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Ausgabe:

1970

Spalte:

752-753

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Ronaldus, J.

Titel/Untertitel:

Le Christ et L'Homme dans la Théologie d'Athanase d'Alexandrie. 1971

Rezensent:

Treu, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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scher und gedanklicher Querverbindungen zu anderen
Schriften, vor allem zu de Providentia und de opificio
mundi verteidigt, seine Besonderheit durch Einordnung in
die früheste Schaffensperiode des Autors zu erklären gesucht
'. Hans Leisegang, der gleichfalls für die Authentizität
eintrat, sah hingegen in ihm ein der Schuldiskussion
entstammendes Werk der Reifezeit4.

Der Mitherausgeber R. Arnaldez, der die Betreuung
dieses Bandes selbst übernommen hat, stellt sich in seiner
Einleitung (S. 12—37) ganz auf die Seite Cumonts und ergänzt
die von diesem vorgelegte Liste der Termini, die das
Werk mit anderen philonischen Schriften gemeinsam hat
um eine Reihe wichtiger Begriffe und Wendungen (S. 31 ff.).
Im Blick auf die seit Bernays"' behauptete Beziehung des
Exordiums unserer Schrift zur Anrufung der Götter in Piatons
Tim. 27C—28B wird hier das Unterschiedliche betont
(S. 38 ff.). Die Analysen im einführenden Teil und die Anmerkungen
sind gut aufeinander abgestimmt wie die Ausführungen
über den zyklischen Rhytmus von Siaxöa/itjaie
und ixnvQtaait und die Erläuterungen zu den Begriffen
avyyyoiq, fii£ts und xoäoiq zeigen. Über den unmittelbaren
Anlaß hinaus ist der Hinweis bedeutsam, dafi die Bezeichnung
der Gottheit als Vater bei Philo einen immanentisti-
schen Sinn hat (S. 44).

Weniger problematisch ist die Einordnung der im polemischen
Teil der Schrift erörterten Thesen. Folgende kos-
mologische Doktrinen werden in diesem Traktat diskutiert:
1. Die Welt ist in der Zeit hervorgebracht und vergänglich
(Atomisten, Stoiker). 2. Die Welt ist ungeschaffen, ewig und
unvergänglich (Aristoteles, daneben Okellos). 3. Der (unter
Einfluft des mittleren Piatonismus) unternommene Versuch,
den philosophischen Ansatz des Aristoteles festzuhalten und
zugleich der bei Hesiod und „Mose" vorliegenden Schöpfungsvorstellung
gerecht zu werden: jene enthält die rationale
Wahrheit, diese ist metaphorisch zu deuten.

Hier kann der Herausgeber nicht umhin, ein Urteil
von Leisegang" (und Colson) zu bestätigen: der Autor reproduziert
mit allem Nachdruck die zu widerlegenden Gedanken
, um dann seine Überredungskunst zugunsten seiner
eigenen (modifiziert aristotelischen) Auffassung aufzubieten
. Wichtig ist der Nachweis, welche Bedeutung die Vorstellung
eines Schöpfergottes in der Abgrenzung zur stoischen
Kosmologie hat und die Herausarbeitung des Zeitproblems
, das hier ganz im philonischen Geiste (im Sinne
von de opificio mundi) behandelt wird. Die im Unterschied
zu den schriftauslegenden Werken gelehrte, wenn auch
eklektische Eigenart des Traktates tritt im letzten Teil besonders
stark hervor, die Musterung der Argumente eines
Chrysipp und anderer Stoiker, der Peripatetiker Kritolaos
und Theophrast lösen einander ab. Stärker als es hier geschieht
, hat Bernays seinerzeit den kompilatorischen Charakter
des Abschnitts denunziert7, sein doxographischer
Wert ist unbestritten. Wie viele andere tritt auch der Herausgeber
dafür ein, dafi die Schrift unvollständig abbricht.

Nach der Lektüre des einführenden Teils und mehr
noch nach dem Studium der reichhaltigen, vor allem philosophiehistorisch
ausgerichteten Anmerkungen ist man geneigt
, der überzeugungskräftig entfalteten These des Herausgebers
zuzustimmen, dafi dieses Werk nicht nur auf
Philo selbst zurückgeht, sondern auch für seine geistesgeschichtliche
Einordnung und seine religiöse Gedankenwelt
von nicht geringer Bedeutung ist.

Halle/Saale Wolfgong Wiefel

• PW 39, 1941 Sp. 11-14.
■' a. a. O. S. 4-6.
o a. a. O. Sp. 13 f.
7 a. a. O. S. 36-38.

