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Ausgabe:

1970

Spalte:

757-759

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Titel/Untertitel:

Das dreizehnte Jahrhundert 1970

Rezensent:

Kleineidam, Erich

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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der bei klassischen Texten üblichen Zitierweise mehr entspricht
als die herkömmliche, wie S. IX, Anm. 1 vorausgesetzt
scheint, möchte ich aber doch bezweifeln. Es sei
zugegeben, daß es einfacher ist, wenn man statt Sim. V,
2,6 jetzt 55,6 zitieren kann, aber diese Zitierweise läßt gerade
das für den Benutzer Wichtigste aus, nämlich, daß die
angeführte Stelle in Sim. V steht. Um sich darüber zu informieren
, muß man entweder die Stelle aufschlagen oder
die Konkordanz der alten und neuen Kapitelzählung heranziehen
. Die umständlichere Zitierung bleibt somit die aufschlußreichere
und m. E. die bessere.

Wie gesagt hat die zweite Auflage manche Zusätze aufzuweisen
, deren wichtigste ohne Zweifel d_e in der Pariser
Florilegienhandschrift Paris, gr. 1143 vorkommenden Zitat
«, sind, darunter auch der griechische Text von Sim. IX
33. Es ist zu verstehen, daß sämtliche Zusätze nur als Nachträge
aufgenommen werden konnten, aber zugleich ein Zeichen
dafür, daß unsere Kenntnis des Hermastextes noch
immer im Wachsen ist. Es dürfte Grund geben zu hoffen,
daß wir einmal einen vollständigen griechischen Text des
Pastors haben werden. Aber vieleicht ist es schon eher notwendig
, daß eine neue Auflage der Whittakerschen Edition
erscheint, und hoffentlich wird es dann möglich sein, die
jetzigen und zukünftigen Bereicherungen in den kritischen
Apparat aufzunehmen.

Abschließend kann man R. Joly beipflichten, der diese
Ausabe „un modele du genre" genannt hat (a. a. O. S. 66).
Die Hermasforschung hat jetzt das textliche Instrument in
der Hand, das den umfangreichsten Einblick in die Überlieferung
gewährt, der z. Z. möglich ist. Es wäre zu hoffen,
daß in näherer Zukunft entsprechendes geleistet wird für
einen tieferen Einblick in die Glaubenswelt, die in diesem
Text sich ausspricht. Denn seit dem Erscheinen des Kommentars
von M. Dibelius vor fast einem halben Jahrhundert
, ist der Fortschritt hier gering gewesen.

Bilthoven/Niederlande J. Reiling

KIRCHENGESCHICHTE:
MITTELALTER

Kunzelmann, Adalbero, OSA: Geschichte der deutschen Augustiner
-Eremiten. I: Das dreizehnte Jahrhundert. Würzburg
: Augustinus-Verlag 1969. XV, 275 S. 8° = Cassicia-
cum, hrsg. im Auftrag d. Augustinus-Institus d. deutschen
Augustiner v. A. Kunzelmann u. A. Zumkeller, 26. Kart.
DM 48.50.

Der Orden der Augustiner-Eremiten wird bei uns stets
auf großes Interesse stoßen, weil er der Orden Martin Luthers
ist. Bisher fehlte eine Geschichte der deutschen Augustiner
-Eremiten. Es ist daher sehr erfreulich, daß A. Kunzelmann
, der mit A. Zumkeller Herausgeber der angesehenen
Schriftenreihe Cassiciacum ist, diese Aufgabe in Angriff genommen
hat, zumal gerade die Augustiner-Eremiten in den
letzten beiden Jahrzehnten sehr erfolgreich auf dem Gebiet
ihrer Ordensgeschichte gearbeitet haben. Erst nachdem
Kunzelmann 1963 als Studienrat am Schönborn-Gymnasium
zu Münnerstadt in den Ruhestand getreten war, ersuchte
ihn sein Provinzial, dieses Thema zu bearbeiten. Er legt
nun den ersten Teil seiner Untersuchung vor.

In der Einleitung (1—10) holt er weit aus: er beginnt
mit seinem Ordensvater Augustinus und dessen Klostergründungen
. Auch das erste Kapitel des Hauptteils (10—37)
ist eigentlich noch eine Einleitung; hier berichtet der Vf.
über die Entstehung des Ordens der Augustiner-Eremiten.
Diese waren ursprünglich wirklich Einsiedler in Italien, die
sich erst auf Wunsch des Papstes Alexanders IV. 1256 zu
einem neuen Orden zusammenschlössen. Das Hauptverdienst
kommt dabei dem Kardinal Richard Annibaldi zu, den der
Papst zum Protektor der Eremiten ernannt hatte. Damals

