Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1970

Spalte:

828-830

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Méhat, André

Titel/Untertitel:

Étude sur les 'Stromates' de Clément d'Alexandrie 1970

Rezensent:

Glockmann, Günter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

827

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 11

828

secularisation of Roman history, 4. Ordinata est res
publica: the foundations of political authority, 5. Afer
scribens Afris: the Church in Augustine and the African
tradition, 6. Coge intrare: the Church and political
power, 7. Civitas peregrina: signposts) auch vorgeht, er
vermag weder die Fülle der in Frage stehenden Quellenbelege
noch gar die Masse der vorhandenen (und ihm
wohl auch zur Verfügung stehenden) Fachliteratur eindeutig
zu bewältigen.

Wir müssen uns auf einige Hinweise und methodische
Fragen beschränken. Mit Recht deutet M. an, daß
Augustinus - im Gegensatz zu Eusebius, Hieronymus oder
dann etwa Orosius und Isidor von Sevilla - eine Auseinandersetzung
mit der antiken Historiographie (Chronographie
usw.) ablehnt; leider reflektiert M. schon hier zu
einseitig auf Augustins sich allmählich verfestigende Lehre
von der Weltgeschichte als von jeder politischen Gestaltung
unabhängige Heilsgeschichte und vergißt, den Anspruch
des Kirchenvaters auf die Darstellung historischer
Sachverhalte als ihm fachlich fremd klar zurückzuweisen.
Anders gesagt: er läßt leider nicht deutlich erkennen, daß
Augustinus zwar innerhalb seines theologischen Systems
als Geschichtsdenker und -philosoph, keinesfalls jedoch
als Historiker einzuordnen ist. Man muß auf dieser Position
um so eindeutiger beharren, als die Auseinandersetzung
des Kirchenvaters selbst mit den fast ausnahmslos abgewerteten
Quellen der heidnisch-klassischen Zeit ja auch
gerade der seit Thukydides und Polybios mustergültig
entwickelten historischen Methode einen - ganz ungerechtfertigten
- Todesstoß zu versetzen suchte (der erst durch
Orosius, und dann etwa durch Cassiodor und Isidor wieder
etwas aufgefangen wurde).

M. bestreitet natürlich nicht, daß man jeweils auf die
Quellen und ältesten echten Traditionen zurückzugehen
hat. Er exemplifiziert an Augustinus selbst (besonders
Kap. 5), daß dieser auf die Traditionen der afrikanischen
Kirche reflektiert, übrigens in einer Art „idealen Konkurrenz
" mit den Donatisten bzw. in Anknüpfung an den
„Reformdoiiatisten" Tvconius. M. arbeitet vor allem den
Wandel in der Auffassung Augustins vom Säkulum, das
ihm in erster Linie in den Ordnungen des Imperiums
Romanum entgegentrat, sorgfältig heraus. Auf die sich
überschneidenden Bereiche Civitas Dei - Civitas terrena
fällt dabei neues Licht (besonders Kap.3 und 4), und auch
die Beziehungen Augustins zu der seit Konstantin d. Gr.
entstandenen Bindung der Kirche an den Staat werden
(allerdings zu einseitig, mit einer m.E. unnötigen Polemik
gegen Forscher, die Augustin „as the theorist of the Con-
stantinian revolution" gesehen haben sollen, s.S. 114)
wiederum analysiert. Obwohl M. den Kirchenvater nicht
monolithisch sehen will (vgl. 8.135), stellt er dessen Lehre
doch noch zu sehr als geschlossenes Ganzes dar, was sie
schon wegen ihrer enormen Wandlungsfähigkeit (bis in die
letzten Lebensjahre hinein) nicht gewesen sein kann. Da
hauptsächlich die CD, die Confessiones und andere grundlegende
Werke Augustins (die oft aufschlußreicheren
Briefe in zu geringem Umfange) Ausgangspunkt und Beweismaterial
für M.s Argumentation sind, wird die Lehre
letztlich auch zu sehr von der .Praxis' des Kirchenvaters,
von seinen unendlich vielschichtigeren Äußerungen zu
anderen Fragen, die mit dem hier behandelten Thema
auch verknüpft sind, getrennt.

