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1970

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Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 12

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lischen Propheten" und Zwingiis theo-philosophisehen Schriften
. Schoch hat es recht gesehen, daß „hinter dem Streit um
das Abendmahl ein grundsätzlich anderes Verständnis von
der Aufgabe des Wortes und darum der ganzen Kirche steht"
und daraus gefolgert: „Luther und Zwingli sind tief geschieden
im Verständnis des Wortes" (1,5). Wenn darum die beiden
Bände von der ökumenisch wieder auflebenden Theologie
des Heiligen Geistes, ja von der genuin Zwinglischeu Pneu-
matologie durchwirkt sind, dann fehlt m. E. hier nur die terminologische
Conclusion der „geistvollen" Praemissen. Genauer
: der Hinweis auf das Marburger „Alium spiritum habe-
tis'k, das entgegen Walther Köhler (Die Geisteswclt Ulricli
Zwingiis. Gotha 1920 S. 5) auf den Begriff des Wortes ausgerichtet
war. Denn, so möchte ich es als ergänzende Anmerkung
setzen, das inkarnierte Wort ist nach Zwingli immer die
Inkarnation des Heiligen Geistes: et coneepit de Spiritu
Sancto (s.m. Göschenband „Zwingli" S. 76 und Schoch 2,38).
Wie auch der Vf. seinen ersten Teil abschließt mit der Deutung
des „Spiritus" als „Gottes Geist im Glaubenden und in
der Welt" (1,87).

Es soll nicht unerwähnt bleiben, daß fast der ganze 2. Teil
des ersten Bandes dem hessischen Reformator, dem „enfant
lerrible unter den Reformatoren" Franz Lambert d'Avignon
gilt, der am 17. Juli 1522 bei Zwingli in Zürich, aus seinem
Franziskanerkloster in Avignon kommend, Rat und Hilfe in
seinen Glaubenszweifeln gesucht hat und von Luther später
nicht ernst genommen wurde. Lambert ist, so will mir scheinen
, zweitreformatorischer Zeuge, der, gerade in der Pneuma-
tologie, in Zwingiis Nachfolge steht und uns (ähnlich den
Straßburgern) darum über den Pneumatologen Zwingli gute
Auskunft geben kann.

Auch der zweite Band deutet in seinein Untertitel das Ministerium
, nämlich als „das dienende Amt in der dienenden
Kirche", dem der Rez. als Gesamlskopus der Arbeit den
„Dienst zu einer ökumenischen Theologie" hinzufügen möchte
. Diesem Anliegen macht der Vf. nicht nur die gesamte
Theologie und die Soziologie dienstbar, er nimmt thematisch
immer wieder die Äußerungen des Konzils und der ökumenischen
Tagungen zum Ausgang. Man begegnet einer Reihe
zeitgenössischer Persönlichkeiten : Barth und Brunner ebenso
wie Ebeling, Rieh und Erik Wolf, dem Leipziger Nestor Emil
Fuchs und dem jüngeren Werner Krusche ebenso wie dem
Prager Theologen Ilromadka. Es geht Schoch, weil die
Grundbegriffe, vor allem der des Dienstes, ins Wanken geraten
sind, um „die radikale Frage..., wie die Kirchen den
Dienst in der Welt zu versehen haben", zu deren Beantwortung
er „eine Theologie des Dienstes der Kirche" postuliert
(2,9). Das für ihn Entscheidende ist offenbar in dem schier
rhetorischen Fragen-Paar zu vermuten: „Ist es die Aufgabe
der Kirche, von Gott her in die Welt einzufallen und aus ihr
heraus Glieder dieser Welt für Gott zu gewinnen ? Oder ist es
die Aufgabe der Kirche, sich selbst als Welt zu verwirklichen,
nämlich als die von Gott gewollte und ihm verbundene
Welt?" (2,22). Die Antwort findet der Vf. recht eigentlich bei
dem französischen Arbeiterpriester P. Pucheu: „Die Gegenwart
des Geistes Christi in den verschiedenen Milieus kann die
Welt retten", denn — so Schoch — die „missio Dei" ist die
„Präsenz Christi" (2,28).

