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Ausgabe:

1970

Spalte:

921-923

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Thomas de Sutona, Quodlibeta 1970

Rezensent:

Junghans, Helmar

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921 Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 12 922

nell die Philosophie de« Thomas wiederherzustellen versuchen Fest steht immerhin, daß Quodlibets 1 und II wesentlich
- und den vielen anderen, die stark den Theologen Thomas früherentstanden sind als die zweite Hälfte, für die erst die Zeit
betonen. Viele haben auch unterstrichen, daß Thomas in nach 1311 angesetzt wird, obgleich sich Sutton schon seit
mancher Hinsicht in der nugustinisch-ncuplatonischen Tradi- 1298 als magister nachweisen läßt. Es geht also zunächst nur
tion verbleibt. Die Vf.in hat jedoch ' ine Verliehe dafür, die um die Datierung der ersten beiden Bücher.
Gleichheit zwischen Augustin und Thomas üherzuhetonen. Die Aussagen sind unvereinbar, solange man davon aus-
Abcr die Sprach- und Zeichentheorie der beiden ist ja nicht geht, daß die quaestioncs der Quodhbctdispulation von dem
dasselbe. Auch kann man nicht ohne weiteres die platonische die Disputation leitenden magister regens verfaßt wurden.
Erkenntnistheorie des Augustin und die aristotelische des Das war aber mindestens im 14. Jh. in Oxford nicht mehr der
Thomas zusammenbringen. Die Vf.in behauptet, Thomas tei- Fall. Vielmehr wurden die von den Teilnehmern gestellten
le die augustinische Lehre von Gott als innerem Lehrer. Wor- Fragen von den Bakkalaurei beantwortet, die dadurch ihre
auf es Thomas jedoch ankommt, ist, daß Gott dein Menschen Befähigung für die Magislerwürde nachweisen mußten. Das
>n der Schöpfung eine selbständige Fähigkeit, ein Licht im wird unhezweifelhnr an Wilhelm Ockham deutlich, von dem
Intellekt verliehen hat. Spricht man von Gott als innerem wir sieben Bücher Quodlibeta hahen, obgleich er nie magister
Lehrer, dann bedeutet dieser Gedanke für Thomas den Hin- wurde, da seine akademische Laufbahn 1324 durch die Zitats
auf diese von Gott gegebene Fähigkeit. Und was Tho- tion nach Avignon unterbrochen wurde. Sutton könnte daher
nasforscher über den Unterschied zwischen Theologie und die quaestioncs der ersten beiden Bücher als Bakkalaureus
Philosophie bei Thomas gesagt haben, wird bei der Vf.in abgefaßt haben, die der beiden letzten aber, da sich die Einsicht
zur Karikatur Golt als Quelle aller Wahrheit schließt richtung im Übergang befand, als magister regens, wenn es
die Selbständigkeit der Philosophie nicht aus. sich hier nicht nur um eine literarische Fiktion handelt. Lei-

Was die Anwendung von Aiialogiccrörtcrungen bei Thomas der ist mir der Aufsatz von Pelstcr nicht zugänglich, so daß

anbetrifft wird mit Becht betont, daß Thomas verschiedene ich nicht weiß, ob Nikolaus von Ockham expressis verbis

Analogie!'vnen verwendet Das hat sich inzwischen bei den Sutton einen magister nannte oder ob Pelster d1Cs aus dessen

Thomasforschern immer mehr durchgesetzt - auch der Un- Aussagen geschlossen hat. Sollte jenes der Fall sein, wäre zu

Verzeichnete hat u. a. darauf hingewiesen. beachten, daß es ja auch einen magister artium gab der Vor-

Überhaupt herrscht bei der Vf.in die Tendenz vor, im guten aussetzung für die akademische Laufhahn der höheren l'a-

r'lauhen, ihr Schlüssel passe in alle Schlösser, die Bedeutung kultäten war, in Oxford aber den Mitgliedern der Bettelorden

des Trivi'ums und der augustinisehen Zeichentheoric zu stark erlassen werden konnte.

«■ betonen Ihr Buch liefert wertvolle Anregungen zu weite- In seinen Lehren war der Dominikaner Sutton ein hervor-

fer Diskussion und Forschung; als letztes Wort in der De- ragender Vertreter der Anschauungen des Aquinaten, die er

»•»ttc über die Bedeutung der mittelalterlichen Sprachtheorie gegen verschiedene Angriffe verteidigte Anfangs wandte er
f»r die Theologie kann es nicht angesehen werden. sich besonders gegen Heinrich von Gent ( "1293), der 1277 bei

der Verdammung von Lehrsätzen, unter denen sich auch cini-

Lund Hampni J.ytlkcm

ge des Thomas von Aquin befanden, mitgewirkt hatte. Später
wies er vor allem die Angriffe eines neuen Gegners thoina-

8«tton, Thomas von: Quodlihcla, hrsg. v. M. Schmaus u. M. sjSeher Lehren zurück, nämlich die des Johannes Duns Sco-

Gonzälez-Hnba. München: Verlag der Bayerischen Akade- tus g0 gewährt Suttons Werk einen vorzüglichen Einblick in

aie d. Wissenschaften; München: Beck i. Komm. 1969. L, ^ic Entstehung des Thomisinus. Und das ist auch für die Hcr-

685 S., 4 Taf. gr. 8° = Bayerische Akademie d. Wissen- nusgeber der Hauptgrund gewesen, den vorliegenden Band zu

»chaften, Veröffentl. d. Kommission f. d. Herausgabe un- veröffentlichen. Darüber hinaus hat er aber auch Bedeutung

gedruckter Texte aus der mittelalterl. Gcistcswelt, 2. fur die Erforschung der Sutton folgenden Theologen, so z. B.

