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Ausgabe:

1970

Spalte:

855-857

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Lammens, Gerrit Nicolaas

Titel/Untertitel:

Tot zijn gedachtenis 1970

Rezensent:

Boendermaker, Johannes P.

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 11

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und erweist sich weniger als Versuch einer Ritusreform
als vielmehr einer Vereinheitlichung des Ritus.

Zwiespältig wird die von Spital aufgezeigte Entwicklung
des Taufritus (in Richtung auf eine stärkere „pasto-
rale Ausrichtung" der Texte, Riten und Rubriken) an dem
Punkt, wo es um den Gebrauch der Muttersprache geht.
Geht hier die Tendenz zunächst - nicht zuletzt unter dem
Kinfluß reformatorischer Agenden, die weithin auch im
katholischen Raum verwendet werden - auf einen immer
stärkeren Gebrauch der Muttersprache bei der Taufe
(Höhepunkte, die Spital anführt, sind ohne Zweifel das
pastoralliturgische Werk Georg Witzeis und Johann
Leisentrits, dessen 1562 erschienener deutscher Taufritus
offensichtliche Abhängigkeiten von Luthers Taufbüchlein
aufweist), so kommt es im Verlauf gegenrefor-
matorischer Einflüsse zu einem Stillstand, ja, zu einer
Rückbildung dieser Entwicklung - was Spital in seiner
Darstellung sichtlich bedauert.

Bei der Darstellung der „Pastoralinstruktionen" (S. 172
bis 211), die vor allem in der zweiten und dritten Gruppe
den eigentlichen Taufritus einleiten, bedient sich Spital
einer anderen Methode als bei der vergleichenden Darstellung
der Riten selbst: Geht er dort vom Gelasianum
aus - als dem Punkt, wo die Linien der späteren Weiterentwicklung
ansetzen - so benutzt er hier (wo es um
Materie und Form des Sakraments, die Spender, Empfänger
, Paten usw. geht) den Schlußpunkt der Entwicklung,
das Rituale Romanum, als Grundlage seines Vergleichs.

Es würde den Rahmen dieser Besprechung sprengen,
wollte man die Entwicklung des Taufritus in dem behandelten
Zeitabschnitt, die Spital mit Hilfe eines minutiösen
Vergleichs der Texte darstellt, im einzelnen nachzeichnen
. Deutlich werden die Schwierigkeiten, die sich
aus der Anpassung eines ursprünglich für ganz andere Verhältnisse
gedachten Ritus (Erwachsenentaufe, gegliederter
KatechumenatI) an eine völlig veränderte Situation ergeben
(Kindertaufe, fortlaufender Taufordo); deutlich ist
auch das Bestreben, nicht mehr verstandenen Akten einen
neuen Sinn abzugewinnen (die ursprüngliche „Übergabe"
des Evangeliums wird zur Evangelienlesung, die „Übergabe
" des Vaterunsers wird zur Fürbitte); auffällig ist
auch die fortschreitende Ritualisierung von Vorgängen,
die ursprünglich nicht rituell gemeint waren (z.B. Einleitungsfragen
). Die Ausformung des Taufritus im Sinne
eines durchgehenden Ordo ist bereits vor dem Erscheinen
der ersten Drucke abgeschlossen, so daß sich - was den
Ritus selbst betrifft - aus der Untersuchung Spitals keine
wesentlich neuen Erkenntnisse ergeben. Nicht unerwähnt
bleiben soll jedoch der Hinweis des Vf.s auf die „deutsche
Tradition" innerhalb der gedruckten Ritualien vor dem
Rituale Romanum, die er zumindest in bestimmten
Teilen der im römischen Rituale fixierten Tradition vorzieht
und deren Berücksichtigung er sich bei einer Reform
des Rituale durch die postkonziliaren Organe erhofft
(S.289).

Barth/Ostsee Karl-Heinrich Bieritz

Lammeng, G. N., Dr.: Tot Zijn Gedachtem«. Het commemora-
tieve Aspect van de Avondmaalsviering. Kampen: Kok
1968. 396 S. gr. 8°. hfl. 24,75.

Dieses Buch, das cum laude als dissertatio von der
Freien - „Gereformeerden" - Universität in Amsterdam
angenommen wurde, ist eine deutliche Markierung der
wichtigen Interessenverschiebung innerhalb des holländischen
Protestantismus. Über das Abendmahl wird hier
nicht an erster Stelle dogmatisch, sondern liturgisch gesprochen
. Dabei wird die Anamnese in einer neuen, an
dem NT und dem AT orientierten Weise als zentraler
Skopus gesehen.

