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Ausgabe:

1970

Spalte:

53-55

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Luther, Martin

Titel/Untertitel:

Luther deutsch 1970

Rezensent:

Delius, Hans-Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 1

dieses Repräsentanten der reformierten Frühorthodoxie, wobei
die Darstellung beachtlicher ist als die Würdigung. Neben
Staehelin verwertet Faulenbach vor allem das 1914 veröffentlichte
Werk von Paul Althaus: „Die Prinzipienlehre der deutschen
reformierten Dogmatik im Zeitalter der aristotelischen
Scholastik", dessen Ergebnissen er sich weitgehend anschließt.
Der Stoff wird übersichtlich und Polans Denkstrukturen entsprechend
gegliedert: I. Die Bedeutung der Logik für die Theologie
. - II. Die Theologie als Wissenschaft. A. Die Grundlegung
der Theologie. B. Der Grund der Theologie. - III. Übersicht über
Polans Dogmatik und Ethik. A. Glaubenslehre. B. Der tätige
Glaube. - IV. Orthodoxie - gewandeltes theologisches Denken.
Besonders wertvoll ist die sorgfältig zusammengetragene Polan-
Bibliographie. Von seiner Basler Vorlesungstätigkeit sind eine
Reihe von Kommentaren zum Alten Testament erhalten, ebenso
die Ausgabe einer Lutherbibel mit reformierten Anmerkungen.
Sein Hauptwerk ist aber das „Syntagma theologiae Christianae"
(1609/10), das bis 1655 fünf Auflagen erlebt hat und in zwei
Quartbänden von fast4500 Spalten ein ganzes theologisches Lehrgebäude
enthält. In der Weise des Petrus Ramus teilt Polan die
Theologie in zwei Hauptgebiete ein: „de fide" und „de bonis
operibus", und als Vorläufer der Foederaltheologie unterscheidet
er in der Bibel das „foedus operum" und das „foedus gratiae".

Theologisch ist Polan vor allem Calvin verpflichtet. Er entfernt
sich jedoch von ihm an entscheidenden Stellen. „Die Ablösung
der Gotteslehre von der Offenbarung in Christus und die
Entwicklung aller theologischen Lehre aus dem Gottesbegriff
erscheint als markanteste Trennung zwischen Calvin und Polan
" (S.315). Zu Polans theologischen Gewährsmännern gehören
Beza, Grynäus, Junius, Ursinus, Whitaker, Zanchius und andere.
Aber er ist trotz mannigfacher Abhängigkeiten, besonders in der
sauberen methodischen Durchgestaltung und logischen Strukturierung
des Stoffes, doch eigenständig. Der Abstand von der
Reformation tritt deutlich in Erscheinung, vor allem in der
logischen Grundlegung des Glaubens, der völlig von der Erkenntnis
abhängig wird. Als erster unter den reformierten Theologen
ersetzt Polau die „Loci-Methode" wieder durch eine
scholastisch anmutende und auf Aristoteles fußende Summa,
welche die von der Reformation neu gewonnenen Erkenntnisse
zur Lehre objektiviert. Im Unterschied zu den Reformatoren
weiß Polan nicht mehr, daß Gott für die menschliche Vernunft
auch nicht erkennbar bleiben kann. Glaube wird erneut zur
blinden Hinnahme theologischer Autorität. Faulenbach moniert
an Polans Schriftlehre, „daß sie eine Eigengesetzlichkeit gewinnt
und daß sie dem Glauben gegenübersteht oder ihm vorgeordnet
ist" (S.133). Die Weite und Fülle reformatorischen
Glaubens wird nicht mehr erreicht.

Für Polan stehen die Prinzipien der Logik unverrückbar fest;
sie bringen Ordnung und Methode in die zu bearbeitende theologische
Materie. Das schafft aber auch öfters ermüdende Breite
und peinliche Unbeholfenheit, etwa in der Auseinandersetzung
mit Bellarmin seinem größten katholischen Gegner, der ihm
weitgehend die Gesetze der konfessionellen Auseinandersetzung
aufzwingt und deshalb auch überlegen ist, besonders in der Lehre
von Schrift und Tradition.

An Polan wird ferner bemängelt, seine Wissenschaftskonzeption
harmonisiere „in verhängnisvoller Weise die Unterschiede
der Erkenntnis aus Vernunft und Offenbarung" (S.326). Seine
Gottes- und Dekretenlehre dürfe nicht zum Ausgangspunkt der
christlichen Lehre gemacht werden, man müsse vielmehr von der
Offenbarung in Christus ausgehen. Heute stünden wir vor der
gleichen Aufgabe wie Polan: die verlorene Einheit von Vernunft
und Glauben, Naturwissenschaft und Theologie wieder zu finden
. Doch kann uns hier weder Polan noch irgendein Orthodoxer
weiterführen.

Horn Kurt Gugglsberg

Luther deutsch. Die Werke Martin Luthers in neuer Auswahl
für die Gegenwart hrsg. v. K.Aland. Bd. 1: Die Anfänge. Stuttgart
: Klotz; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1969.
472 S. 8°. Lw. DM 33,-.

