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Ausgabe:

1970

Spalte:

734-736

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Lambert, Wilfred G.

Titel/Untertitel:

Atra-Hasis 1970

Rezensent:

Oelsner, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 10

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wichtigsten Götterfeste; hier ist der lexikographische Charakter
noch ausgesprochener. Da in den meisten Fällen nur
Literatur zitiert wird, ist eine Auseinandersetzung nicht
möglich, da sie mit der Primärliteratur erfolgen müßte. (Zu
S. 105: in Pergamon gibt es ein Fest der Hestia Boulaia).
Der dritte Teil berichtet viel zu summarisch, oft nur auf
wenigen Zeilen, über so verschiedene Dinge wie Tyche, Heroen
, Herrscherkult, Zauber und Totenverehrung. In dem
Abschnitt über den Kult kommen wenigstens einige — freilich
meist die negativen — Stimmen der Antike zu Wort. Geradezu
oberflächlich sind die Kapitel über Tabu, in denen
alles schwimmt; sehr willkürlich und ohne jede Rücksicht
auf die Chronologie sind die ausgewählten Beispiele für griechische
Gebete. Die unkritische Art, in der Dichtung und Gebet
durcheinander geworfen werden (etwa S. 157, um nur
ein Beispiel anzuführen) kann nur Verwirrung stiften. Ausführlich
und gut sind dagegen die Isishymnen behandelt,
nachzutragen sind jedoch noch die bedeutenden Ergebnisse
von Jan Bergman.

Ein neuer Hauptteil referiert über die Religion bei den
literarischen und philosophischen Autoren beginnend mit
Homer. Wieder ist alles sehr kurz, einige eingestreute apodiktische
Urteile überraschen („D'Homere ä Hesiode, l'ideal
a monte!). Nützlich können diese Abschnitte als ein Kompendium
für höhere Schüler und Studenten sein, ihr informatorischer
Wert ist ausgezeichnet. Zu beklagen ist jedoch
wieder der Verzicht auf Kritik; dankbar begrüßt man die
völlige Zurückhaltung in dem Gewirr orphisch-pythagore-
ischer Hypothesen, doch bei den Goldplättchen vermißt man
ein Eingehen auf das wichtige von Picard zuerst erfaßte
Problem ihres Missionscharakters. Weniger glücklich sind
wieder die Abschnitte über die Mysterien; hier liegt alles
auf einer Ebene bunt durcheinander, man vermißt eine kritische
Sonderung. Prümm ist doch nun wirklich nicht die
letzte Autorität über Eleusis! Warum ist bei den Wirkungen
Cicero nicht genannt? Von den Tragikern kommen Aischylos
und Sophokles zu ihrem Recht, nicht dagegen Euripides. Auf
knapp drei Seiten kann man freilich auch das Einmalige und
für alle Zukunft Wegweisende seiner Erscheinung nicht einmal
skizzieren, geschweige denn erfassen. Geschickt und
glücklich sind die Auszüge aus den Philosophen, hier ist alles
Wesentliche zur Religiosität ohne Beiwerk zusammengefaßt
. Bei der Behandlung religiöser Einzelbegriffe wird einiges
konventionell gewordene Fehlerhafte richtig gestellt;
auf den Seiten 289 f. hätte man noch stärker auf Hybris hinweisen
müssen. Gut ist die Sicht des Neuplatonismus von
den lateinischen christlichen Kirchenvätern her skizziert, leider
fehlt ein näheres Eingehen auf Theilers Forschungen zur
Geschichte des Neuplatonismus. Die letzten Abschnitte leiten
— allerdings sehr kurz — zum Christentum über; selbstverständlich
überschreitet der Vf. die katholisch-orthodoxe
Grenze nirgends, ist aber offen genug für die Probleme.
Schön ist das Kapitel über die Ekstase, für die der Vf. ein
heute selten gewordenes Verständnis hat; weniger befriedigend
der Versuch, eine mehr oder weniger einheitliche religiöse
Mentalität des ersten Jahrhunderts zu konstruieren,
wobei die Aussagen der Areopagredc zur Grundlage genommen
werden. Das wirkliche Bild ist aber viel bunter, viel verwirrender
und viel weniger „theologisch". Zur Areopagrede
selbst müssen wir doch schließlich ehrlich zugestehen, daß
wir nicht weit über Norden hinausgekommen sind. Ihre Bedeutung
liegt darin, was sie wirklich war, eine Missionspredigt
für eine bestimmte Bildungsschicht, mehr wollte sie
nie sein.

Als Ganzes gesehen ist das Buch dank der großen Belesenheit
des Vf.s und nicht zuletzt dank der guten Indices
ein brauchbares religionsgeschichtliches Hilfsmittel. Etwas
anderes hat der Vf. mit ihm wohl auch nicht beabsichtigt;
daß er dabei nicht nur auf Fakten, sondern auch auf Probleme
hinweist, darf nicht unterschätzt werden.

Speyer/Rh. Carl Schneider

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Seit George Smith 1872 mit der damals sensationell
wirkenden Entdeckung einer keilschriftlichen Sintfluterzählung
an die Öffentlichkeit trat, besteht in der alttestament-
lichen Wissenschaft ein berechtigtes Interesse an den meso-
potamischen Epen und Mythen. Im Vordergrund stand dabei
vor allem das Weltschöpfungsepos und der Flutbericht aus
der 11. Tafel des Gilgamesch-Epos. Aber bereits G. Smith
konnte ein Fragment einer anderen Dichtung verwenden, in
deren Mittelpunkt ein Held mit Namen Atra-hasis, „der
überaus Weise", steht. Sie handelt, wie wir heute wissen,
von der Schöpfung und der frühen Geschichte der Menschheit
bis zur Flut, die ja in den Vorstellungen der alten Meso-
potamier eine beträchtliche Rolle spielte. Nachdem im Laufe
der Jahre immer wieder einmal Stücke, die zu dieser Dichtung
gehören, veröffentlicht wurden, haben die „Cuneiform
Texts from Babylonian Tablets in the British Museum, Part
46 (London 1965)" einen beträchtlichen Zuwachs an Texten