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Ausgabe:

1970

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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783

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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morandum des Freiburger Erzbischofs Gröber und in der
von K. Rahner erarbeiteten Gegenschrift seinen Höhepunkt
erreichte (S. 220—249).

Der 3. Teil der Arbeit („Wesen und Grenzen der Pfarrei
", S. 253—382) versucht eine systematische Klärung. Zunächst
wird aber auch hier die Kontroverse der Jahre nach
1945 aufgearbeitet: Karl und Hugo Rahner, Nell-Breuning,
H. Roth, F. X. Arnold u. a. kommen zu Wort, wobei sich
der Vf. mit gewissen Einschränkungen die Thesen K. Rahners
(„Zur Theologie der Pfarre", 1956) zu eigen macht.
Ein letztes Kapitel bringt dann die zusammenfassenden
Thesen des Autors: „Das heutige Verständnis der Pfarrei
aus der Sicht ihrer Liturgiefeier" (S. 320—382). Maas-Ewerd
wendet sich hier — wie schon im 2. Teil seiner Arbeit —
gegen alle Versuche (wie sie besonders in der Zeit zwischen
den beiden Kriegen in der theologischen Diskussion auftauchten
), eine „Theologie der Pfarrei" zu konzipieren: Die
Pfarrei als autarker ekklesiologischer Mikrokosmos, der
analog zum Bistum und zur Gesamtkirche strukturiert ist;
der Pfarrer als ein Mini-Bischof, der als „Vater der Gemeinde
" das geistliche Leben im Bereich der Pfarrei zeugt
und bewahrt und so in seinem Verhältnis zur „Pfarrfamilie
" das Verhältnis Christi zur Kirche widerspiegelt. Die
Gegenthese des Vf. orientiert sich ganz an den Aussagen
des II. Vatikanischen Konzils über das Bischofsamt und
das Verhältnis von Gesamtkirche und Teilkirchen: Nicht die
territoriale Pfarrei, sondern die im Bistum konkretisierte
„Ortskirche" ist göttlichen Rechts; die Pfarrei ist als geschichtlich
gewordene, kirchlich-menschliche Einrichtung
ganz und gar auf die bischöfliche Ortskirche bezogen und
von dieser abhängig. Letztverantwortlicher Seelsorger —
auch in der Pfarrei — ist nicht der Pfarrer, sondern der
Bischof; so kann es zwar eine Theologie der bischöflichen
Ortskirche, aber keine Theologie der Pfarrei geben. Zwar
wird die Gesamtkirche in jeder legitimen Eucharistiefeier

— und somit auch im Pfarrgottesdienst — in raum-zeitlicher
Wirklichkeit präsent und konkret; aber diese ortshafte
Konkretisierung und Aktualisierung von Kirche ist nicht
auf die Pfarrei und ihre Eucharistiefeier beschränkt, sondern
wird überall da Ereignis, wo die Eucharistie in einer
Gemeinschaft gefeiert wird — auch wenn diese Gemeinschaft
nicht identisch ist mit der „Pfarrfamilie" (S. 303:
„Wo eine Gemeinschaft sich zur Eucharistiefeier versammelt
, repräsentiert sie die ganze Kirche").

Trotz dieser grundsätzlichen Ablehnung einer eigentlichen
Theologie der Pfarrei ist der Vf. nun doch der Auffassung
, „daß die Kirche in der Pfarrei vollkommener in
Erscheinung tritt als in der gottesdienstlichen Versammlung
einer Gemeinschaft von Akademikern oder Angestellten
, Handwerkern, Arbeitern, Jugendlichen usw." (S. 338).
Vor allem zwei Gründe sind hierfür maßgebend: Zum einen
ist nach der Meinung des Vf.s der Pfarrgottesdienst

— in dem ja der Pfarrer als Delegat des Bischofs tätig wird

— in ganz besonderer Weise mit dem Gottesdienst der bischöflichen
Ortskirche verbunden, und diesem bischöflichen
Gottesdienst kommt nach LK 41 ein besonderer Rang zu,
weil in ihm die Gesamtkirche deutlicher in Erscheinung
tritt als in anderen Eucharistiefeiern. So ist die Pfarrei „in
einem abgeleiteten Sinne bischöfliche Ortskirche, in Vertretung
und in Abhängigkeit von der Bischofskirche, die
als Ortskirche im eigentlichen Sinne verstanden werden
muß" (S. 353).