Am fragwürdigsten erscheint dem Rez. das unter dem
Motto „Coge Intrare" stehende Kap. 6, in dem M. zwar
keineswegs einen direkten Rechtfertigungsversuch der
Augustinischen Zwangsbekehrungslehre unternimmt,
durch die Analyse der (von Mitforschern schon des öfteren
untersuchten) allmählichen Entwicklung dieser Lehre ihr
Verständnis jedoch wesentlich zu fördern sucht. Er verknüpft
sie vor allem mit der wichtigen Rolle der disci-
plina bei Augustinus und gibt entsprechende Hinweise auf

severitas und coercitio, die m.E. kaum weiterführen.
Daß gerade diese die Hilfe des weltlichen Armes einkalkulierende
Zwangslehre - auch in Anbetracht der zunehmenden
Abneigung des Kirchenvaters gegenüber dem
Imperium Romanum, die ihn ja, wie Marrou herausstellte,
schließlich einem Theopolis-Ideal annäherte - nur als
Aporie anzusehen ist, sieht M. wohl nicht. Gewiß hätte
auch Augustin solches nicht zugegeben, aber M. will ja
wohl nicht beim Selbstverständnis des Kirchenvaters
stehenbleiben, wenngleich sein Versuch, fast ausschließlich
in das zur Geschlossenheit tendierende System des
Geschichts- und Gesellschaftstheologen Augustinus einzudringen
, auf einen entsprechenden, letztlich immer nur
in Apologie einmündenden Weg führt.

Das trotz aller möglichen und notwendigen Einwände
als sehr nützlich zu bezeichnende und unbedingt lesenswerte
Buch M.s erweitert und vertieft sein thematisches
Anliegen noch in einigen Appendices mit den Stichworten:
History, prophecy and inspiration (A), De civitate Dei
XIX, 14-15 and the origins of political authority (B),
Augustine and the Aristotelian revolution of the thirteenth
Century (C) and .Sacred history' and .Salvation history'
(D). Ein Index enthält die nötigsten Namen und Sachen.

Halle/Saale Hans-Joachim Diesner

Ale hat. Andre, Prof.: Etüde sur leg ,Stromates' de Clement
d'Alexandrie. Paris: fiditions du Seuil [1966]. 577 S. 8° =
Patristioa Sorbonensia, dirigee par H.-I. Marrou, 7.

Die Stromateis, das Hauptwerk des christlichen Lehrers
aus Alexandrien, mit ihrem immensen Zitatenschatz sind
zwar seit jeher als eine der kostbartsten Fundgruben für
die griechische Literatur- und Geistesgeschichte von
Homer bis zum Mittleren Piatonismus sowie für die Geschichte
des Frühen Christentums geschätzt und fleißig
benutzt worden, um ihrer selbst willen aber wurden sie
bisher noch nicht hinreichend untersucht. Gewiß ist in
den Clemensbüchern von E.de Faye (1898, 21906),
W. Bousset (Jüd.-christl. Schulbetrieb in Alexandrien u.
Rom, 1915), J. Munck (1933) und G.Lazzati (1939) auch
nach der Stellung des Werkes im Oeuvre des Clemens und
nach seinem literarischen Charakter gefragt worden (ja,
Boussets - von Munck freilich widerlegte - Quellenhypothese
war zugleich ein Versuch, die Kompositionsfragen
zu klären), aber zu einer überzeugenden Lösung des literarischen
Problems der Stromateis kam es dabei nicht.
Hier setzt nun M. ein: Ohne die Gesamtheit des schriftstellerischen
Schaffens des Alexandriners aus dem Auge zu
lassen, konzentriert er sich auf die Stromateis (unter Ausschluß
des sogenannten 8. Buches, das in Wirklichkeit nur
ein Konglomerat unredigierter Notizen ist, die nichts mit
der Fortsetzung des Werkes zu tun haben) und bemüht
sich um Antwort auf die Fragen, welches denn eigentlich
der Gegenstand dieses so verwirrenden und rätselhaften
Werkes ist, welches Ziel der Autor damit verfolgt und mit
welchen Methoden er es zu erreichen versucht hat. Alle
programmatischen und methodischen Äußerungen des
Autors werden aufgespürt, gewissenhaft interpretiert und
(das ist neu!) tatsächlich ernst genommen. So ist es M.
ohne Zweifel gelungen, in Sinn und Anlage der Stromateis
weit tiefer einzudringen als seine Vorgänger, und man
sagt wohl nicht zu viel, wenn man die bescheiden ,Etude'
betitelte Arbeit als die grundlegende und für lange Zeit
maßgebliche Monographie zu diesem Gegenstand bezeichnet
.

Dem Clemensleser wird bekanntlich wiederholt versprochen
, er werde in den Stromateis die ,Gnosis' und
namentlich auch deren wichtigste Teile, die .Physik' und
.Theologie', gelehrt bekommen, am Ende aber muß er er-