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Ausgabe:

1970

Spalte:

754-755

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Amphilochius Cappadox, Amphilochii Iconiensis Iambi ad Seleucum 1971

Rezensent:

Berthold, Heinz

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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Geist-Seele-Leib: der ganze Mensch ist sündhaft, wie auch
die Sündhaftigkeit empirische Tatsache ist, so daß der „Sündenfall
" nicht weiter durchdacht wird. Ebenso hat Athanasius
offenbar keine klare Vorstellung davon, ob Christus
eine menschliche Seele gehabt hat. Für sein praktisches Interesse
zeugt besonders die Einordnung des Mönchtums in
die Kirche, einer der wichtigsten Punkte der VA.

Hat sich im theologischen Denken des Athanasius eine
Entwicklung vollzogen? Harnack verneinte die Frage, van
Haarlem (1961) sieht eine Wandlung vom philosophischen
zum biblischen Denken. R. präzisiert: keine lineare Entwicklung
, aber eine quasi kreisförmige, je nach Thema und
Anlafj. Immer steht die Christologie im Zentrum, andere
Themen sind damit verknüpft. Von daher liegt der Wert
der chronologischen Gliederung vor allem darin, dafj sie
sich weitgehend mit einer sachlichen deckt.

An eine mittlere Linie hält sich R. auch bei der Bewertung
der VA. Er erkennt die Benutzung einer Pythago-
ras-Vita an, lehnt aber die weitgehenden Folgerungen Reit-
zensteins ab und betont mit Dörries1 die Eigenständigkeit
des Athanasius. Freilich ist es manchmal nicht leicht, die
mittlere Linie zu halten. Wenn Athanasius den ehelosen
Asketen mit dem Acker vergleicht, der 100-fältige Frucht
bringt, während der verheiratete Christ dem 60-fachen Ertrag
entspricht, so kann man die geringere Schätzung der
Ehe nicht damit widerlegen, daß 60 doch auch schon eine
schöne Menge ist. Die Formulierung S. 344 „l'ascete est le
chretien - relativement plus — parfait" spiegelt mit der
leicht paradoxen Parenthese das Dilemma. Es bleibt dabei,
dafj für Athanasius der Asket der ideale Christ ist.

Diese Frage gehört nicht zu den 7 Punkten, in denen
R. (S. 372 f.) zusammenfaßt, was Athanasius nach seiner
Meinung zum gegenwärtigen ökumenischen Dialog beizutragen
hat. Seine Fragen mögen den heutigen verwandt
sein. Seine Antworten müssen doch wohl eher als Denkanstöße
verstanden werden, um heutige Antworten zu finden
. Veständnis darf heute am ehesten Athanasius' Haltung
erwarten, die vor allem der Praxis dient und die Theorie
an ihr mißt, seine Wendung zum Konkreten und zur Aktivität
.

Die Liste der „Livres consultes" (S. 402—408) bietet u.
a. zahlreiche holländisch geschriebene Bücher (und Aufsätze
), deren Ergebnisse so einem weiteren Leserkreis zugänglich
werden. Nützlich sind die abschließenden Register,
aus denen auf einen Blick hervorgeht, welche Athanasius-
Schriften am meisten hergaben, welche Bibelbücher im Vordergrund
stehen und welche modernen Autoren am förderlichsten
waren-.

Berlin Kurt Treu

1 H. Dörries, Die Vita Antonii als Geschichtsquelle, Nachr. Akad.
Gött. 1949, 359-410. — Für R. steht das literarische Antoniusbild des Ath.
im Vordergrund. Für die historischen Grundlagen ist der archäologische
Befund zu beachten. So haben die Grabungen des französischen Orientinstitutes
in der oberägyptischen Wüste bei Esna 1967 eine Kolonie
von Einsiedeleien des 6. Jahrhunderts freigelegt, die als geradezu luxuriös
zu bezeichnen sind. Die unterirdischen Anlagen haben einen
offenen Hof, Schlaf- und Wohnraum, Kapelle (ausgemalt), Küche, Vorratsraum
, Backofen, reichlich Wasserkrüge und verschiedenes Geschirr.
Der Ausgräber Serge Sauneron stellt mit Recht den Kontrast zu den
literarischen Berichten heraus (BIFAO 67, 1969, 103-110, Taf. 29-37,
Fig. 3—4). Da sich in der Nähe auch ganz schlichte Formen gleicher
Zeit finden, hat es offenbar eine rigorosere und eine mildere Form der
Askese nebeneinander gegeben. Es genügt also nicht, nur zwischen
Koinobiten und Eremiten zu scheiden. Offen ist vorerst, ob die Differenzierung
des Eremitentums schon ursprünglich oder erst eine spätere
Entwicklung ist. Jedenfalls erinnert uns der Fund daran, daß die literarischen
Quellen stilisiert sind.

- Einige mehr technische Schönheitsfehler: die Trennung der Bibliographie
in A (zu Ath.) und B (allg.) zerreißt z. B. die PRE-Artikel
von Loofs s. v. „Athanasius" und „Arianismus". Anderseits sind antike
Quellen und moderne Sekundärliteratur sowohl unter B wie im Autorenregister
vermischt, wo Scheidung übersichtlicher wäre. Einige der
„konsultierten Bücher" sind It. Namenregister nirgends verwendet. Umgekehrt
führt das Namenregister darauf, daß ein Zettel für den Sammelband
„Antonius Magnus Eremita 356—1956" beim Registermachen
verloren gegangen sein muß. Es fehlen daraus die Aufsätze von Bettencourt
(zit. S. 3461), v. Hertlinrj (393'), Garitte (393'), Marx (302-)
und Mohrmann (394-). An keiner dieser Stellen wird deutlich, daß man
die vollen Angaben für den Sammelband unter „Steidle" suchen muß,
und daß dieser nicht Verfasser, sondern Herausgeber ist, erfährt man

