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Ausgabe:

1970

Spalte:

791-793

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Mai, Hartmut

Titel/Untertitel:

Studien zum Kirchenbau des 19. Jahrhunderts 1970

Rezensent:

Mai, Hartmut

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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raschenden Konsensus. Man ist sich einig über die Angemessenheit
, die Möglichkeit und die Notwendigkeit des Dialogs
; man ist sich auch einig in der Diagnose einer Entwicklung
vom kirchlich-theologischen Monolog zum Dialog zwischen
den Kirchen und vor allem der Kirchen mit der Welt,
wie sie sich in jüngster Zeit durchzusetzen scheint. Dazu
wird viel Gutes von guten Leuten gesagt. Aber man bekommt
auch den Eindruck einer gewissen Zwangssituation, wie sie
eben einem Modewort anhaftet. G. Gusdorf (Strasburg) bemerkt
dazu sehr treffend: „ .Accepter le dialogue' est une
vertu; le refuser, c'est faire preuve de mauvais esprit".

So ist es keineswegs überraschend, wenn in diesen Referaten
nur die Programmatik, weniger aber die Problematik
des Dialogs zur Sprache kommt, auf die etwa K. Goldammer
in einem Beitrag zur Festschrift für H. Bornkamm
(1966) hingewiesen hat. Oder, um aus dem Referat von P.
E. Persson zu zitieren: „Es genügt nicht, viel über den .Dialog
' zu reden; entscheidend ist es, in den Dialog einzutreten
. . .". Sicher aber gehört auch der Dialog über den Dialog
zum Dialog.

Sieben weitere Beiträge behandeln andere Themen aus
dem faktischen Dialog zwischen römisch-katholischer und
reformatorischer Theologie. Hierzu gehört vor allem die
französische Übersetzung des Vortrags, den K. E. Skydsgaard

zum Reformationsjubiläum in Wittenberg und dann in
Paris und Strasburg gehalten hat: „Die Reformation als
ökumenisches Ereignis". Jeröme Hamer O. P. bringt einen
kurzen Vergleich zwischen der ekklesiologischen Konzeption
des Toronto-Statement von 1950 und der Einheitsformel
von Neu Delhi 1961. Dabei konstatiert er ein zunehmendes,
wenn auch nicht ganz ungefährdetes Interesse an der konkreten
Gestalt kirchlicher Gemeinschaft.

Von besonderem Reiz ist der Aufsatz von P. Evdokimov,
„L'amour fou de Dieu et le mystere de son silence". Denn
hier wird in einer faszinierenden Weise versucht, das ,Patt'
zu überwinden, in das eine vorwiegend anthropozentrisch
und apologetisch orientierte Theologie in der Begegnung
mit dem modernen Atheismus und Säkularismus geraten ist.
Von der altkirchlichen Frömmigkeit und Theologie her verweist
Evdokimov auf wichtige Alternativen und Ergänzungen
zum heutigen Reden von Gott.

Vielleicht wird hier in einer weisen Auswahl der Herausgeber
ein Aspekt des ökumenischen Dialogs sichtbar, der
im Dialog über den Dialog fast gar nicht zur Geltung gekommen
ist, nämlich wo der konfessorische Monolog die
Grundlage zum zwischenmenschlichen und zwischenkirchlichen
Dialog bildet.

Heidelberg Reinhard Slenczka

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN UND HABIL-SCHRIFTEN

IN MASCHINENSCHRIFT

Mai, Hartmut: Studien zum Kirchenbau des 19. Jahrhunderts
. Habilitationsschrift Leipzig 1970. Bd. I: Text, Bd. II:
Anmerkungen, Verzeichnisse. VI S., 473 S. Ein Schuber
mit 406 Abb. befindet sich beim Bereich Theologie der
Karl-Marx-Universität Leipzig.

Die Arbeit wendet sich einem umstrittenen Gebiet der
Baukunst zu, das jedoch zunehmend das Interesse der
kunsthistorischen Forschung findet. Zielsetzung dieser Studien
ist es, erstmalig aus der Sicht des evangelischen Theologen
ein möglichst charakteristisches Bild vom Kirchenbau
des 19. Jahrhunderts zu entwerfen. Es setzt sich aus systematischen
und monographischen Untersuchungen verschiedener
Gattung zusammen.

