Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

830-831

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Grégoire le Thaumaturge, Remerciement à Origène suivi de la lettre d'Origène à Grégoire. 1970

Rezensent:

Berthold, Heinz

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

829

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 11

830

fahren, daß bei aller Vielfalt des Stoffes bisher doch immer
nur von der .Ethik' die Rede gewesen sei, und mit dem
Hinweis auf einen neuen Ausgangspunkt (äürt ilojji}), den
Clemens künftig nehmen wolle, wird er schließlich entlassen
. Irgendwie ähnlich ergebt es nun freilich auch dem
ausdauernden Leser M.s, und er kann das umfangreiche
Opus, in dem der ungeheuren Komplexität der Stromateis
mit einer solchen Fülle von Aspekten zu Leibe gerückt
und die Arbeitsweise des Clemens so präzise analysiert
wird, letztlich doch nicht ohne ein gewisses Gefühl der
Enttäuschung aus der Hand legen. Hierin äußert sich
negativ die Kongenialität zwischen der Studie und ihrem
Objekt.

Nach der Einladung zum christlichen Glauben durch
den Protreptikos und nach der Erziehung der bereits
Glaubenden zu .guten Sitten' durch den Paidagogos will
Clemens in den Stromateis die dritte Stufe seines Unterrichts
, die Erziehung zur .Gnosis', geben. Das arbeitet M.
klar heraus und alle Teile seines Buches machen es deutlich
, daß der Alexandriner nicht nur diesbezügliche Programme
zu formulieren wußte, sondern es in diesem Werk
des hypomnematischen Stils - entgegen dem äußerlichen
Befund - auch tatsächlich verstanden hat, mit Hilfe der
von ihm angewandten Methode wesentliche Punkte seiner
,Gnosis' mitzuteilen: für die simpliciores und die flüchtigen
Leser allerdings unter manchen Verhüllungen verborgen
, um nicht zu irritieren oder sonstigen Schaden zu
stiften, für die interessierten Leser jedoch in hohem Maße
durch eifriges Suchen auffindbar und, last not least, für
seine wissenden Schüler zur Erinnerung an den mündlichen
Unterricht. Noch ganz im Banne des großangelegten
Versuchs, das literarische Phänomen der Stromateis als
ein geschlossenes, planvolles Ganzes, einem kunstvollen
Gewebe gleich, zu betrachten und es aus sich heraus
zufriedenstellend zu interpretieren, trifft der Leser am
Schluß des letzten Kapitels dann plötzlich auf die Hypothese
, die bekanntlich unvollendet gebliebenen Stromateis
(so von Arnim, Harnack, vulgo) hätten ihre Fortsetzung
in den Hypotyposen gefunden (so Zahn, anders
Harnack) und diese (ein vorwiegend scholienartiger
Kommentar zu ausgewählten Stellen der gesamten Bibel)
hätten ihm die geeignete Gelegenheit geboten, in enger
Verbindung zu einschlägigen Schriftstellen - wie es seine
Methode, durch Zitate zu lehren, gemäß war - das zu geben
, was er in den programmatischen Abschnitten der
Stromateis zwar versprochen, aber letztlich doch nicht
geliefert habe: in erster Linie natürlich die in den Stromateis
nur durch sehr wenige Beispiele vertretene .gnostische'
Schriftauslegung, dann die schriftliche Fixierung der ihm
von seinem Lehrer Pantainos überkommenen Traditionen
u.a.m. - und vor allem wieder die .gnostische
Physik und Theologie'.

Diese Wendung auf den letzten Seiten des Buches wirkt
wie ein logischer Bruch: Das eigentliche ithn der Stromateis
wird nun also nicht mehr innerhalb des Werkes,
sondern in einer anderen, uns nicht überlieferten Schrift
gesucht. Mag auch vieles für die vorgetragene Auffassung
von Chronologie und literarischem Charakter der Hypotyposen
sprechen, so ist doch nach allem, was man zuvor
von M. selbst gelernt hat, die Vermutung nur allzu berechtigt
, daß Clemens in jenem verlorenen Werk eher neue
Rätsel gestellt als die der Stromateis gelost haben wird.
Indessen mindert der wenig befriedigende Schluß nicht
den Wert der an interessanten Beobachtungen und gesicherten
Resultaten überaus reichen Arbeit.