DM 92,—. Wilhelm Ockhams. Dieser hat sich in seinem Sentenzen-

nu 17- i • ci •■ i . • K. a«ttnnfaMchiiiia ein kommentar 1. II q. 24 mit Sutton auseinandergesetzt, sein

1J'e '.in eitun" führt zunächst in die gnWOnloracnung um 1 .. 17 r j a ■ v.

verzeichnet auch die dazugehörige Literatur. So läßt sieh Werk also gekannt. Das drangt die Vermutung au daß sich

feieht übersehen wclc e Prolueme allein schon für die Bio- in mancher Meinung die Ockham bekam,, tc auch die Sut-

Cr mf c wcicne i roi ic tons verbirgt, so z. B. Sent. 1. I q. 5 in der Wendung „a multis

TsÄ^CÄ« damit, daß sein Vor- credit,,.-. Indem also Suttons Werke erschlossen werden,

"°»e zu seiner S^nS gerade selten war, was reichlich kann auch der Standort und die Intention Wilhelm Ockham,

Gelegenheit zu Verwechslungen gibt. Immerhin scheint für leichter und hesser erfaßt werden.

sein„ n- , VT«iä , ™l 1974 festzustehen Sutton war zwar bisher nicht unbekannt und ist seit einer
Sein rD,;ik°narVC' ,C, *S 1 SÄ?iSf?«£ Arbeit von Franz Khr.e im Jahre 1913 erneut Gegenstand der
^^vZ^^fl^^^ worden, aber gedruckt war von seinen Werken
das für d c We hen vo'cscnriehene Alter berücksichtigt. Es so gut wie nichts. Am e.chtesten zugänglich ist der Traktat
l«'ug für den Subdhkon 20 und für den Diakon 25 Jahre „Contra plurahtatem formarum' der seine mehrfache Ed*
(DecrctZ Grali"ni Dist 77 4-7). Obgleich die Praxis viel- tion dem Irrtum verdankt, er se, ein Werk des Aqu.na.eii.
»eicht nicht in mer dem Gesetz ntspracl, kann man wohl Darüber hinaus waren nur einzelne Teile ,m Zusammenhang
•'°ch bis 2ür I „Tdeckung neuer Quellen für Suttons Geburts- mit den jeweiligen Untersuchungen gedruckt worden. So bie-
die Zeh zwsei1249 und 1254 annehmen. tet also die vorliegende Edition zum ersten Mal einen ge-
Ralsel gibt ülh "ittlns akademische Laufbahn und die druckten Text der Quodlibeta des Thomas von Sutton.
damit verl undene Dat erüng der Quodlibeta auf. Einerseits Die 85 quaestioncs, die hier beantwortet werden, behandeln
h«t er mmV^SS^gL an jenen Tagen gehal- entsprechend der damaligen Einteilung Probleme de deo et
**. die den Bakklure vorbehalten waren, und fehlt er auch de creatuns', worunter u. a auch eme Frage zur Marioog.e,
l» einer Liste de n a-i tri regentes Oxfords für die Jahre 1282 Fragen der Angelolog.e und zur Wandlung der Elemente ge-
his 1290, „nitre^ehs aber fordern die Beziehungen seiner hören. Was die Ze.tgenossen bewegte, wurde gefragt und be-
^«aestioncs in Quodlibe^ta I und II zu zeitgenössischen Aus- antwortet. Infolgedessen öffnet gerade diese Literaturgattung
'"gen Und die Verwendung dieser quaestiones durch andere e nen guten Zugang zu der jeweiligen philosophischen und
«<* Entstehungszeit die Jahre 1285 bis 1287, was aber nach theologischen Diskussion Und daher st es eine sehr zu bezieht
der bisherigen Suttonforschung voraussetzt, daß er grüßende Entscheidung der Herausgeber, dem vorhegenden
*» dieser Zeit bereits magister regens war. Und Nikolaus von Band noch die Quaestiones disputatae folgen zu lassen.
°ckhan,, der 1286 magister regens war, scheint ihn als magi- D.e Veröffentlichung d.eser Werke erweitert aber nicht nur
8ler im Konvent on Black Friars Road zu kennen, als er im unsere Erkenntnisse der Theologiegesclnchte sondern im

R eichen T„u -u ■ . Zeitalter der Hochschulreform kann sie auch Überlegungen

■ v-"Ln Jahr gegen ihn opponierte. ° ■