charakteristi- iUms bedeutet, wird sich schwer leugnen lassen. Bei einer
sehen Unterschied. Denn die Heilige Schrift spiegelt nicht die derart einseitigen und wesentlich immanent aufgefaßten ZuEwigkeit
in unbewegter Zeitlosigkeit, sondern sie ist durch kunftsorientierung des christlichen Glaubens erhebt sich notein
bestimmtes Geschehen mit seinem unwiderstehlichen Ge- wendig die Frage, worin er sich in dieser Gestalt noch von
fälle auf ein letztes Ziel hin, d.h. eschatologisch orientiert. einem rein säkularen Fortschrittsglauben unterscheidet. Die
Und das ist der Punkt, wo die theologische Rede über diese völlige Ausschaltung der religiösen Subjektivität und mit ihr
Dinge uns durch den Akt der Gottesschau in diese Bewegung allcr religiösen Erfahrung, das Fehlen jeden SüudenbewuUt-
hineinreißt und uns dadurch verwandelt. seius, das Zurücktreten des gekreuzigten gegenüber dem auf-
Bei Thomas ist der Bildhegriff des Origenes durch den der erstandenen und wiederkommenden Christus und die AufAnalogie
ersetzt und erlaubt auf eine neue Weise, von Gott bebung aller tieferen Antinomien im Gottesbihl stellen /.war
zu reden. Nur ist jetzt die platonische ontologische durch die eine weitgehende Anpassung an den Zeitgeist dar, bedeuten
aristotelische Kausalitätsmetaphysik ersetzt. Durch den aDer zugleich einen erheblichen Substanzverlust.

Kiel Walter Bodenstein

Rückschluß von den Wirkungen auf die Ursachen wird so
eine Gotteserkenntnis gewonnen, wenn Gott selbst auch
einem derartigen Schlußverfahren entzogen bleibt. Trotz aller

unaufhebharer Differenz zwischen Gott und Kreatur gibt es — .. . , .__. T. »r„„frpd

, ,. „. .. .... .. . „ „ . Breit, Herbert, doppelt, Leonhard, llnlolT, I urgen, u. Manirn*

auf diesem Wege die Möglichkeit, über Gott Aussagen zu ma- „ .' ... ' ,._V . , „, ' . ., .. c. ,.„nPt:

° ..... ' . , i , ■ , , aeitz: Hie Predigt zwischen Text und Empirie, blutig'"1,

chen, wenn auch nur in inadäquatem Ausdruck. Zugleich aber „ . ... r7nem oo o oo r .. a an

, , „ ~ .... , .. . , -NT i . • Calwer Verlag [19691. 80 S. 8°. Kart. DM b,80.

nahen alle Wesen im Sinne des augustinischen IN euplatomsmus D L '

nur durch Teilhabe am absoluten Sein Gottes ihr eigenes Da- Der Titel weckt einige Erwartungen, weil er genau OB*

sein und geben uns auch auf diese Weise das Recht, über Gott Thema ausdrückt, das die heutige Homiletik hat bzw. habe»

uns in menschlicher Sprache zu äußern. Da das Verhältnis des müßte. Natürlich kann eine Sammlung von vier Vortrage11

Geschaffenen zu Gott sowohl durch Gleichartigkeit als durch nebst angefügtem Kurzbericht über wesentliche Proble«10

Ungleichnrtigkeit bestimmt wird, legitimiert die Gleichartig- der Aussprache, die aus einer Mitarbeitertagung der CalvVC^

keit den Gebrauch der Analogie. Predigtlülfen hervorgegangen sind, nur wenige Aspekte je°c

Heute können wir allerdings weder mit den Begriffen des umfassenden Titels berühren. — Das erste Referat (^clt.f'

griechischen Kirchenvaters noch mit den Kategorien des gro- Zum Problem der sogenannten Predigtmeditationen) stC(ir

Ben Scholastikers von Gott reden, weil inzwischen das mo- einen in seiner Kürze und Klarheit beachtlichen Beitrag %

derne naturwissenschaftliche Denken und die Geschichtlich- homiletischen Didaktik dar. Statt die Prodigtmeditation

keit des Menschseins die antike Metaphysik verabschiedet ein mixtum compositum zwischen Exegese und Ausführ»'^

und ein neues Welt- und Selbstverständnis entwickelt hat. der Predigt anzusiedeln, wird sie als „homiletische Be8'

Dennoch hat die Beschäftigung mit den beiden christlichen nung", d.h. „Reflexion eines exegetisch erarbeiteten 'eX.v0

Denkern das Bleibende in der Aufgabenstellung gezeigt: un- auf Anrede hin", verstanden. Dagegen hat die medita"

sere theologische Rede muß eine Beziehung sowohl zum weit- Begegnung mit dem Text als „persönliche Betrachtung^

liehen Sprachgebrauch als auch zur Gestalt Jesu besitzen. ihren Ort aus guten Gründen schon im ersten Arbcitsga'1!? _

Damit ist zum zweiten Teil der Untersuchung übergeleitet. der Exegese und begleitet als notwendiger Aspekt die