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1970

Kategorie:

Praktische Theologie

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

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REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Langer, Jens: Paul Tillichs Gotteslehre im Rahmen seiner
Symboltheorie, Diss. Rostock 1969, III, 204 S.

Die Dissertation unternimmt es, im Zusammenhang mit
Tillichs Symboltheorie einiges Material zu seiner Gotteslehre
darzustellen.

L Der Ausgangspunkt. Es wird davon ausgegangen, daß
T.s Gotteslehre in ihrer symboltheoretischen Fundierung
die Absage an den „Geist der bürgerlichen Gesellschaft"
voraussetzt. Dadurch wird der Blick von der Gebundenheit
an die Oberfläche des Wirklichen frei für dessen Tiefe, zu
der auch die Dämonien eines Zeitalters gehören. Auf dem
Wege zur Symboltheorie wird die damit verbundene Bemühung
um eine angemessene Methode beschrieben, die
begrifflich unterschiedlich, sachlich aber weithin gleichbleibend
ihren Ausdruck findet. Dazu gehören die kritisch-
intuitive und die metalogische Methode, die als theologische
Wesensschau und die als theonome Metaphysik verstandene
Theologie Sowie die Forderung nach protestantischer Gestaltung
.

n. Die thematischen Symbolaufsätze (1928-1961). Die
Darstellung der Abhandlungen führt zu folgendem Ergebnis:
Begonnen hat T. seine symboltheoretischen Überlegungen
in Kampfgemeinschaft mit der dialektischen Theologie,
beendet hat er sie als Wortführer einer neuen Ontologie.
In jeweils unterschiedlicher Betonung hat T. zeitlebens beide
Positionen in sich zu vereinen gesucht. So fällt auch in der
Entfaltung seiner Symboltheorie wohl diese unterschiedliche
Betonung auf, nicht aber ein Bruch mit eigenen Stellungnahmen
. Stets ging es T. um die theologisch sinnvolle Rede
von Gott. Die Infragestellung durch das hereinbrechende
Eschaton tritt sogar gegenüber dem Ansatz von 1928 lediglich
gewandelt wieder in der Spätform der T.schen Theologie
auf, nämlich in der Rede vom „Gott über Gott",
freilich christologisch gebunden, wie es die beiden letzten
Symbolarbeiten durch die Betonung der Absolutheit des
Kreuzes vorbereiteten. Damit wird bereits zum nächsten
Hauptteil übergeleitet.

III. Die Anwendung der Symboltheorie auf dieDogmatik.
Zuerst wird einzelnen T.schen Wendungen nachgegangen:
„Sein-Selbst", dessen Problematik als einziger nichtsymbolischer
Setzung durch Bezug auf die Retractationes in
der „Systematischen Theologie" II und auf Scharlemanns
Anfragen zu erhellen versucht wird; „Grund und Abgrund",
die T. in Ablehnung eines einseitig maskulin geprägten
Protestantismus hinsichtlich des ihnen innewohnenden
Schöpferischen und Bewahrenden als Äquivalent zur römischkatholischen
Mariologie verstanden wissen möchte; „Gott
über Gott", welchem Terminus im weiteren Gang der
Untersuchungen über seine poimenisch-homiletische Verwendung
hinaus im Zusammenhang mit der Symboltheorie
sein christologischer Ursprung nachgewiesen werden kann.
Bei der Anwendung der Symboltheorie auf die überlieferte
Gotteslehre werden einige dadurch hervorgerufene Modifikationen
gezeigt.

IV. Kritik und Würdigung. Die römisch-katholische
Kritik (Maetze, Schmitz u. a.) läßt sich in dem Vorwurf des
Subjektivismus zusammenfassen. Sie unterschätzt die Bedeutung
der Unbedingtheit des Unbedingten sowie das Gewicht
der internationalen theologischen Diskussion als Korrektiv
für T.s Konzeption. Die Transsubjektivität der per viam
symbolicam beschriebenen Gotteslehre wird durch die Idee
des Menschen als Mikrokosmos klar, der als solcher dem
Makrokosmos entspricht und an ihm partizipiert. Gegenüber
der entfremdeten menschlichen Existenz stellt Jesus
Christus die im Kreuzesgeschehen historisch erhärtete vollkommene
mikrokosmische Entsprechung zu Gott dar. Am
Kreuz zeigt sich, daß der Vater Jesu Christi Gott über dem
Gott des Theismus ist. Die christozentrische Kritik (Barth,
Rosenthal, McKelway u. a.) unterschätzt diese christolo-
gische Prämisse der T.schen Gotteslehre. Die philosophische
Kritik (Emmet, Kaufmann, Weischedel u. a.) weist auf den
Mangel an Empirie in T.s Theologie hin. In der Dissertation
wird diese Kritik unter Hinweis auf T.s Verständnis von
Semantik und Astronautik verdeutlicht. Dieselbe Kritik
erkennt aber auch T.s Bindung an das von ihm modifizierte

