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Ausgabe:

1970

Spalte:

891-897

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schulz, Hermann

Titel/Untertitel:

Das Todesrecht im Alten Testament 1970

Rezensent:

Zimmerli, Walther

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Theologische Literat urzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 12

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Religion", die oft im Hintergrund den Ideologiegedanken
hat. Kritische Funktion hat der Symbolbegriff nach beiden
Seilen hin, jedoch in typisch verschiedener Stoßrichtung.
Ahm soll doch nicht meinen, daß es der Theologie leichtfällt,
diesem Brückenbegriff „Symbol" Heimatrecht zu geben: Die
Erkenntnis, daß nicht direkt, sondern nur gebrochen vom
Letztwirklichen, von Gott gesprochen werden kann, füllt
schwer und ist folgenreich. Andererseits erfährt der Ideologiebegriff
der Soziologie eine folgenschwere Umstrukturierung,
die eine grundlegende Änderung des WirküchkeitsVerständnisses
für die Soziologie bedeutet. Ohne eine solche 1 fmstruk-
turierung dur c h den Symbolbegriff muß aber die „Soziologie
der Religion" :ms der Theologie herausfallen bzw. ihr fremd
bleiben.

Wenn von Religionssoziologie ;ds theologischer Disziplin
gesprochen wird, wobei das uichl nur Bußerlich, sondern im
Sinuc theologischer Wahrheit zu nehmen ist, dann ist angesichts
beider Gesichtspunkte eine billigere Lösung kaum zu
haben. In dieser Religionssoziologie sind dann Theologie der
Gesellschaft und Soziologie der lieligion eine Verbindung
eingegangen, die nicht nur äußerlich Ergebnisse zusammenzählt
, sondern methodisch vermittelt. Die Gegenstandsbereiche
der Theologie der Gesellschaft: Das unumkehrbare
Verhältnis Gott—Gesellschaft, und der Soziologie der Ra-
ligion: Verhältnis von Gesellschaft und Religion, durchdringen
sich dann am Leitfaden des theologisch verstandenen
Symbolbegriffs. Es würde reizvoll sein, den Gedankengang
noch weiter zu entfalten, etwa der Verhflltnisbestimmung von
Gott und Religion nachzugehen, die hier mitausgesagl ist.
Religion als auf Gott hinweisend und in ihm fundiert. Ich
muß jedoch hier abbrechen in der Hoffnung, daß eine solche
synthetische Religionssoziologie, die Theologie der Gesell-
Schaft und Soziologie der Religion umgreift und methodisch
vermittelt, auch dem konkreten Weg der Theologie helfen
kann. Vor allem, wenn man offen ist. mit anderen Weltanschauungen
zu kooperieren, kann aber an einer Frage wie
„Religionssoziologie als theologische Disziplin" nicht vorbeigegangen
werden, und dieses Gespräch dürfte sich auch in der
Zukunft laufend verliefen. Religionssoziologe kann mit gutem
Grund theologische Disziplin sein, gerade wenn wir von
der eigenständigen Sachhaltigkeit der Religion überzeugt
sind.

1 Gastvorlesung, gehalten 1965 in Heidelberg,

1 Dazu Mu Weber: Der Sinn der , Wertfreiheit' der soziologischen
und Ökonomischen \ itscnlichaftcn: Gesammelte Aufsätze zur Wissen
schnftslehre, S.485.

1 Manfred Wichelhaus: Kirchcngesrhirhtsschrci Innig und Soziologie
im 19. Jahrhundert und hei Ernst Troellscb, Heidelberg lia>r>.

4 O rundlegendes dazu bei Paul Iiilich: Die religiöse Verwirklichung.
Kerlin: Furche-Verlag 1929.

* Ct. dnzu Hegel: Die Vernunft in der Geschichte, ed. LaMOn, S.20f.

• ff. Hegel: Werke (Originalausgabe) XI,r,.

ALTES TESTAMENT

Schulz, Hermann: Das Todesrechl im Allen Testament. .Studien
zur liechtsform der M6t-Jümal-Sälz.e. Ilorlin: Töpel-
mann 1900. X, 208 S. gr. 8° = Beiheft, zur Zeitschrift f.d.
alttestamcntl. Wissenschaft, hrsg. v. G. I'ohrer, 114. Lw.
DM 42,-.

In seiner schmalen, aber inhaltlich gewichtigen Inlersu-
chung über ..Die Ursprünge des israelitischen Rechts" hat
Albrecb.1 All 1934 der Erforschung des alt lestainenl lieben

Rechtsmaterials einen bedeutsamen, bis heute nachwirkenden
Impuls gegeben. In großartiger Vereinfachung stellte er
darin das Israel aus seiner Umwelt zugekommene kasuistische

Recht dein genuin israelitischen, apodiktisch formulierten
Rechtsgui gegenüber.