Und schließlich — jeder Rez. liest mit seinen Augen! —:
Wer sich seit mehr als einem Vierteljahrhundert mit der Li-
lurgik, speziell mit Zwingli als Liturgiker beschäftigt und
Zwingiis Werk fortschreitend als eine einzigartige Epiklese zu
sehen gelernt hat, dem erscheinen Gedanken wie die folgenden
besonderer Beachtung wert: „Die historisch geprägte
Kirche.. . muß aber auch ihre eigene Organisation und ihre
Liturgie überprüfen. Vor allem die letztere ist wichtig, soll der
Gottesdienst der Quellort des Lebens und die Präsenz Christi
bei seiner in der Welt lebenden Gemeinde sein. Die Liturgiereform
muß im Blick auf die ,missio Dei' geschehen" (2,29).
Und von besonderem theologischem Gewicht ist der andere,
wenn Schoch paulinisch-johanneisch feststellt: „Zur Tatsache
der Sohnschaft gehört als untrügliches Zeichen der Geist des

Gottessohnes in den Herzen der Gläubigen" (2,38). Der Geist
des Gottessohnes aber ist der Geist Gottes schlechthin, wie
schon der erste Band mit der Aussage schloß: „So ist Spiritus,
Gottes Geist im Glaubenden und in der Welt" (1,87). Oder
noch deutlicher: „Der Geist verwandelt alles. Pncuina ist
Gottes Wesen, das durch den Logos, den Herrn Jesus Christus
, mit seinem Evangelium in die Welt kommt und durch
die Gemeinde, die den Geist hat, wirksam ist, predigend und
handelnd." Und nach dieser trinitarischen Theologie und
pneumatologischen Ekklesiologief l) schreitet der Vf. fort zu
der „Sozialisalion", nämlich zu der Aufgabe, „das Soziale,
Ökonomische, Politische mit Geist zu gestalten, zu wandeln,
zu erfüllen und im Dienst der Menschlichkeit zu erhallen"
(2,120), um schließlich pro ininisterio zu folgern: „Die Existenz
der Kirchen und Gemeinden mit ihren Behörden und
Pfarramt bekommen von daher ihren Sinn als Element der
sowohl personal als gesellschaftlich tätigen üiakonie" (2,121).
Das ist Grund und Ursache für Zwingli als „Politiker aus
Glauben", von dem die Große Sowjetische Encyclopaedie
(4G/iG9) sagt, daß „1523 unter seiner Leitung eine Reform der
Kirche und der politischen Gescllschaftsstruktur eingeleitet
wurde".

Genau das ist Zwinglische Pneumatologie: Spiritus Dei —
mens hominis, wobei die mens das menschliche Empfangs*
organ des Spiritus Dei ist. So füllt auch Schoch den deklassierten
Begriff „Dienst" mit pneumatischem Inhalt, wenn er
formuliert: „Das Ministerium Verbi Divini ist 6tauovCa tou
TtveuuatOQ, Predigtamt ist Geistamt" (2,73). Er hat es unzweideutig
fixiert: Zwingli „ist kein Spiritualist" (1,85), dem
es ergänzend zu kontrastieren gilt: Er war Pneumatologe,
Bekenner der scintilla Dei aus dem göttlichen Kreislauf der
Trinität.

Das ist des Rez. Gewinn und Empfehlung aus dem Studium
der beiden Bände, zu denen der Vf. noch einen dritten
Band in Aussicht gestellt hat, der das Wort-, Predigt- und
Geistapostulat mit der technischen und politischen Gegenwart
konfrontieren soll. Nach den Abschnitten des ersten
Bandes „Gnade in Wort und Wirklichkeit", „Wort und
Gott", „Das Wort als Geist und Buchstabe" (Franz Lambert
!), behandelt der zweite in vier großen Abschnitten „Die
ökumenische Forderung", „Die theologische Reflexion", „Die
soziologische Reflexion" und als praktisch-theologische Folgerung
„Die institutionelle Verwirklichung", die am „Verhältnis
von Kleros und Laos" die Bedeutung der theologi"
sehen Bildung untersucht und die Ordination als „Koordination
" ausgibt. Sie ist ihm „Bruderschaft des Dienstes' , 10
welcher der Diener ganz Werkzeug des Wortes ist, in der man
gegenseitig aufeinander hört (2,186).

Der Vf. hat in dieser Arbeit mit allen Registern auf dem
theologischen Organum gespielt. Er hat die manualen FigureI1
des Amtes über dem Orgelpunkt der trinitarischen Gotteslehre
aufgebaut. Euphonisch, nicht atonal, dazu „stilvoll
hat er dem amtenden Amtsbruder diesen sy3tematisch-pr"'i"
tischen Kommentar des ministerium geschrieben. Ein Wer'»»
das nicht minder in die Hand des werdenden Theologen ge
hört. Übrigens auch eine hervorragende Gabe zur Ordination-

Berlin Fritz Sohmidt-Clausing

May, Gerhard [Hrsg.]: Das Marburger Religionsgesprftfl 1
1529. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mulm [L9/0J«
86 S. 8° = Texte zur Kirchen- u. Theologiegeschichtc, bt*t<
v. G. Ruhbach unter Mitarb. v. G. V. Benrath, H. Scbe-bl
u. K.-V. Selge, 13. Kart. DM 10,80.

Morf, Hans: Obrigkeit und Kirche in Zürich bis zu ßaginn u
Reformation. Zwingliana XIII, H.3,1970 S. 164-205.