Dogma. Die Kritik aus dem Geist der Technopolis heraus
(Cox) versteht T. als Theologen in der „Trauerperiode", in
der der Gott des metaphysischen Theismus und die westlich
christliche Zivilisation untergehen. Eine Kritik aus dem
Geist der Strukturen biblischen Denkens heraus kann „Jesus"
als den neuen Namen Gottes in der Geschichte des Gottes
Abrahams, Isaaks und Jakobs verstehen. Intution, Epiphanie
und Erfahrung des „Göttlichen" gehören für sie in den
Bereich des Religiösen. Dem steht der mit Verheißung
verbundene Exodus (Hebr 13,12 f) gegenüber.

Olearius, Christoph Karl Rüdiger: Die Umbildung der altprotestantischen
Urstandslehre durch die Aufklärungstheologie
. Theol. Diss. Bochum 20.12.1968. München
(1970]: Schön. 224 S.

Die theologische Lehre von einem ursprünglichen Unschuldszustand
des Menschen, im älteren Protestantismus
ein wesentlicher Bestandteil des dogmatischen Systems, ist
in der Folgezeit in vieler Hinsicht problematisch geworden,
hat mannigfache Veränderungen erfahren und ist im Bewußtsein
heutiger Theologen weitgehend verdrängt. Der
Klärung dienlich ist es, die Entwicklung dieser Lehre in
der Übergangszeit zwischen Alt- und Neuprotestantismus
im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert zu
beobachten. Dieser Ver änderungsprozeß wird in der vorliegenden
Arbeit in 5 Kapiteln aufgezeigt, deren jedes
durch eine Zusammenfassung abgeschlossen wird. Ein Personenregister
und ein Register der vorkommenden Bibelstellen
erleichtern die Benutzung.

Für die altprotestantische Urstandslehre charakteristisch
ist, daß das als von Gott unmittelbar geschaffen vorgestellte
erste Menschenpaar nicht nur als unschuldig, sondern
darüber hinaus auch als moralisch und physisch vollkommen
gilt und daß dieser Zustand auf satanische Veranlassung
durch menschliche Schuld gemäß göttlichem Vorherwissen
sehr schnell in den gegenteiligen, seither vererbten Zustand
einer schuldhaften gänzlichen Verderbnis und Zerrüttung
der menschlichen Natur umgeschlagen sein soll. Bezeichnend
ist ferner das von dieser dogmatischen Lehre geprägte
Verständnis der miteinander harmonisierten biblischen
Schöpfungserzählungen im Sinne historisch wahrer Überlieferungen
aus der Urzeit der Menschheit. Ein ausläuferhaftes
Spätstadium dieser Auffassung, wie es in S. J. Baumgartens
Glaubenslehre und einigen danach erschienenen
Dogmatiken des späteren 18. Jahrhunderts vorliegt, wird
im 1. Kapitel dieser Dissertation dargestellt und damit der
Hintergrund für die aufklärungstheologischen Gedankengänge
gewonnen. Der Abrundung dieses Verständnishorizonts
dient das 2. Kapitel mit einem Blick auf die Phantasiewelt
theosophischer Urstandsvorstellungen jener Zeit.

Das als Mittelsrück der Arbeit fast die Hälfte ihres
Umfangs einnehmende 3. Kapitel stellt die in aufklärungstheologischen
Dogmatiken der letzten vier Jahrzehnte des
18. Jahrhunderts zu erkennende Entwicklung dar, die von
der altprotestantischen Behauptung einer einstigen Vollkommenheit
der beiden ersten Menschen überleitet zu der
ausgereiften Theorie der späteren Aufklärungstheologen
von einem Anfangszustand kindlicher Unschuld. Noch glaubt
man zwar in den Erzählunqen am Anfang der Genesis eine
bis auf die Urzeit menschlicher Geschichte zurückreichende
Tradition zu erkennen. Doch werden unter den Gesichtspunkten
der Vernünftigkeit und Naturgemäßheit an der
überlieferten Lehre von den unterschiedlichsten Punkten
aus Reduktionen vorgenommen, durch die der Weg zu
einer akzeptableren Konzeption gebahnt wird. Dabeibleiben
auch sehr sonderbare gedankliche Zerfallsprodukte nicht aus.
Der gegen diese theologische Richtung erhobene Vorwurf
zu optimistischen Denkens über die Sünde aber ist nur
teilweise berechtigt.

Der Trend zu der Einsicht, daß die Paradieseserzählung
der Genesis nicht als geschichtlicher Bericht aufzufassen
sei, fordert apologetische Bemühungen heraus, auf die m
einem kürzeren 4. Kapitel eingegangen wird. Bedeutsam
an dieser konservativen Protestbewegung ist lediglich, daß