Die kritische Diskussion hat in der Folge bei dem Komplex
des apodiktischen Rechtes und seiner Beurteilung durch Alt
eingesetzt. So besieht etwa zwischen den kategorisch verbietenden
Sätzen des Dekalogs und den von Alt unter dem Oberbegriff
..apodiktisch" mit diesen zusammengefaßten Sätzen
der „todeswürdigen Verbrechen" formal ohne Zweifel ein tiefer
Unterschied. Die letzteren, metrisch im Fünfer gestaltet
und in Reihen angeordnet (vgl. etwa Kx 21,12.15.16*.i7),
stellen eist pari i pizia I ei neu Unrechtstatbestand fest '„Wer
einen Alaun schlügt, so daß er stirbt" 21,12) und fügen daran
ganz stcreotj p die Feststellung möt jümat (,,er verfällt unbedingt
dem Tode"). In seinen ..Beobachtungen zum Stil alt-
testamentlicher Rechtssätze" hat Gese in ThLZ 85,1960, Sp.
147—150 nachzuweisen gesucht, daß in diesen letzteren Sätzen
ein Typ kasuistischen Rechtes vorliege.

An dieser Stelle selzl die Arbeil von II. Schulz ein und
sucht eine neue Verhältnisbestimmung zw ischen den von ihm
als Prohibitive bezeichneten apodiktischen Verhotssätzen,
die zunächst in ursprünglich selbständigen (aber noch nicht
dekalogischen) Kurzreihen überliefert sind, und den möt-
jttmat-Sätzen nachzuweisen. Ausgehend von den drei objektlosen
Prohibitiven im Dekalog, die eine solche Kleinreibe darstellen
| K 20,13 I.".), zeigt ein erster Teil der I fntersuchung
(S. 5—84), daß die „Todessätze" (inöl-jüinal-Sälz.e) eine eigene
Rechtsform darstellen, die nicht mit der kasuistischen zu

verwechseln ist. Das ..Du sollst nicht löten"' de- Dekalog*
Prohibitivs wird in der Protasis des „Todessatzes": „Wer

einen Alaun sc hlägt, so daß er stirbt", genau umschrieben.

Das nu'it-jüinat ist dann nicht als Beschreibung der kausalen

Folge vom Vordersatz abzusetzen, sondern hat die Qualität
einer Deklaration. Der Salz ist sinngemäß zu übersetzen!
„Wer einen Menschen erschlägt, ist dem Tode verfallen." Somit
geboren Prohibitiv und Todesrechl eng zusammen und

dürfen keinesfalls als apodiktisch und kasuistisch gegenübergestellt
werden. Das Todesrechl stellt eine eigenständige
Rechtsform, die als Weiterbildung der apodiktischen Prohibi"
live anzusprechen ist, dar. In sorgfältiger länzeluutersuchung

wird über die drei besonders genau untersuchten Dekalog"

KuTZ-Prohibitive hinaus der .Nachweis versucht, daß zu allen

im Allen Testament sonst noch vorliegenden TodessätzeD
(Lev 27,29; 24,16f.; Lev 20,2.6.9-18.20f.27; Ex 21,17 [15
wird als sekundär angesprochen]; 22,17—19, einige dieser
Stellen haben nach dem Vf. in nachträglicher Umformuli*"
rang ihr mdl jümat verloren) ein entsprechender ProhibitlV

nachweisbar sei oder doch postuliert wcid.....nasse S. 47wirO

dabei versehentlich Lev 18,18 als genaue Entsprechung zu
20,14 bewertet). — Gegen Alt lehnt der Vf. dagegen jede uä'
here Beziehung der Fluchreihe Dt 27,15—26, einer späten
deuteronomischen Bildung, zum Todesrechte ab.

Ein zweiter Arbeitsgang (S. 85—199) sucht die Präge zu beantworten
, wo denn nun der Sitz im I .eben fiir das SO eruiert >'

Todesrechl zu suchen ist. Allgemeine Erwägungen führen
nach dem Vf. darauf, daß die Bildung des Todesrechtes ai'f
der Basis des allen Sippenrechtes der Prohibitive (so nach
Gerstenberger) beim Ubergangins Land zur Notwendig**1'
geworden sei. „Dieses Hinaus greifen über eine vorgegeben*
Rechtsbildung bei gleichzeitiger Einbeziehung der zentrale11
Normen dieses Rechtes in eine neue Rechtsform ist gut denkbar
in einer Übergangsperiode, in welcher bestimmte gesell'
schaftliche Lebensformen sieb wandelten und ein sanktions*

loser Normbestand zur Sicherung dieser Lebensformen nicht

mehr ausreichte, haue durch die sich anbahnenden Beziehungen
der Stämme zum Kulturland auch rechtsgeschichtb*"
bedeutsame Übergangsperiode war die Zeil der I.andiinh»" •
Bei der beginnenden Konsolidierung im Lande mußte" ''"
Stämme ihre Beziehungen zu den kulturell überlegenen La"