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Ausgabe:

1970

Spalte:

740-741

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Plath, Siegfried

Titel/Untertitel:

Furcht Gottes 1970

Rezensent:

Koch, Klaus

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739 Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10 740

rungen verstehen, sondern das mythische Denken als Kennzeichen
einer sprachgeschichtlichen Gesamtepoche vor uns
steht; insofern wird man heute Geschichte und Mythus nicht
mehr so leicht trennen können, wie es 1927 noch möglich
war.

.Zur Auslegung des Alten Testaments"
(S. 48—61), 1937 veröffentlicht, stellt eindrucksvoll in Auseinandersetzung
mit E. Hirsch einerseits, Bonhoeffer und
Vischer andererseits heraus, daß für das Alte Testament nicht
das Gesetz die beherrschende Rolle im Glauben spielt, sondern
Bund und Geschichte. Bezeichnend für die Souveränität
Noths ist, dafj er auf die nationalsozialistische antisemitische
Propaganda gegen das Alte Testament kein einziges Wort
verschwendet. — Aus einer Festschrift für Schniewind 1943
stammt „Von der Knechtsgestalt des Alten
Testaments" (S. 62—70). Hier wird auf die zunehmend
der Forschung erkennbare Verflechtung Israels mit dem übrigen
Alten Testament hingewiesen, als ein Zeichen für das
„Wunder der Selbsterniedrigung Gottes in seiner Offenbarung
" (S. 70 f.).

Aus dem Sonderheft der Evangelischen Theologie 1952/3,
das der hermeneutischen Grundlegung des Neukirchner Biblischen
Kommentars — Altes Testament dienen sollte, den
Noth später jahrelang herausgab, wird abgedruckt „Die
V e r g e g e n w ä r t i g u n g des Alten Testaments
in der Verkündigung" (S. 86—98). Noth weist nachdrücklich
auf die Verlegenheit hin, welche die Bibel der systematischen
Theologie bereitet. Einerseits zeugt die Bibel
von einer in der Geschichte und nur dort geschehenen Offenbarung
Gottes und doch ist andererseits Gott als Gott an Ort
und Zeit nicht gebunden! Die kultische Vergegenwärtigung
geschichtlicher Ereignisse im alten Israel bietet nach Noth
den Schlüssel zum christlichen Gebrauch der Bibel heute.
Nicht auf die vorgeblich gleiche Situation menschlicher Existenz
damals wie heute sollte der Theologe schauen: „Eine
gleiche .Gelegenheit' kommt nicht wieder" (97). Verkündigung
heißt vielmehr erzählen, heißt ein Büschel von Nachrichten
über die Heilstaten Gottes weitergeben. Was freilich
„Heil" in diesem Zusammenhang besagt, wird leider nicht
mehr expliziert. — Nach dieser Veröffentlichung von 1952
hat Noth zur alttestamentlichen Theologie und Hermeneutik
nichts mehr veröffentlicht. Der Beitrag „Tendenzen
theologischer Forschung in Deutschland"
(S. 113—132) ist ein 1963 in Amerika gehaltener Gelegenheitsvortrag
, bei dem man sich darüber streiten mag, ob
die Aufnahme in den Sammelband lohnend war. Immerhin
legt er Zeugnis ab für die intensive Beschäftigung des Verfassers
mit allgemeinen theologischen Arbeiten, besonders
seiner Bonner Fakultätskollegen.

Die hermeneutisch-theologischen Beiträge sind insofern
aufschlußreich, als sie dokumentieren, daß Martin Noth keineswegs
jener historische Positivist war, als der er oft angesehen
wird, vor allem in Amerika. Vielmehr hat er von
seiner Antrittsvorlesung an bis in den zweiten Weltkrieg
hinein immer wieder sein Wort erhoben, um nachdrücklich
und überzeugend herauszustellen, dafj das Zentrum des Alten
Testaments gerade nicht das Gesetz sei, wie es die abendländische
Tradition und nicht zuletzt das Luthertum gemeint
hatte, sondern die göttliche Offenbarung in der
Geschichte. Es ist bemerkenswert, dafj es um diese
Thematik seit 1945 in den Veröffentlichungen Noths still
wird. In den Kommentaren innerhalb des ATD zum 2.-4.
Buch Mose (1959—1964) verlautet von der Thematik kein
Wort mehr, obwohl man denken sollte, daß gerade die Aussagen
der Pentateuchbücher dazu reizen. Daraus folgt gewiß
nicht, daß Noth seine Auffassung grundsätzlich geändert
hat. Zeigt sich darin vielleicht eine gewisse Resignation,
ein Rückzug von theologischen Satzaussagen auf den sicherer
erscheinenden Boden überlieferungsgeschichtlicher und
historischer Fakten? Wenn dem so ist, dürfte Noths Weg
charakteristisch sein für einen nicht nur bei ihm, sondern in

der gesamten alttestamentlichen Wissenschaft seit 1945 immer
deutlicher hervortretenden Trend.