wiederum beiläufig S. 292*. Auch sonst gibt es Differenzen in den
bibliographischen Angaben zum Text und in der Bibliographie, so zu
Casey S. 400:i und 402, Kannengießer S. 3741 und 403. Wekenborg ist
im Text richtig geschrieben, S. 404 und 408 wird aus IJ ein Y. Der
Aufsatz von W. Eltester, NTS 1957, wird S. 86- voll zitiert, S. 405 nur
mit der Sigle NTS, die in der Liste S. VII fehlt. Altaners Patrologie
sollte man nicht mehr nach der 4. Aufl. von 1955 zitieren, seit die
7. Aufl. in der Neubearbeitung von Stuiber 1966 vorliegt. Wenn der
Druckerei das ß fehlt, sähe ss besser aus als sz („gewisz"). Und warum
erfährt man das Faktum „These" nur aus der Liste der bisherigen Bände
der Reihe auf dem Schutzumschlag? Das Buch braucht sich als
Dissertation nicht zu schämen.

Oberg, Eberhard [Ed.]: Amphilochii Iconiensis Iambi ad
Seleucum. Berlin: de Gruyter 1969. VIII, 105 S. gr. 8° =
Patristische Texte und Studien. Im Auftrag d. Patristischen
Kommission der Akademien d. Wissenschaften zu
Göttingen, Heidelberg, München u. d. Akademie d. Wissenschaften
u. d. Literatur zu Mainz hrsg. v. K. Aland u.
W. Schneemelcher, 9. Lw. DM 28.—.

Die „Patristischen Texte und Studien" (PTS) bieten —
nach 9 erschienenen Bänden — ein wohlgerundetes Bild.
Kleinere, auf Interpretation wichtiger Texte gerichtete Studien
wechseln mit Textausgaben, die für Kirchen-, Profan-,
Sprach- und Kulturgeschichte bedeutsam sind. Dabei sind
größere Unternehmungen, wie der Göttinger Sektor der
Makarios-Schriften1 und die Schriften des Johannes von
Damaskos ebenso vertreten wie kleinere, bildabrundende
Editionen. Band 9 ist einem verhältnismäßig kleinen Opus
- 333 (340) iambischen Trimetern — gewidmet. Zwei Dinge
scheinen mir für diese „kleine" Edition bedeutsam: 1. die
genutzte Chance, einen wenig umfangreichen Text allseitig
zu erhellen; 2. die für die PTS im ganzen fruchtbare Zusammenarbeit
von Theologen und Philologen. Der Vf. der
vorzustellenden Ausgabe ist klassischer Philologe, der von
W. Schneemelcher, J. Herter und H. M. Wehrhahn zu dieser
Arbeit ermuntert wurde, die als Bonner philosophische Dissertation
1966 angenommen wurde. Die hier im Druck vorliegende
Fassung wurde nur leicht überarbeitet.

Amphilochius von Iconium, d. i. der Metropole Lycao-
niens (der Nachbarprovinz Kappadokiens), deren umsichtiger
Bischof er seit 373 war, ist mit vollem Recht — neben
Basilius d. Gr. und den beiden Gregoren (Gregor von Na-
zianz war sein Vetter) — als der vierte große Kappadokier
der Alten Kirchengeschichte bezeichnet worden. Seine Bedeutung
für Zeitgenossen und Nachfolgegenerationen kann
kaum überschätzt werden und ist wohldokumentiert (z. B.
in Werken und Briefen des Basilius und Gregors v. Nazi-
anz); in der Folgezeit ist er jedoch in den Hintergrund
getreten. Nur wenige seiner Schriften sind erhalten; der
größte Teil ist verlorengegangen. Bedauerlich — unsere
Möglichkeiten, den bedeutenden Trinitätstheologen und
Ketzerbestreiter (bes. Messalianer; Synode von Side 390)
zu würdigen, sind dadurch sehr eingeengt.

Eine Spezialausgabe der Iambi ad Seleucum, der einzigen
Versarbeit des Amphilochius, tritt zu den neuerlichen
Bemühungen um die poetischen Opera des Gregor von Na-
zianz (H. M. Werhahn). Das Interesse an den Iambcn hat
zwei natürliche Schwerpunkte: 1. die versus canonici (vs.
251—319), eine für die Geschichte des Kanons wichtige Zusammenstellung
der biblischen Schriften (die auch gesondert
überliefert wurden) und 2. den Bildungshorizont der
ethischen Paränese ihres Verfassers, der Schüler des Liba-
nios in Antiochia und — vor seiner verantwortlich ausge-

1 Zu PTS 4 — Die 50 geistlichen Homilien des Mokarios (Sammlung
II (H) werden sich durch Arbeiten der Göttinger Arbeitsstelle der
„Große Brief" und die „Kleinen Macariana" zugesellen. H.-D. Altendorf
(ThLZ 94, 1969 Sp. 354) hat sicher recht, wenn er meint, „es wäre
sinnvoll gewesen, mit der Edition von B (— Sammlung I) den Anfang
zu machen: die fünfzig Homilien hätten zuletzt herausgegeben werden
können" — nur war er nicht informiert über die Arbeitsabsprachen, die
die Edition der wichtigsten Sammlung I (B) für die Griechischen Christlichen
Schriftsteller bestimmten. Diese Edition — in den Händen des
Rez. — war zur Zeit des Erscheinens von ThLZ 94 Heft 5 schon im Manuskript
abgeschlossen. Das Erscheinen des GCS-Bandes wird 1972
möglich sein.