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Ausgabe:

1970

Spalte:

759-761

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Maginot, Norbert

Titel/Untertitel:

Der Actus Humanus Moralis unter dem Einfluß des Heiligen Geistes nach Dionysius Carthusianus 1970

Rezensent:

Ernst, Wilhelm

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

760

gebrochen fort; es wurden u. a. gegründet Helmstedt, Lauingen
, Gent, Neustadt/Orla, Sangerhausen, Einbeck, Trier,
Windsheim, München und in Schlesien als erstes Kloster
Grottkau. Damit war die deutsche Provinz auf etwa 80 Klöster
angewachsen. Pfingsten 1297 fand unter Heinrich von
Friemar nochmals ein Provinzialkapitel der einen deutschen
Provinz statt; kurz darauf, zwischen Juni 1298 und Januar
1300 muß die Provinz in vier Provinzen aufgeteilt worden
sein, in die rheinisch-schwäbische, die bayerische, die thüringisch
-sächsische und die kölnisch-belgische. 1290 erlebte
die deutsche Provinz auf ihrem Boden zum ersten Mal das
Generalkapitel des ganzen Ordens, das in Regensburg tagte
und die Ordenskonstitutionen endgültig für den ganzen Orden
festlegte.

Kunzelmanns Arbeit ist eine erfreuliche Leistung. Man
wird von ihr keine theologie- und geistesgeschichtliche Darlegung
erwarten dürfen. Sie will die Gründungsgeschichte
der einzelnen Klöster urkundlich genau und zuverlässig berichten
. Das ist ihr gut gelungen, und man wird dem Vf.
Dank wissen, daß er die Urkunden so ausführlich hat sprechen
lassen. Er wägt vorsichtig ab, wo der urkundliche Befund
nicht zu einer sicheren Aussage ausreicht, er verschweigt
keine Schwierigkeit; überall fühlt man sich sicher
geführt. Die Arbeit ist sauber gedruckt, nur selten findet
man einen Druckfehler oder ein Versehen. Es wäre sehr
zu wünschen, daß es dem Vf. gelingt, sein großes Vorhaben
abzuschließen.

Auf S. 232 Anm. müßte es wohl statt Nordhausen Neu-
stadt'Orla heißen. Oftmals hat der Vf. Zitaten aus anderen
Untersuchungen zu viel Raum gewährt, wo er selbst uns
mindestens ebenso gut hätte Bericht geben können; manchmal
fehlen bei den langen Zitaten die Schlußstriche. Buchtitel
sollten nicht mit vollen Angaben im Text, sondern in
den Anmerkungen angeführt werden. Im Register müßte
es statt Kadler Kadlec heißen; nicht klar zu ersehen ist,
warum Engelbert zweimal im Register aufgeführt wird; bei
Nicolaus von Siegen stört das hinzugefügte Gotha, und das
Ortsregister hätte an einigen Stellen vollständiger sein können
. Wünschenswert wäre eine Karte gewesen, auf der man
anschaulich den Umfang und das Tempo der Neugründungen
hätte ablesen können.

Erfurt Erich Kleineidam

Maginot, Norbert: Der Actus Humanus Moralis unter dem
Einfluß des Heiligen Geistes nach Dionysius Carthusia-
nus. München: Hueber 1968. XXXII, 395 S. gr. 8° = Münchener
theologische Studien, im Auftrag d. Theologischen
Fakultät München hrsg. v. J. Pascher, K. Mörsdorf, H.
Tüchle, 35. DM 45.-.

Die Erhellung der Philosophie und Theologie des 15.
Jahrhunderts ist trotz mancher in den letzten Jahrzehnten
erschienener Abhandlungen, die sich vornehmlich mit den
verschiedenen Strömungen des Scotismus und Ockhamis-
mus befassen, noch immer weithin ungeklärt. Um so begrüßenswerter
ist es, daß nach der 1963 herausgegebenen,
verdienstvollen Untersuchung von M. Beer über „Dionysius
des Karthäusers Lehre von desiderium naturale des
Menschen nach der Gottesschau" in dem Werk von N. Maginot
eine Arbeit vorgelegt wird, die sich erneut mit dem
umfangreichen Werk Dionysius des Kartäusers, dieses tief
in Vergessenheit versunkenen Theologen, der kaum einen
bedeutenden Einfluß auf spätere Zeiten ausgeübt hat, beschäftigt
und unter dem besonderen Aspekt des dem Heiligen
Geist appropriierten Einflusses auf das sittliche Handeln
des Menschen die moraltheologischen Grundanschauungen
des Dionysius Carthusianus darzulegen versucht.

