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Ausgabe:

1970

Spalte:

765-767

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Armstrong, Brian G.

Titel/Untertitel:

Calvinism and the Amyraut heresy 1970

Rezensent:

Koch, Ernst

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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mologische Dimension" der Rechtfertigungslehre zurückzugewinnen
. So anregend diese These auch klingt, sie bedürfte
einer sehr viel eingehenderen Entfaltung von Me-
lanchthons Verständnis des Wortes Gottes und der Rechtfertigung
, als es hier möglich sein kann. Auch wird man
fragen dürfen, ob bei der Betonung von Melanchthons Originalität
im Verständnis des ordo politicus die stärkere Berücksichtigung
der humanistischen Tradition nicht doch ein
anderes Bild bieten würde. So richtig es sicher ist, daß Erasmus
diese Konzeption Melanchthons nicht geprägt hat (S.
150f, Anm. 96), so lassen sich aus der Gedankenwelt Reuch-
lins und des Neuplatonismus überhaupt doch recht interessante
Parallelen beibringen.

Huschkes so anregende wie von ihrem eigentlichen
Thema her überzeugende Arbeit bietet zuletzt einen sehr
knappen Anhang über Melanchthons Lehre vom ordo politicus
als Institutionslehre (S. 153-158). Am Schluß vermißt
man leider ein Literaturverzeichnis. Auch von der höchst
sinnvollen Übereinkunft, statt zahlreicher Stellenangaben
wenigstens die Hauptbelege im Wortlaut im Apparat zu
bringen, weicht Huschke ab. Trotz all dieser Einschränkungen
aber bietet diese Arbeit einen wichtigen Beitrag zur
Theologie Melanchthons, an dem die weitere Forschung
nicht vorübergehen wird.

Münster/Westf. Martin Greschat

Armstrong, Brian G.: Calvinistn and the Amyraut Heresy.

Protestant Scholasticism and Humanism in Seventeenth-
Century France. Madison-Milwaukee-London: University
of Wisconsin Press 1969. XX, 330 S., 5 Taf. gr. 8°. Lw.
119 s. ($12.50).

Um es im Voraus zu sagen: diese Untersuchung vertritt
die These, dafj der orthodoxe Calvinismus des 17. Jh.s
eine Verfälschung Calvins darstellt und daß Moyse Amyraut
der wahre Schüler Calvins ist. Sie versteht sich gleichzeitig
als eine Studie zur Calvinrezeption im 17. Jh. und zur Wirkungsgeschichte
von Calvins Theologie.

In einem 1. Kapitel wird der historische Hintergrund
des Auftretens, Lehrens und Wirkens Amyrauts gezeichnet;
die fortdauernde protestantisch-katholische Kontroverse im
Frankreich des 17. Jh.s mit ihren stark historisch argumentierenden
Elementen; der ursprünglich humanistische Charakter
der Reformation in Frankreich, von dem her auch
Calvin zu verstehen ist und der erst später von der bei Beza,
Martyr und Zanchi ansetzenden scholastischen Tendenz
überlagert wird, die durch deduktive Methode, rationale
Elemente, formale Schriftautorität und metaphysiches Interesse
gekennzeichnet ist und letztlich dem italienischen Ari-
stotelismus entstammt; das Wirken John Camerons, den
du Moulin einmal die „Geißel Bezas" genannt hat und bei
dem die Gedanken Amyrauts angelegt und vorgebildet sind.
Kapitel 2 gibt eine kurze Biographie Amyrauts, stellt seine
Hauptwerke vor und charakterisiert den großen Gegenspieler
Amyrauts, Pierre du Moulin. In diesem Kapitel wird
auch die kritische Phase im Leben Amyrauts geschildert,
das Verhör wegen Anklage auf Häresie auf der Synode von
Alencon 1637 und sein Ausgang. Kapitel 3 behandelt Amyrauts
Theologie in ihrer historischen Stellung und bringt
den Einfluß des Ramismus wie auch die Besonderheiten der
Theologie von Saumur zur Sprache: das historische, ethische
bibelkritische und poetische Interesse, das sich hier kundtut.
Ihm wird eine Charakteristik der zeitgenössischen calvi-
nistischen Scholastik gegenübergestellt und schließlich
«das Motiv von Amyrauts Theologie" untersucht, das A. in
der speziellen Ausprägung der Bundeslehre findet. Amyraut
lehrt den dreifach unterschiedenen Bund: den Natur-, den
Gesetzes- und den Gnadenbund, zwischen denen die den
Bund schließenden Partner, die Vertragsbedingungen, das
Bundesversprechen, der jeweilige Mittler und die Wirksamkeit
des Bundes differieren. Indem Amyraut hierbei

sein heilsgeschichtlich-pneumatologisches Denken zur Geltung
bringt, macht er den Gnadenbund zum Maßstab und
Zielpunkt seiner Theologie, also auch der Gotteslehre. Eine
besondere Rolle spielt dabei noch die Unterscheidung zwischen
dem bedingungslos (absolutum) und dem bedingungsweise
(hypotheticum) geschlossenen Bund. Dem geht Kapitel

