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Ausgabe:

1970

Spalte:

762-764

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Yoder, John Howard

Titel/Untertitel:

Taeufertum und Reformation im Gespraech 1970

Rezensent:

Mecenseffy, Grete

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761

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

762

nicht einer gewissen Strenge entbehrt (51), in beinahe allen
Punkten mit den moraltheologischen und -philosophischen
Prinzipien des Thomas von Aquin übereinstimmt (etwa
206, 209, 214, 225, 235, 238, 252-255, 299, 326-330, 336,
341). Lediglich in einem einzigen Punkt der Psychologie,
bei der Frage nach der Hinwendung der geistigen Erkenntnis
zu den phantasmata, widerspricht Dionysius der Meinung
des Aquinaten »mit großer Energie" (141). Wenn bei
einer solchen totalen Übereinstimmung mit Thomas von
Aquin vom Vf. — leider nur in einer Anmerkung und ohne
Stellenangaben - betont wird, daß Dionysius von der Auffassung
des hl. Thomas „allein im Sentenzenkommentar ungefähr
60 mal" (238, Anm. 1) abweicht, was darauf schließen
läßt, daß dem Vf. auch aus anderen Schriften Abweichungen
bekannt sind, dann wäre gerade eine Auseinandersetzung
mit diesen Fragen in der ohnehin nicht nur den sittlichen
Akt, sondern den Gesamtbereich der Theologie erörternden
Arbeit des Vf.s theologiegeschichtlich eine große Bereicherung
gewesen. Wenn die Untersuchung auch keine dogmengeschichtliche
Arbeit sein will, sondern der Versuch einer
systematischen Darstellung, in der auf die verschiedenen,
im Sentenzenkommentar behandelten Theologen nicht näher
eingegangen werden soll (31), so ist doch zu betonen,
daß auch eine systematische Darstellung nicht im luftleeren
Raum stehen kann. Tatsächlich ist der Vf. auch in einigen
Abschnitten von seinen Prinzipien abgewichen. So behandelt
er z. B. die Gewissenslehre in einem Überblick von der
Antike bis zur Scholastik und zur modernen Fragestellung,
um dann zu dem Ergebnis zu kommen, daß die Scholastik
eine solche Fragestellung gar nicht gekannt hat und daß
die Gewissenslehre des Dionysius mit der des Aquinaten
übereinstimmt (206—215).

Auch in der Tugendlehre beginnt der Vf. bei der Antike
und schließt mit der Feststellung, daß Thomas von
Aquin das Gleiche lehrt wie Dionysius (216—218, 225). In
der Frage, ob zwischen Wesen und Attributen bei Gott eine
Mentaldistinktion und beim Menschen eine Formaldistink-
tion anzusetzen ist (214), hätten wir gern den Textbeweis
gesehen, zumal M. Beer anderer Auffassung zu sein scheint
(255). Schließlich sei noch erwähnt, daß bei wichtigen Stellen
eine bessere Textgrundlage dienlich gewesen wäre,
so daß etwa der Beweis dafür, daß die Appropriationen
dem Heiligen Geist nicht willkürlich zugeschrieben werden,
nicht nach M. Schmaus, sondern nach Dionysius Carthusa-
nius erbracht werden könnte. Die in dem außerordentlich
breiten Literaturverzeichnis angegebene Sekundärliteratur
ist leider nur äußerst sparsam herangezogen worden.

Das Ergebnis der Untersuchung läßt sich mit dem Vf.
in der Feststellung zusammenfassen, daß man bei Dionysius
Carthusanius auf keine im wesentlichen überraschenden Lösungen
stößt (238). Es ist dem Vf. als großes Verdienst anzurechnen
, daß er in seiner mit großem Fleiß erstellten Untersuchung
nachweisen konnte, daß Dionysius wie kaum
ein anderer Denker seiner Zeit den Einfluß des Heiligen
Geistes auf das sittliche Handeln besonders hervorgehoben
hat. Der von der Gnade erfaßte Mensch steht unter dem
beständigen Einfluß, der Leitung und Führung des Heiligen
Geistes, der „die entsprechenden Anstöße zu sittlich wertvollem
Tun gibt und durch seine Erleuchtung den Weg
weist und den Blick öffnet für die Gegebenheiten, in denen
sich der Wille Gottes, gleichsam als ein Anruf an den Menschen
, offenbart" (394).

Erfurt Wilhelm Ernst

Brunner, Fernand: Maitre Eckhart et le mysticisme specu-
latif (RThPh 103, 1970 S. 1-11).

Hattenhauer, Hans: Rex et sacerdos. Eine Legendeninterpretation
(ZSavRGkan 86, 1969 S. 1-38).

Riggi, Calogero: Dante e il manicheismo (Salesianum 31,
1969 S. 497-512).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Yoder, John H.: Täufertum und Reformation im Gespräch.