Der Vf. gliedert sein Werk in zwei Teile. Im ersten Teil
werden Leben, Zeit, Werk und Bedeutung des Kartäusermönches
Dionysius aufgezeigt. Er wurde 1402 in dem Dorf

Ryckel oder Rikkel bei St. Trond in Belgisch-Limburg geboren
, besuchte die Klosterschule der Benediktiner in St.
Trond und im Alter von 13 Jahren die Schule in Zwolle, in
der er mit der „devotio moderna" in Berührung kam. Mit
18 Jahren bat er um Aufnahme in den Kartäuserorden,
wurde aber erst nach Erwerb des Magistergrades in Köln
(1420—1423) in die Kartause von Roermond aufgenommen.
Sein über 40jähriger Aufenthalt in diesem Kloster wurde
lediglich durch zwei Ereignisse unterbrochen. 1451/52 berief
ihn Nikolaus von Kues als Begleiter zu einer Visitationsreise
durch Nordwestdeutschland und die Niederlande,
und in den Jahren von 1466—1469 war er Prior der neuerrichteten
Kartause von Herzogenbusch. Er starb am 12. 3.
1471. Seine philosophischen und theologischen Werke sind
erstmals 1530 ff im Druck erschienen und liegen heute in
der kritischen Neubearbeitung durch den Kartäuserorden
von 1896—1935 in 43 Bänden unter dem Titel „Doctoris ec-
statici D. Dionysii cartusiani opera omnia" vor. Sein Werk
umfasst allein 75 Schriftkommentare, theologisch-dogmatische
Traktate, standesethische und religionspädagogisch
aszetische Schriften, sowie 690 Predigten. — Dionysius Carthusianus
ist auf keine bestimmte Schulmeinung und Richtung
festgelegt, weiß sich aber besonders stark dem Ps.
Areopagiten Dionysius und Thomas von Aquin verbunden.
Er ist in erster Linie eklektischer Theologe und ein konservativer
und harmonisierender Denker, den man am besten
als neuplatonischen Aristoteliker und scholastischen
Mystiker bezeichnen kann. Vom Scotismus und Ockhamis-
mus ist er so gut wie gar nicht beeinflußt (51).

Im zweiten Teil behandelt der Vf. im ersten Abschnitt
die Schöpfungslehre und Anthropologie (54—95), im zweiten
die Psychologie (95—160), im dritten den Aufbau der
sittlichen Handlung, das Gewissen und die Tugend der
Klugheit (161—237), im vierten das Verhältnis der Trinität
zum Menschen (237—314) und im fünften schließlich die
Titelfrage, nämlich den actus humanus moralis unter dem
Einfluß des Heiligen Geistes (314-393), wobei das eigentliche
Problem des unmittelbaren und mittelbaren Einflusses
des Heiligen Geistes auf das sittliche Handeln auf nur wenigen
Seiten (374—393) abgehandelt wird. Den Abschluß
der Arbeit bildet eine kurze Nachbetrachtung (394 f). Ein
Namen- und Sachregister ist leider nicht erstellt worden.

Eine kritische Überprüfung des ersten Teils der Arbeit
läßt erkennen, daß der Vf. im Vergleich zu den Ergebnissen
von M. Beer, auf dessen Werk außer im Literaturverzeichnis
leider an keiner Stelle Bezug genommen wird,
kaum wesentlich Neues bringt. Die vielen eingestreuten
Rückblenden auf tatsächliche oder vermeintliche Hintergründe
der Entwicklung des Kartäusers (die Jungfrauen
Christina und Elisabeth S. 7—9; die Entstehungsgeschichte
der „Brüder vom gemeinsamen Leben" S. 11—13 und des
Kartäuserordens S. 15—17) sowie die Darlegungen über
Nikolaus von Kues (19 f) und Ps. Dionysius Areopagita
(31—34) hätten wesentlich gestrafft werden können. Die
negative Beurteilung des Nominalismus ist pauschal, ohne
Beachtung der neueren Forschung, durch keinerlei Literaturhinweis
belegt und hier völlig überflüssig, zumal Dionysius
die Vertreter dieser Richtung nur „vermutlich" (49)
gekannt und sich übrigens mit ihnen in keiner Weise auseinandergesetzt
hat (51). Im ganzen vermittelt dieser erste
Teil jedoch einen guten Überblick über die Lebensdaten
und Schriften des Dionysius Carthusianus.

Im zweiten, systematischen und wesentlich breiteren
Teil ist die Lehre des Dionysius ohne Zweifel in einer mit
ungeheurem Fleiß erstellten Arbeit korrekt wiedergegeben.
Die Absicht des Vf.s, eine systematische Erarbeitung der
moraltheologischen Grundauffassungen des Kartäusers zu
bieten und seine Betonung des Einflusses des Heiligen Geistes
auf dem sittlichen Akt herauszuarbeiten, ist voll erreicht
. Wir erfahren hier, daß die Moraltheologie des Dionysius
, die nach dem Vf. mehr aszetisch ausgerichtet ist und