4 an Hand der Prädestinationslehre Amyrauts nach.....

für Amyraut ist die Prädestination in der Theologie allein
zulässig als eine ex post facto gegebene Erklärung dafür,
weshalb einige zum Glauben gekommen sind, andere nicht"
(S. 160). Amyrauts Prädestinationslehre ist nur auf dem Hintergrund
einer streng ökonomisch orientierten Trinitäts-
und Gotteslehre (da Gott sich offenbart »secundum modum
coneipiendi atque considerandi nostrum") und der Gegenüberstellung
von Gottes geheimem und offenbartem Wissen
zu verstehen. Diese Gegenüberstellung ist rational nicht
auszugleichen, korrespondiert mit der Zweiheit von foedus
absolutum und foedus hypotheticum und führt zur Annahme
eines doppelten Wissens in Gott. Trinitarisch ausgedrückt:
das foedus hypotheticum hat seinen Ort in der Christologie,
das foedus absolutum in der Pneumatologie. Foedus hypotheticum
bedeutet für Amyraut präzis, daß der Heilswille
Gottes darauf gegründet ist, daß die Vertragsbedingungen
erfüllt werden, und daß dann, wenn die Bedingungen nicht
erfüllt werden, der Wille Gottes zum Heil nicht in Aktion
war. Nur a posteriori kann die Erwählung erkannt werden
(hier ist auch der Ansatzpunkt für den Syllogismus practicus
in der Ausprägung Amyrauts).

Kapitel 5 wendet sich der Frage zu, welches die letzte
Antriebsfeder für Amyrauts Lehre vom dreifachen Bund
ist, und kommt zu der Antwort: die Lehre von der Rechtfertigung
durch den Glauben. Sie ist für Amyraut Zentrallehre
der Christenheit, rechtfertigt allein die Trennung von Rom,
ist die Basis für die Bundeslehre und alle grundlegenden
Lehren des christlichen Glaubens. Glaube — so legt Kapitel
6 dar — ist für Amyrant mehr ein Akt des Verstandes als
des Willens, was ihm den Vorwurf des Rationalismus eingebracht
hat. In der Tat ist Glaube für ihn Sache eines rational
angelegten Wesens, das auch die Fähigkeit zu rationaler
Erkenntnis hat. Und doch handelt es sich hierbei mehr
um eine existentiale als um ein rationale Überzeugung.

In zwei Anhängen geht A. Spezialproblemen nach:
.Eine Bemerkung zu Amyrauts Rationalismus" und: „Eine
Bemerkung zur Amyrautforschung" (Skizze der Forschung
von Alexander Schweizer 1856 bis Roger Nicole 1966, wobei
besonders die Bedeutung der Untersuchungen von Molt-
mann und Francois Laplanche hervorgehoben wird). Eine
umfangreiche Bibliographie und ein vorzügliches Register
beschließen das Buch.

A. führt seine Untersuchung unter ständiger Bezugnahme
auf Calvin und bewährt so seine eingangs erwähnte
These auch insofern, als er in Amyraut den bei weitem besten
Calvinkenner seines Jahrhunderts sieht. Er findet bei
Amyraut freilich auch keine Reproduktion Calvins, sondern
weist auf Punkte hin, an denen Amyraut über Calvin hinausgeht
(so S. 208, 221, 222, 228). Eine wichtige Rolle im
Vergleich mit der zeitgenössischen calvinistischen Orthodoxie
spielt die Methodenfrage: deduktiv auf orthodoxer
Seite, induktiv auf der Seite Saumurs.

Gerade an dieser Stelle ist freilich zu fragen, ob A. die
Frage genügend im Blick gehabt hat, ob sich nicht bei Amyraut
neben spezifisch calvinischen Elementen auch weiterwirkende
Motive des Zwinglianismus und der sogenannten
deutschreformierten Theologie aus dem Umkreis etwa des
Heidelberger Katechismus ausgewirkt haben könnten. Im
einzelnen ist ferner zu fragen, ob sich angesichts der beispielsweise
von Kickel interpretierten Calvinaussagen die
Behauptung halten läßt, Calvin habe nicht supralapsarianisch
gedacht (S. 130 Anm. 30). In dieselbe Richtung weist A.s
Behauptung, daß der Supralapsarianismus keinen Eingang
in die reformierten Bekenntnisse gefunden habe, was ange-