Roldanus, J. i Le Christ et l'Homme dans la Theologie d'
Athanase d'Alexandrie. Stüde de la conjonetion de sa con-
ception de l'Homme avec sa Christologie. Leiden: Brill
1968. X, 421 S. gr. 8° - Studies in the History of Christian
Thought, ed. by H. A. Oberman, IV. Lw. hfl. 58.—.
Athanasius war kein Schreibtischtheologe, sondern Seelsorger
und Polemiker. Seine Schriften dienen der Praxis.
An Theorie und Systematik liegt ihm wenig. So hat er auch
keine Anthropologie entwickelt. Sein Menschenbild ergibt
sich aus mehr oder weniger beiläufigen Äußerungen in
verschiedenen Werken aus allen Phasen seines Schaffens.
Dabei sieht er den Menschen stets in seiner Beziehung zu
dem menschgewordenen göttlichen Logos. Der „Mensch an
sich" ist für ihn keine Frage.

So kann auch die Dissertation des einstigen Assistenten
von G. Quispel/Utrecht, der heute an der theologischen
Schule von Ndunge in Kamerun lehrt, das Menschenbild des
Athanasius nur in enger Verbindung mit seiner Christologie
herausarbeiten. Diese dominiert auch bei Roldanus, obwohl
er sich bemüht, sich von den zahlreichen neueren Arbeiten
über die Gottebenbildlichkeit des Menschen in der Sicht
der alten Kirche abzugrenzen, und betont vom Menschen
ausgeht. Umwälzend neue Ergebnisse sind bei einem so viel
beachteten Autor wie Athanasius nicht zu erwarten. Aber
die gründlich, umsichtig und bedächtig voranschreitende
Untersuchung bringt doch eine ganze Menge an Nuancierungen
und Akzentsetzungen in steter Auseinandersetzung
mit der Literatur und mit reichlichen Quellenzitaten.

Wertvoll ist, dafi die Analyse dem historischen Entwicklungsgang
folgt. In drei grofien Kapiteln prüft sie die
Frühschriften, die antiarianischen (337—359) und die späteren
Werke. Außerhalb der chronologischen Gliederung
steht Kap. 4, in dem die asketischen Schriften zusammengefaßt
sind. Jedes Kap. führt einleitend die Quellen vor
und charakterisiert dabei ihren Aussagewert für das Thema.
Am gewichtigsten ist für die Frühzeit das apologetische
Doppelwerk „Gegen die Heiden" — „Über die Menschwerdung
" (CG—DI). Nicht ganz so ergiebig sind für die zentrale
Periode die 3 Bücher gegen die Arianer. Dagegen ist
das asketische Hauptwerk, „Das Leben des Antonius" (VA),
von höchster Bedeutung.

Ein Rcsume, das seinerseits schon 24 Seiten füllt, faftt
die Ergebnisse in aller Ausführlichkeit zusammen. Ihm folgt
als Anhang ein literarkritischer Bericht über die verwendeten
Quellen, der den philologischen Rez. besonders interessiert
. Es versteht sich, dafi bei der chronologischen
Anlage der Arbeit die zeitliche Einordnung der Schriften
grundlegend ist. So hat man CG—DI einerseits bis 318 hin-
aufdatiert und daraus quasi eine Seminararbeit des 23-jährigen
Athanasius gemacht. Andererseits hat Nordberg 1961
für die Spätdatierung bis 362 plädiert. R. folgt den Verfechtern
einer mittleren Lösung (bes. E. Schwartz), die das
Werk in die Zeit der Trierer Verbannung setzen (bis 337).
Die Beziehungen zu Eusebs Theophanie erklären sich dann
als bewufite Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten.
Die Gründe leuchten ein. Trotzdem bleibt ein unbehagliches
Gefühl: wie steht es um die Exaktheit einer Wissenschaft,
die nicht zwingend beweisen kann, ob ein Werk einem
Jüngling, einem reifen Manne oder einem Greise zuzuschreiben
ist?

Das Bild des Athanasius gewinnt an Relief durch die
verschiedentlich eingeschalteten Vergleiche, besonders mit
dem grofien Antipoden Origenes, aber auch mit dem viel
ähnlicheren Irenaus. Bei aller Sympathie für seinen Helden,
die R. offen erklärt, erkennt er doch das überlegene geistige
Format des Origenes durchaus an. Zugleich macht er die
Entwicklung von der Zeit des Pneumatikers zu der des
Hierarchen einsichtig.

So hat Athanasius im Unterschied zu Origenes kein
Interesse für die diffizilen Fragen des Verhältnisses von