Dogmengeschichtliche Untersuchung der frühen Gespräche
zwischen schweizerischen Täufern und Reformatoren.
Zürich: EVZ-Verlag [1968]. VIII, 221 S. gr. 8° = Basler
Studien zur historischen und systematischen Theologie,
hrsg. v. M. Geiger, 13. Lw. DM 24.—.

Die vorliegende Schrift stellt den zweiten Teil der Arbeit
über die Gespräche zwischen Täufern und Reformatoren
dar, deren erster 1962 als 6. Band der Schriftenreihe
des Mennonitischen Geschichtsvereines erschienen ist (vgl.
ThLZ 91, 1966 Sp. 443).

Befaßte sich der erste Teil mit dem historischen Ablauf
der Gespräche, so bringt der zweite gleichsam den Ertrag
des Gesprochenen, den dogmengeschichtlichen Gehalt. Er
versucht aber noch mehr zu geben: der Vf. begibt sich
nämlich auf die Suche nach dem Gegensatz, der Täufertum
und Reformation eigentlich trennte, mit anderen Worten
nach dem zentralen Anliegen der Täufer, das bis jetzt noch
nicht einheitlich dargestellt worden ist (S. 2). Auf diesem
Wege stößt er auf eine Reihe gegensätzlicher Anschauungen:
1. Zwingiis Dualismus in seiner Lehre von göttlicher und
menschlicher Gerechtigkeit, die Luthers Lehre von den zwei
Reichen entspricht; dann auf Zwingiis Lehre von der Taufe,
die der Reformator nicht nur von jeder magischen Sakra-
mentalität befreite, sondern die er auch vom Glauben trennte
(S. 13-32). 2. Zwingiis Monismus: Einheit des Bundes,
Einheit der Testamente, Gleichsetzung von Taufe und Beschneidung
(S. 33—43). 3. Die Regel der Liebe. Zwingli wirft
den Täufern Lieblosigkeit vor, weil sie keine Ruhe gäben
(S. 45 f.). 4. Die Autorität der Kirche, die für den Basler
Reformator Johannes Oecolampad noch bedeutungsvoller
war als für Zwingli. Trotz allen Gegensatzes zu Rom hat
Zwingli wieder eine Kirche der Autorität aufgerichtet, während
die Täufer in Anlehnung an die Urkirche etwas Neues,
unter dem Papsttum bisher nicht Dagewesenes schaffen
wollten (S. 60). Ein 5. strittiger Punkt war die verschiedene
Hermeneutik der Reformatoren und der Täufer. Zwingli
versuchte, die Aussagen des Neuen Testamentes zurechtzubiegen
, um die Kindertaufe zu beweisen (S. 71—77). In einem
6. Abschnitt (§ 7) wird das Verhältnis der Täufer zum
Spiritualismus untersucht und jene verhängnisvolle Vermischung
der biblisch-nüchternen Auffassung der Zürcher
Täufer mit dem Geiste eines Karlstadt oder Müntzer, die
vor allem von Luther vollzogen wurde (S. 80—86). Ebensowenig
wie nur vom Geist getrieben waren die Täufer sklavisch
dem Buchstaben unterworfen, wenn auch der „Geist"
an der Schrift zu prüfen war (S. 83).

In dem nächsten Abschnitt „Die Gemeinde als Erkenntnisweg
" (§ 8) wird der Boden heiß. Der Vf. nähert sich seinem
Ziel, den wahren Grund des Täufertums aufzuspüren.
Zunächst wird festgestellt: „Das tiefste Verhängnis der Reformation
. . . liegt darin, daß sich nicht als wahr erwies,
was alle glaubten, nämlich, daß die Heilige Schrift genüge,
alle auftretenden Fragen christlicher Lehre und christlichen
Lebens eindeutig zu entscheiden" (S. 99 f.). Erläutert
wird dies an dem Abendmahlsproblem. Beide, Zwingli wie
Luther glaubten, im Besitze der Wahrheit zu sein und verketzerten
einander, d. h. einer schloß den anderen von der
Gemeinschaft, das ist die Gemeinde, aus; hier liegt nach
der Auffassung Yoders der Schlüssel zum Verständnis der
Täufer: die Funktion der Gemeinde ist die „grundsätzliche
Vorbedingung zu gültiger Gotteserkenntnis" (S. 101).

Auch Zwingli hatte ursprünglich dieselbe hohe Meinung
von der Geistbegabtheit der Gemeinde, wie sie in den beiden
Zürcher Religionsgesprächcn 1523 in Erscheinung trat
(S. 102 ff.). Den hier beschrittenen Weg des Gespräches sind
die Täufer fortgegangen, während Zwingli Anlehnung an