Nach langer Zeit ist nun endlich auch Band 1 des „Luther

Deutsch", wie diese Auswahlreihe allgemein genannt wird, erschienen
. Damit kommt sie nach 21 Jahren endlich zum Abschluß
, nachdem 1948 mit Band 9 (Tischreden) der erste Band
vorgelegt worden war. Während von fast allen Bänden schon die
zweite, teilweise die dritte Auflage erscheint, hat dieser erste
Band dem Herausgeber offenbar erhebliche Schwierigkeit bereitet
. Sie lag schon in der Frage der Auswahl der Stücke begründet
, bei denen es für die frühen Vorlesungen zwar keine
Probleme gab, dafür aber umso mehr bei den Schriften des Jahres
1518. Nicht nur die Forschung, auch die Gemeinde, für die
diese Auswahlausgabe in erster Linie bestimmt ist, interessiert
sich in zunehmenden Maße für die Anfänge Luthers, für die In-
itia Lutheri. Auch der Herausgeber hat sich hier in die Diskussion
eingeschaltet und vertritt im Gegensatz zur herkömmlichen Auffassung
die Spätdatierung der reformatorischen Erkenntnis
Luthers, des sogenannten ,Turmerlebnisses' in das Jahr 1518.

Aus dieser These, die Aland hier wieder aufgreift, erklärt sich
sein erhöhtes Interesse an den Schriften des Jahres 1518. An
ihnen, vor allem an der ,Disputation zur Erforschung der Wahrheit
und zum Trost der erschrockenen Gewissen', versucht A.
seine Auffassung immer wieder zu untermauern wie auch in aller
Ausführlichkeit an der Römerbriefvorlesung und an der Galater-
vorlesung. Besonders der Römerbrief, das umfangreichste Stück
dieses Bandes, kann hier mit zahlreichen Anmerkungen aufwarten
.

Es erhebt sich bei der Lektüre des Bandes die Frage, ob es auf
Grund der Zielstellung der ganzen Reihe richtig ist, eine solche
These zum jungen Luther in dieser Ausführlichkeit und leider
auch in dieser Einseitigkeit darzubieten. Dem Leser wird, da
man eine Kenntnis der Gegenargumente zu Alands These kaum
voraussetzen darf, ein völlig einseitiges Bild des reformatorischen
Durchbruches gezeichnet, gegen das er sich auf Grund des gebotenen
Materials nicht wehren kann. Nun ist aber diese seinerzeit
von Bizer in die Debatte gebrachte These keineswegs ausdiskutiert
. Alles ist noch im Gespräch und es fehlt nicht an Widerspruch
. Auch wenn der Herausgeber von der Richtigkeit seiner
Auffassung überzeugt ist, wäre doch ein kurzes Skizzieren der
anderen, gegnerischen Ansichten für den Benutzer von Vorteil
gewesen.

Im Interesse der Zeitlosigkeit einer solchen Auswahlausgabe
wäre es von vornherein besser gewesen, solche Fragen überhaupt
auszuklammern, zumal darüber andere, die Forschung nicht
minder beschäftigende Fragen der Frühzeit völlig vernachlässigt
werden. So vermißt man - etwa S.430 zu 28 ff. - einen Hinweis
auf die vornehmlich katholische Forschung der letzten Jahre,
die nicht mehr den Häretiker, sondern den katholischen Luther
herausstellt, der sich in seiner Frühzeit - überspitzt ausgedrückt -
gar nicht so sehr von der Linie der katholischen Kirche entfernt
hat.

Sehr richtig geht der Herausgeber mit denen ins Gericht
(S.435), die Luther allein von seinen Frühaussagen beurteilen
wollen, ohne dabei zu berücksichtigen, ob diese Aussagen auch in
späteren Jahren noch ihre Gültigkeit haben. Es „sollte keine
theologische Untersuchung zu Luther geben, die von der Chronologie
absieht, alle seine Äußerungen auf die gleiche Ebene aufträgt
und sie systematisierend als Einheit behandelt" (ebd.). Aus
diesem Grunde empfiehlt der Herausgeber eine zusammenhängende
Lektüre aller Frühvorlesungen hintereinander, da nur so
der rechte Eindruck von der theologischen Entwicklung des Reformators
entstehen kann (S.454). Aus diesem Grunde stellt
der Band erhöhte Anforderungen an den Leser. Er enthält neben
den frühen Vorlesungen auch die frühen Disputationen und eine
spezifische Auswahl aus dem Jahre 1518. Die Schriften über den
Thesenstreit befinden sich bereits im Band 2, „Der Reformator".
Eingeleitet wird unser Band mit Luthers Vorrede zum ersten
Band seiner deutschen Schriften von 1539, in der Luther eine Anleitung
zum Lesen seiner Schriften gibt. Damit eröffnet diese
späte Vorrede zu Recht die gesamte Reihe der Auswahlausgabe.
Abgeschlossen wird sie mit einem kurzen Kapitel aus der zweiten
Psalmenvorlesung.

Es muß dem Herausgeber bescheinigt werden, daß es ihm
wirklich gelungen ist, aus den langen Vorlesungen Luthers die
entscheidenden Partien herauszufinden und in ein gut lesbares
und dem heutigen Menschen verständliches Deutsch zu brin-