Ein I. Teil stellt „Die Voraussetzungen und gestaltenden
Kräfte des Kirchenbaus" dar. Das 1. Kapitel („Leitbild
und Praxis des Gottesdienstes") geht auf die Beziehungen
ein, die zwischen der Erneuerung der Liturgie und der
des Kirchenbaus auf historischer Grundlage in den evangelischen
Kirchen, der römisch-katholischen und der orthodoxen
Kirche bestehen, fragt nach der prinzipiellen Bedeutung
der konfessionellen Unterschiede für den Kirchenbau
und beurteilt die damaligen Standpunkte von der heutigen
Lage des Kirchenbaus aus. Das 2. Kapitel („Die Symbolik
des Kirchengebäudes und seiner Ausstattung") zeigt, wie
unter dem Einfluß der Romantik die Symbolik wieder
neue Bedeutung gewann. Die Symbolik von Grundriß,
Aufriß und Raum verbindet sich mit der des Stils, die den
Kirchenbau des 19. Jahrhunderts beherrscht. „Einrichtung
und Ausschmückung der Kirchen" (Kapitel 3) sind der
Architektur eng verbunden und rufen erst den erstrebten
einheitlichen Gesamteindruck des Kirchenraumes hervor.
Bedeutende Leistungen stellen die umfangreichen Bildprogramme
mancher Kirchen dar, die zugleich ein bezeichnendes
Licht auf die Geschichtsauffassung innerhalb der
Konfessionen in dieser Zeit werfen. Es besteht auch in
evangelischen Kirchen ein lebhaftes Interesse an der Kirchengeschichte
, das z. B. in Preußen zu einer besonderen
Unionsikonographie führt. Das Geschichtsbewußtsein äussert
sich auch in der „Dom- und Denkmalidee" (4. Kapitel).
Für sie ist eine Mischung von christlich-symbolischen Motiven
mit historischen Erinnerungen und nationalen Bestrebungen
bezeichnend. Sie stellt eine Aufarbeitung der
Geschichte im Bekenntnis zu Gottes Führung dar. Das 5.
Kapitel fragt nach den „künstlerischen Gestaltungskräften".
Künstlerisch gesehen, steht der Kirchenbau des 19. Jahrhunderts
im Zeichen des Historismus. Im einzelnen ergibt
sich jedoch ein differenziertes Bild. Es entsteht durch die
allgemeine Entwicklung vom romantischen über den strengen
zum Spät-Historismus und ist beeinflußt von den Traditionen
der Kunstlandschaft, von einzelnen hervorragenden
Bauten, Kirchenbauschulen, Musterbüchern, der Bautätigkeit
in Haupt- und Residenzstädten, der Persönlichkeit
des Baumeisters und des Bauherrn sowie von neuen Baumaterialien
und städtebaulichen Voraussetzungen. Das 6.
Kapitel hebt die Vielschichtigkeit des historistischen Kirchenbaus
durch eine Reihe von Untersuchungen zur „Ausbreitung
und Eigenart des historistischen Kirchenbaus in
einzelnen Gebieten" hervor. Es wurden diejenigen politischen
Territorien des 19. Jahrhunderts ausgewählt, die
sich heute weitgehend mit dem Gebiet der DDR decken.
Die Kapitel 7—10 lenken wieder stärker auf die allgemeinen
geistigen und gesellschaftlichen Grundlagen des Kirchenbaus
im 19. Jahrhundert zurück („Gefühl, Bekenntnis,
Wissenschaftlichkeit", „Individualismus und Vereinheitlichungsbestrebungen
", „Gesellschaftliche und wirtschaftliche
Bedingungen"). Ein besonders wichtiges Ergebnis der Studien
besteht in dem Nachweis der Unrichtigkeit der verbreiteten
Meinung, daß historistischer Kirchenbau, geistlich
tote und gesellschaftlich unfruchtbare Kirche identisch seien.

Der II. Teil trägt die Überschrift „Das Zusammenwirken
der verschiedenen Voraussetzungen und Kräfte, aufgezeigt
an einzelnen Bauten, Bautengruppen, Städten und
Baumeistern". Die vier Kapitel ermöglichen einen Vergleich
von jeweils zwei Beispielen. Als Einzelbeispiele werden
zwei aufschlußreiche lutherische Kirchenbauten Sachsens
analysiert: die Katharinenkirche in Callenberg, Kr.
Hohenstein-Ernstthal, (1855-1859) und die Peterskirche in
Leipzig (1882—1885). Als Bautengruppen werden „Kirchenbauten
nach altchristlich-byzantinischem Vorbild" neben
„Kirchenbauten nach dem Wiesbadener Programm" gestellt.
Die einen sind eine romantisch bestimmte interkonfessionelle
und internationale Erscheinung, die anderen Schöpfua-