Für den evangelischen Beobachter, der diese umständliche
Konstruktion — die bischöfliche Ortskirche als göttliches
Rechtsstatut, die pfarrliche Ortsgemeinde als menschlich
-geschichtliche Einrichtung — nicht nachzuvollziehen
vermag, ist vor allem die zweite These interessant, die der
Vf. zur Begründung des besonderen Ranges der territorialen
Pfarrei anführt: Der universale Charakter der Pfarrgemein-
de und ihres Gottesdienstes, der alle im Pfarrbereich
wohnenden Menschen ohne Unterschied von Beruf, Stellung,

Bildung, Alter und Geschlecht umfaßt, bringt in einzigartiger
Weise den universalen, entschränkenden und entgrenzenden
Charakter der christlichen Kirche zum Ausdruck.
Was Kirche ihrem Wesen nach ist, nämlich alle vorgegebenen
natürlichen und sozialen Ordnungen sprengende „Brudergemeinschaft
" (S. 362 ff.), kommt da am vollkommensten
zur Darstellung, wo in der Teilhabe an der gemeinsamen
Eucharistie alle Momente der Desintegration, wie
sie zwischen den >n einem bestimmten Bereich lebenden
Menschen wirksam sind, in der Geburt einer neuen Menschheit
überwunden werden.

Barth/Ostsee Karl-Heinrich Bieritz

Cuva, Armando: Lectiones, lectores, lectionaria (Salesianum
32, S. 135-147).

Winkler, Eberhard: Die diakonische Dimension des Gottesdienstes
(ZdZ 24, 1970 S. 169-174).

KIRCHENRECHT

Steinmüller, Wilhelm: Evangelische Rechtstheologie. Zweireichelehre
, Christokratie, Gnadenrecht. 1. u. 2. Halbband.
Köln-Graz: Böhlau 1968. XXIII, III, 945 S. gr. 8° = Forschungen
zur kirchlichen Rechtsgeschichte u. zum Kirchenrecht
, hrsg. v. L. Buisson, S. Grundmann f, M. Heckel,
F. Merzbacher, H. Nottarp, K. W. Nörr, 8, I u. II. Lw. DM
98.-.

Die „Evangelische Rechtstheologie" ist in der Zeit des
Kirchenkampfes zum ersten Mal in der Geschichte des deutschen
Protestantismus zu einem bedeutsamen Faktor kirchlicher
Selbstbehauptung geworden. Seit dem Zweiten Weltkrieg
ist sie, insbesondere von juristischen Autoren, zum
Gegenstand grundlegender Untersuchungen gemacht worden
und hat auf diese Weise auf die Wissenschaft vom evangelischen
Kirchenrecht entscheidend eingewirkt.

Selbstverständlich ist im Gefolge der neuen Gedanken,
welche durch die evangelische Rechtstheologie in das System
des evangelischen Kirchenrechts hineingeworfen worden
sind, vieles noch in Gärung begriffen. Es macht sich bisweilen
, weniger in der Praxis als in der Theorie, bei der
kirchenrechtlichen Arbeit eine der juristischen Klarheit und
damit der kirchlichen Ordnung nicht immer zuträgliche Hypertrophie
des Rechtstheologischen vor dem Juristischen bemerkbar
.

In dieser Situation muß man das vorliegende umfangreiche
Werk von Wilhelm Steinmüller aufs dankbarste begrüßen
. Es ist in der gegenwärtigen Lage des evangelischen
Kirchenrechts eine doppelte Hilfe. Einmal ist es mit seinem
ausgezeichneten Apparat von Registern ein erstrangiges
Nachschlagwerk, in dem man sich leicht, sicher und ausführlich
über alle nicht nur mit der Rechtstheologie in einem engeren
Sinne, sondern darüber hinaus mit den Grundfragen
evangelischen Kirchenrechts überhaupt zusammenhängenden
Probleme nach dem Stande der modernen Forschung
unterrichten kann. Es sei in diesem Zusammenhang hervorgehoben
, daß nicht nur die für die evangelische Rechtstheologie
maßgebenden Autoren Johannes Heckel, Siegfried
Grundmann, Erik Wolf und Hans Dombois, mit denen sich
das vorliegende Werk in erster Linie befaßt, behandelt sind,
sondern daß der Vf. darüber hinaus eine Fülle von Sekundärliteratur
verarbeitet hat. Er hat auch, soweit es für seinen
Gegenstand von Bedeutung war, kanonisches Recht sowie
katholische Quellen und Werke herangezogen.

Der Wert der hier geleisteten Arbeit besteht aber nicht
allein in der Schaffung eines handlichen Kompendiums der
evangelischen Rechtstheologie. Sie verdient, was freilich
schon wegen des großen Umfangs keine kleine Mühe darstellt
, vom Anfang bis zum Ende wirklich durchgelesen zu
werden. Wer sich dieser Lektüre unterzieht, wird reiche Be-