vereinigten sich fünf Gruppen von Eremiten zu einem neuen
Orden, als dessen Name Ordo Heremitarum sancti Augustini
festgelegt wurde. Ziel dieses Zusammenschlusses
war es, neue Kräfte für die Seelsorge in den Städten zu
gewinnen. Die wohl größte der zusammengeschlossenen
Gruppen, die Wilhelmiten, trennten sich bald wieder und
bewahrten ihre Selbständigkeit. Ihre deutschen Klöster blieben
aber bis auf drei bei dem Orden der Augustiner-Eremiten
; zu diesen ehemaligen Wilhelmitenklöstern gehörten
u. a. die in Tübingen, Seemannshausen, Schönthal, Mindel-
heim, wohl auch Stargard und Osnabrück. Es ist erstaunlich,
wie viele Klöster der Eremiten schon aus der Zeit vor der
Großen Union stammen — darüber berichtet das zweite Kapitel
(37—94) —, so auch Alsfeld, Himmelpforten am Harz
und Wien, dazu eine große Zahl von Klöstern in Belgien
wie Löwen, Mecheln, Brügge, Maastricht.

Mit dem dritten Kapitel (95—238) beginnt eigentlich
erst die Geschichte der Augustiner-Eremiten in Deutschland.
Der neue Ordensgeneral teilte den Orden in vier Provinzen
, in die Italische, die Gallische, die Germanische und die
Spanische. Die ersten Provinziale waren in allen Provinzen
Italiener, in Deutschland fr. Guido di Stagia, der ursprünglich
den toskanischen Eremiten angehört hatte. 1265 wurde
er zum zweiten General des Ordens gewählt. Kurz nach der
Großen Union von 1256 wurde - anscheinend noch ohne
Mitwirkung des neuen Provinzials — das Kloster in Gotha
gegründet; es bewies eine überraschend große Lebenskraft;
denn von ihm aus wurde 1266 das Kloster in Erfurt gegründet
, 1278 in Eschwege, 1280 in Langensalza, 1286 in
Grimma, 1295 in Neustadt/Orla und um 1310 in Nordhausen
. Unter dem neuen Provinzial wurde um 1260 das Kloster
in Mainz, 1262 das in Würzburg und 1264 in Worms
gegründet. Diese rege Gründertätigkeit setzte der zweite
Provinzial fort, fr. Engelbert (1265—1276), der wohl aus
dem einstigen Wilhelmitenkloster Seemannshausen stammt,
in dem er auch begraben wurde. In seinem Provinzialat
wurden die Klöster in Speyer, Straßburg, Aachen, Nürnberg
, Erfurt und Regensburg gegründet, wo die Augustiner
wohl schon einige Jahre früher Fuß gefaßt hatten, ferner
die Klöster in Konstanz, Zürich, Basel, Köln u. a. m. Es ist
erstaunlich, wie schnell der junge Orden wuchs, zumal,
wenn man bedenkt, daß sich zur gleichen Zeit die Dominikaner
, Franziskaner und Karmeliter ausbreiteten. Dem
Orden drohte damals eine große Gefahr. Das vierte Laterankonzil
von 1215 hatte verboten, neue Orden zu gründen.
Das zweite Konzil von Lyon 1274 wollte diesen Beschluß
durchführen und alle inzwischen gegründeten Orden außer
den Dominikanern und Franziskanern auflösen. Diesem
Vorhaben wären auch die beiden neuen Orden der Augustiner
-Eremiten und der Karmeliter zum Opfer gefallen.
Das Konzil faßte tatsächlich diesen Beschluß. Hier rettete
der einstige Begründer des Ordens, der greise Kardina!
Richard Annibaldi, nochmals den Orden; auf seine Intervention
hin ließ das Konzil die beiden Orden der Augustiner
-Eremiten und der Karmeliter bestehen, während die
kleineren Bettelorden damals tatsächlich aufgelöst wurden.
Dritter Provinzial der deutschen Provinz dürfte Walthei
Raemaker gewesen sein. Schon bei fr. Engelbert sind dir
Daten nicht genau verbürgt; anscheinend starb er 1276.
Raemaker rinden wir zum ersten Mal in einer Urkunde
von 1280 beglaubigt, 1288 soll er gestorben sein. Wir erwähnen
wieder nur einige wichtige Klosterneugründungen
seines Provinzialats, so Heidelberg, St. Thomas in Prag,
Taus, Münnerstadt, Eschwege, Langensalza, Lippstadt, Magdeburg
, Esslingen, Grimma, Herford.

Sein Nachfolger war Heinrich von Friemar, der woh!
bedeutendste deutsche Augustiner des 13. und angehenden
14. Jahrhunderts, über dessen theologisches Wirken wir die
gute Monographie von C. Stroick (Freiburg 1954) besitzen.
In seinem Provinzialat, das sich wohl von 1290—1299 eistreckt
, setzt sich die Reihe der Klosterneugründungcn un-