Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

65-69

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Pannenberg, Wolfhart

Titel/Untertitel:

Grundfragen systematischer Theologie 1970

Rezensent:

Schott, Erdmann

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2, Seite 3

Download Scan:

PDF

56

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 1

66

Kant erhalten die neutestamentliche Unterscheidung zwischen
dem fleischlichen und dem geistlichen Menschen. Die Metakritik
der Frankfurter Schule (Herbert Marcuse in der „Studie über
Autorität und Familie" 1936, neu abgedruckt in „Ideen zu einer
kritischen Theorie der Gesellschaft", Frankfurt 1969 und Theodor
W.Adorno in seinem Buch „Negative Dialektik", Frankfurt
1966) interpretiert das Auftreten dieser Aporie bei Kant als
die Wahrheit über das Subjekt unter den Bedingungen der bürgerlichen
Gesellschaft. In ihr gebe es die Spontaneität des handelnden
Subjekts in Gestalt des freien Unternehmers verbunden
mit seiner faktischen Unterwerfung unter die Notwendigkeit des
ökonomisch-politischen Systems.

OroB-Ocrau Horst Henna im

Garcia, Paul: La expresiön de la naturaleza en „La Perfecta Casada"

(Revista aguatiniana do espiritualidad 10, 1969 S. 87-107).
Gueroult, Martial: Renouvier et l'histoire de la philosophie (RThPli

100, 1967 S. 369-379).
Langlois, Jean: Michel Foucault et la mort de l'homnie (science et

esprit 21,1969 8.209-230).
Prenter, Regln: The Concept of Freedom in Sartre against Kierke-

gaardians Background (Dialog 7, 1968 S. 132-127).
Sikora, Joseph J.: Articulation in Being and Consciousness (science et

esprit, 21, 1969 S.231-251).
Towers, Bernard: Teilhard de Chardin (ET 79, 1968 S.276-278).
Tchao, J.: Cheminement philosophique vers Dieu (science et esprit 21,

196!) S.281-309).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Pannenberg, Wolfhart: Grundfragen systematischer Theologie.

Gesammelte Aufsätze. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht
[1967]. 398 S. gr. 8°. Lw. DM 29,80.

Der vorliegende Sammelband enthält zwölf in Zeitschriften
und Festschriften verstreut erschienene und drei bisher unveröffentlichte
Aufsätze, dazu ein Vorwort, mit dem P. kurz auf das
kritische Echo eingeht, das er gefunden hat. Man muß P. danken,
daß er seinen theologischen Neuansatz nun in einer so leicht zugänglichen
Weise zur Diskussion stellt. Die Aufsätze sind nicht
chronologisch, sondern sachlich geordnet; es empfiehlt sich daher
, sie der Reihe nach zu besprechen.

1. „Die Krise des Schriftprinzips" besteht darin, daß für uns
(anders als für Luther) einmal der Wortsinn der Schrift mit dem
historischen Gehalt nicht mehr identisch ist, und daß ferner „der
historische Abstand jeder heute möglichen Theologie vom urchristlichen
Zeitalter unübersehbar" geworden ist (S. 15). M. a. W.
die historische Kritik und das hermeneutische Problem belasten
heute das Schriftprinzip. Sind „die biblischen Texte oder die
hinter ihnen zu erschließende Geschichte" maßgeblich? (S.löf.).
Im Gegensatz zur kerygmatischen Theologie hält P. die historische
Rückfrage für theologisch geboten. „Denn die einheitliche
Sache der Schrift... ist für unser historisches Bewußtsein eben
nicht mehr in den Texten, sondern nur noch hinter ihnen in Gestalt
des einen Jesus zu finden ... Nur von der Auferstehung
Jesu her wird ... die Anfangsgeschichte des Christusglaubens bis
hin zur Entstehung des Bekenntnisses zur Gottheit Jesu verständlich
" (S. 16). Ferner: Wie kann die „tiefe Kluft zwischen
der Gedankenwelt der neutestamentlichen Texte und unserer
eigenen Gegenwart" überbrückt werden? Um dies hermeneutische
Problem zu lösen, greift P. den von Gadamer ausgesprochenen
Gedanken der „Horizontverschmelzung" auf. Der
geistige Horizont des Auslegers muß so erweitert werden, „daß er
den des zu verstehenden Textes mitumfaßt" (S. 17). Der Ausleger
muß die Texte „im Horizont des Geschichtsprozesses
selbst" verstehen. Das führt auf die Frage, „ob die Wirklichkeit
selbst in ihren fundamentalen Aspekten als geschichtlich und die
Geschichte der Natur und des Menschen in ihrer Einheit als
Geschichte Gottes zu verstehen ist", d.h. „auf die Frage der
Universalgeschichte" (S. 19). Da das universalgeschichtliche
Denken im biblischen Gottesgedanken seinen Ursprung hat,kann

die Theologie diese Frage nicht abweisen. Die Problemgeschichte
des Schriftprinzips mündet „in die Frage nach der Universalgeschichte
" (S.21).