Hamburg Klaus Koch

Plath, Siegfried: Furcht Gottes. Der Begriff NT1 im Alten
Testament. Berlin: Evang. Verlagsanstalt u. Stuttgart:
Calwer Verlag (1963). 143 S. gr. 8°.

Die vorliegende Arbeit ist die überarbeitete Fassung
einer Greifswalder Dissertation, die A. Jepsen angeregt
hatte. Sie bringt eine nützliche Zusammenstellung des alttestamentlichen
Materials, ohne allzu tief in die Fragen der
Bedeutung einzusteigen.

Als Ausgangsposition wird die gängige Weise begriffsgeschichtlicher
Studien auf dem hebraistischen Feld
abgelehnt, nämlich eine Beschäftigung zunächst mit dem
profanen, danach mit dem religiösen Gebrauch (9f). Statt
dessen wird nach dem Objekt der Furcht geschaut und deshalb
in Teil A Menschenfurcht, in Teil B Gottesfurcht untersucht
. Eine Begründung für diese Scheidung nach dem
„Objekt des Sichfürchtenden" (10) wird leider nicht gegeben
; sie nötigt dazu, die für die gesamte Bibel so belangreichen
„Fürchte-Dich-Nicht"-Stellen in einen Schlußteil zu
verweisen (113—122), da hier die Zweiteilung nicht reinlich
durchzuführen ist.

jr' als Ausdruck der Furcht oder Ehrfurcht vor Menschen
wird auf 20 Seiten dargestellt (11—31). Letzter, wenn
auch oft unausgesprochener Hintergrund, ist bei jr' die
Furcht vor dem Tod, die aber stets angesichts eines bestimmten
Gegenübers, nie als unbestimmte Urangst (Kierkegaardscher
Prägung) entsteht (28).

Der Furcht vor Gott sind 95 Seiten gewidmet (32—127).
Hier findet sich eine Fülle nützlicher Beobachtungen. Im
deuteronomistischen Gebrauch wird Gottesfurcht mit Gesetzeslernen
und -gehorsam verbunden, die Angstempfindungen
treten zurück (39,44). Auch im weisheitlichen
Schrifttum meint jr' keine psychische Haltung, sondern
eine bestimmte Prägung des äußeren Wandels, die nicht
mit dem Gesetz, auch nicht mit der Angst vor dem strengen
Vergelter (so meint es Fichtner) verbunden ist, sondern
aus „Ehrfurcht vor seiner (Gottes) unantastbarer Autorität"
entspringt (68).

Der Gebrauch in den Psalmen wird eingehend untersucht
. Dort wird Furcht hervorgerufen durch Gottes Schöp-
fungs- wie durch seine Gerichtstaten an Israeliten wie Heiden
, jr' schließt in sich die „Nötigung zur inneren Selbstaufgabe
und Unterwerfung unter den Infurchtsetzenden
mit dem Ziel einer früher oder später erfolgenden Anbetung
" (90). Die „Jahvefürchtigen" sind nicht eine besondere
soziale Gruppe, auch nicht die Proselyten, sondern
die hierarchisch gegliederte Kultgemeinde (100—102).

Eine Zusammenfassung (122-127) versucht, die zentrale
Stellung" von jr" in der israelitisch-jüdischen Frömmigkeitsgeschichte
nachzuweisen. P. behauptet, daß „nebi-
istische Erzählungen" den Begriff „zuerst inhaltlich und
formal" fest geprägt haben (124). Die deuteronomistische
Literatur läßt die jr'-Haltung aus der geschichtlichen Erfahrung
erwachsen, für welche nicht mehr die unmittelbare
Gottesbegegnung, sondern das Gesetz zur Norm wird; Je-
saja und Jeremia haben gegen eine solche Entwicklung
protestiert, aber ohne Erfolg (124 f). In anderer Weise ist
der nebiistische Begriff von der Weisheitsliteratur seines
subjektiven Charakters entkleidet und zum Ausdruck für
den Wandel desjenigen Menschen geworden, der sich der
„absoluten Autorität des Schöpfergottes" unterwirft. In den
Psalmen dagegen wird die „Gefühlsqualität" festgehalten
und betont.

Der Vorzug der Plathschen Arbeit liegt in der nüchternen
Darbietung eines Materials, das in der Frömmigkeitsgeschichte
unseres Raumes vor einem halben Jahrhundert