Gezeigt wird, daß der kommemorative, anamnetische
Aspekt nie ohne einen klaren Einblick in den deutlichen
Hintergrund dieser Anamnese richtig verstanden werden
kann: die jüdischen Gedächtnisfeiern.

Das wird von dem Vf. im ersten Kapitel sorgfältig
herausgearbeitet, in dem über die Möglichkeiten religionsgeschichtlicher
Analogien gesprochen und die Eigenart
des Pasha-Gedächtnisses herausgestellt wird, sodann
die Bedeutung des hebräischen z k r als „effektive Erwähnung
" und zuletzt die Exegese der Anamnese in den
Abendmahlsworten. Der Vf. kommt zu dem Schluß, daß
die hellenistischen Parallelen nicht eindrucksvoll sind, die
alttestamentlichen um so mehr.

Im zweiten Kapitel geht der Vf. dann näher auf den
eigentlichen Inhalt der Anamnese im Abendmahl ein.
Nicht die kultische Opferterminologie, sondern die prophetischen
Worte bei Jes 53 haben die Abendmahlsworte
gestaltet. Weder die Pashafeier noch das Abendmahl sind
also „Opfermahl" im eigentlichen Sinne, sie sind auf die
Anamnese ausgerichtet; der Messias hat seinen Exodus
pro nobis begangen, seinen transitus: Kreuz, Auferstehung
und Himmelfahrt. Die Kommemoration ist daher bestimmt
kein Todesgedächtnis, sondern eine Osterfeier in
freudiger Gewißheit des Sieges über Sünde und Tod, in
Erwartung der Vollendung. In Jesu Leben, Tod und Auferstehung
wird die Geschichte des Volkes Israel gewissermaßen
rekapituliert, wie das im Exultet der Osternachtfeier
sehr deutlich wird - nicht allegorisch, sondern typo-
logisch.

Zu den wichtigsten Seiten des Buches gehören die, auf
denen der Vf. über die Frage nach dem Gedächtnissubjekt
in den Abendmahlsworten spricht. Gegenüber Jeremias,
der Gott als Subjekt sehen will, meint er, daß der Auftrag
zum Gedenken nur an die ganze Gemeinde gerichtet sein
kann. Das heißt aber nicht, daß der Gottesdienst nicht
vom opus dei geprägt wäre, denn gerade im Gedenken der
Gemeinde geschieht das Wort Gottes. Die Anamnese ist
Kerygma, das Wort Gottes geschieht in dieser Weise
durch Menschen, das Heil ist zu den Menschen gekommen
, es wird von ihnen empfangen, bezeugt, verkündigt.
Das schließt selbstverständlich die Wirkung des Heiügen
Geistes nicht aus, sondern ein. Die Hauptsache ist, daß
gerade so deutlich wird, daß es in der Liturgie um das
Handeln Gottes nicht nur an, sondern auch - im Gegenüber
- zusammen mit den im Gottesdienst aktiven Menschen
geht. In Gottes Handeln ist der dienende Mensch
mit aufgenommen, in diesem Gegenüber sind Gott und
Mensch beide aktiv. Das Wort geschieht durch den Dienst
der Menschen aneinander; der Gottesdienst ist nicht nur
eine Bewegung auf Gott hin, sondern gerade so zuerst -
durch das von Menschen gesprochene und gesungene Wort
- eine Bewegung von Gott her zu den Menschen. Nur so
kann man sagen, daß Liturgie empfangendes Tun ist, und
nur so ist es deutlich, daß im Abendmahl die mit der
Predigt angesprochene Gemeinde selbst verkündigendes
Subjekt wird: in der participatio actuosa der ganzen Gemeinde
und des ganzen Menschen in seiner psychosomatischen
Einheit.

Im vierten Kapitel, in dem der Vf. weiter über den
Charakter der Anamnese spricht, kommt er unter Heranziehung
aller exegetischen Zusammenhänge (das „oth",
die Begriffe eucharistein, katangellein und vor allem das
z k r) zu dem Schluß: der Charakter des kommemorativen
Handelns der Gemeinde in der Liturgie ist korrelat mit
dem durch Christus gegebenen Zeichen. In der Reihenfolge
der Zeiten zieht diese Vergangenheit in seiner die
Geschlechter umfassenden Geltung segnend mit uns. Die
eommemoratio verbindet Vergangenheit und Zukunft im
Heute. Das Geschehen des Wortes Gottes läuft auf die
eommemoratio aus, Gott selbst ist handelnd in ihr.

Es ist verständlich, daß von diesem Standpunkt aus die