2. In „Heilsgeschen und Geschichte" wendet sich P. gegen die
Annahme eines „übergeschichtlichen Kernes der Geschichte"
(Hofmann, Kähler, Barth u.a.) und gegen die „Reduktion der
Geschichte auf Geschichtlichkeit". Beide Positionen entwerten
„die eigentliche Geschichte", und zwar auf Grund einer Fluchtreaktion
: Die historisch-kritische Forschung schien für das Heilsgeschehen
keinen Raum mehr zu lassen; darum flüchtete man
sich in den sicheren Hafen der „Übergeschichte", auch „Urgeschichte
", einerseits und der „Geschichtlichkeit" andererseits
(S.22). Deshalb „muß die Geschichtshaftigkeit des Heilsgeschehens
heute in Auseinandersetzung mit der Existenztheologie
, der heilsgeschichtlichen Theologie und mit den methodischen
Grundsätzen der historisch-kritischen Forschung behauptet
werden" (S.22L). In Auseinandersetzung mit Bultmann (S.28),
Baumgärtel (S.32), den Befürwortern einer typologischen Auslegung
des Alten Testaments (S.33), Karl Löwith und Wilhelm
Kamiah (S.35), Dilthey (S.37), Heidegger (S.38), Gogarten
(S.39), Kierkegaard (S.40), Ernst Fuchs (S.42) vertritt P. die
These von der „Erschlossenheit der Wirklichkeit als Geschichte
durch die biblische Gottesoffenbarung" (S.23). Unter Berufung
auf Ed. Meyer verwahrt sich P. gegen eine Verengung des
historisch-kritischen Fragens durch einen unkritischen Gebrauch
des Analogieprinzips: „Mit dem Ungleichartigen, in keiner
Analogie restlos Aufgehenden hat es der Historiker zu tun''
(S.51). Auch die Historizität der Auferstehung Jesu kann nicht
von vorneherein als unmöglich erklärt werden (S.53). Gegen
H.E.Weber, Barth (S.56), Kähler, W. Herrmann (S.57),
Troeltsch (S.59), Kinder, Künneth, Althaus (S.62) unter Berufung
auf Luthers These von der äußeren Klarheit der Schrift
(S.63) hält es P. für prinzipiell möglich, „daß eine historische Erforschung
dieses Geschehens (sc. der Geschichte Jesu) auch ...
seinen Offenbarungscharakter entdecken könnte und müßte"
(S.63). Dies allerdings nur „unter Voraussetzung eines universalgeschichtlichen
Horizontes" (S.68), nicht wie bei Herrmann
und auch schon bei Schleiermacher „in der isolierten Person
Jesu" (S.67). P.s Theologie der Geschichte unterscheidet
sich von dem herkömmlichen heilsgeschichtlichen Denken dadurch
, daß sie „prinzipiell historisch verifizierbar sein will"
(S.76). P. stützt sich mit seiner Geschichtsauffassung auf R. G.
Collingwood, The Idea of History, und seine Kritik des historischen
Positivismus (S.70).

3. „Kerygma und Geschichte" führt die im Vorhergehenden
begonnene Auseinandersetzung mit der „Kergymatheologie"
weiter und fragt, anknüpfend an von Rad: „Warum also soll
solche Antizipation (sc. von Einsichten über die Wirklichkeit als
Ganze, die sich in jeder Geschichtsbetrachtung findet) nicht in
der Form erfolgen dürfen, daß der Historiker vom Handeln
Gottes in diesem Geschehen spricht?" (S.90).

4. „Hermeneutik und Universalgeschichte" setzt sich mit
bereits genannten Autoren, vor allem mit Gadamer, auseinander.
Dieser abstrahiert vom Aussagecharakter der Sprache, „durch
den das Wort über sich selbst als ,bloßes' Wort gerade hinausweist
". Als Aussage führt die Sprache auf die universalgeschichtliche
Problematik, der Gadamer ausweichen will (S. 121).

5. „Über historische und theologische Hermeneutik" handelt
P. angesichts des Offenbarungsanspruchs der Geschichte Jesu
(S. 137). Eine prinzipielle Differenz zwischen theologischer und
historischer Hermeneutik besteht gleichwohl nicht; denn die
„Ganzheit der Geschichte, auf die sich theologisches Reden von
Gott und seiner Offenbarung in Jesus bezieht, bildet ... ein
unabweisbares Thema historischer Hermeneutik, weil nämlich
alle historische Arbeit auf das Thema der Universalgeschichte
bezogen bleibt" (S. 140). Das Ganze der Universalgeschichte ist
„immer schon antizipiert und in allem Reden von diesem oder
jenem besonderen Geschehen und seiner Bedeutung vorausgesetzt
" (S. 149). Im „Unterschied zur Hegeischen Philosophie
des Begriffs" bleibt das Denken „als Antizipation immer auf ein
Vorgängiges bezogen", das durch das Denken „nie eingeholt und
überholt werden kann" (S.150). Jeder Begriff ist in Wahrheit
nur „Vorgriff", so daß das reine Denken sich nicht „durch sich