Von der Vielfalt des behandelten Stoffes können die
folgenden Hinweise nur eine schwache Vorstellung vermitteln
. Im ersten Teil (S.23-175) führt M. in den Stand
der Forschung ein, erörtert alle Probleme, die mit Leben
und Werk des Clernens sowie mit seiner Stellung in der
Gemeinde zusammenhängen, setzt das literarische Schaffen
des Alexandriners in Beziehung zur kirchlichen und
philosophischen Unterweisung seiner Zeit und untersucht
dann eingehend die Fragen des Titels und literarischen
Genus der Stromateis, ihres Gegenstandes, ihrer verschiedenen
Zwecke, Methoden und Programme. Von besonderem
Wert ist der zweite Teil (S. 178-279), in dem
erstmals gezeigt wird, wie das Gewebe der Stromateis
eigentlich gemacht ist: wie Clemens aus dem Rohmaterial
- den Zitaten aus der griechischen Literatur und der
Bibel (Herkunft, Art und Umfang des Materials werden
hier ebenfalls besprochen sowie auch das Verhältnis des
Clemens zu den zitierten Autoren, insbesondere zu Piaton
S. 191-195) - seine capitula (xtqxiXtia) gearbeitet, sie zu
Sequenzen zusammengestellt und daraus wieder noch
größere Sektionen gebildet hat, und wie alle diese Formen
miteinander verkettet, kunstvoll (oft schachbrettartig)
ineinander verschlungen und schließlich in den Rahmen
der vorliegenden Bücher hineingestellt sind. Der dritte
Teil (S.283-522) gilt einem großen Fragenkomplex: der
Bedeutung der Stromateis für das ins Auge gefaßte Publikum
in seiner ganzen Breite - vom Ungebildeten bis zum
Philosophen, innerhalb der Kirche und außerhalb bei
Heiden, Juden und Häretikern. Es zeigt sich, daß Clemens
in seinem Bestreben, das Christentum als die allein wahre
Philosophie, ja als die Wahrheit der Philosophie zu verkünden
, allen diesen Gruppen etwas zu sagen hat - auch
unabhängig vom Hauptanliegen dieser Schrift, der Erziehung
des Gläubigen zur .Gnosis'. Die Schlußbemerkungen
(S.523-537) enthalten eine feine Gesamtwürdigung
des Schriftstellers, theologischen Lehrers und Denkers
Clemens.

Sehr nützlich sind die umfangreiche Bibliographie
(S. 539-502) und das Register der Clemensstellen (S.561
bis 579); ein knappes Sachregister wäre erwünscht gewesen
. Die nicht allzu zahlreichen Druckfehler betreffen
meist Stellenangaben und griechische Texte und können
vom interessierten Leser unschwer korrigiert werden.

Berlin Günter Olockmann

Gregoire le Thaumalurge: Remerciement ä Origcne suivi de la
lettre d'Origene ä Gregoire. Texte grec, introduetion, tra-
duetion et notes par H.Crouzel. Paris: fiditions du Cerf
1909. 280 S., 1 Taf. 8° = Sources Chretiennes, dir. par. C.
Mondeaert, 148. ffr. 27,-.

Der Wert, den die an Origenes gerichtete Dank- und
Abschiedsrede (a. 238) des Gregorios Thaumaturgos für
die Beurteilung der Lehrtätigkeit des Origenes in Caesarea
(vgl. dazu Euseb, hist. eccl. 6,30) hat, stellt sie zu den
bedeutendsten „kirchen- und dogmengeschichtlichen
Quellenschriften". In dieser Reihe hatte auch Paul Koet-
schau 1894 die Rede kritisch ediert - in einer Form, die
eine Übernahme des von ihm konstituierten Textes 75
Jahre später zuläßt. Die Edition der Rede war für Koet-
schau gewissermaßen eine Vorarbeit für die Ausgabe der
8 Bb gegen Celsus in den „Griechischen Christlichen
Schriftstellern" (1899), mit der die Berliner Origenes-
ausgabe ihren Anfang nahm. Eine Vorarbeit insofern, als
in der handschriftlichen Überlieferung die Dankrede mit
„contra Cclsum" gekoppelt ist.

Die handschriftliche Grundlage hat sich seit Koetschau
nicht mehr verändert; maßgebend für die Gewinnung des
Archetypus ist allein der Codex Venet. Marc, xx = A. Der
schlechte Erhaltungszustand macht eine verhältnismäßig
große Zahl von Eingriffen notwendig. Der Text Koet-
schaus ist - wie eingangs betont - übernommen; von
Koetschau angemerkte Corrigenda und eigene Verbesserungen
sind eingearbeitet. Der kritische Apparat ist gestrafft
und sachkundig bearbeitet. Anmerkungen sind - im
,Gegensatz zu Koetschau - zur Stelle gesetzt. Einige der