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Ausgabe:

1970

Spalte:

712

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Aymans, Winfried

Titel/Untertitel:

Kollegium und Kollegialer Akt im kanonischen Recht 1970

Rezensent:

Liermann, Hans

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Seite 1

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711

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

712

mythologisierenden Theologie vom Tode Gottes und ihren
Auswirkungen in einer neuen Moral und Seelsorge entgegentreten
. Denn die (von C. G. Jung begründete) analytische
Psychologie .bewegt sich auf remythologisierende
Erfahrungen mit religiösen Auswirkungen zu" (9). Um
diese Erfahrungen aufzeigen zu können, weist der Vf. den
Weg zur Begegnung mit sich selbst. Im 1. Kap. wird die
Bedeutung der kritischen Selbsterkenntnis und der Selbstannahme
für die Persönlichkeit des Beraters und seine
Gemeinschaft mit dem Gesprächspartner entfaltet. Das
2. Kap. enthält den Versuch, an den Realitäten des Unbewußten
die Wirklichkeit der Seele aufzuweisen und wieder
zur Geltung zu bringen. Die Beschäftigung mit der Seele
erscheint dem Vf. um so notwendiger als anstelle des
Höchsten die Person und anstelle des Transzendenten das
Immanente gesetzt wird, denn in der Tiefenanalyse stößt
man auf Sachverhalte, die zeigen, daß Religion für die Seele
lebensnotwendig ist. „ ... die Probleme der Religion sind
so lebenswichtig für die Seele, daß wir... zu Aussagen über
Gott kommen, einfach weil wir Zeugen der bestürzenden
Entdeckung Seines Seins innerhalb einer Analyse werden"
(58). Dem Laien wird als gute Möglichkeit zur Begegnung
mit der Seele und dem Unbewußten der Umgang mit
eigenen und fremden Träumen empfohlen - nicht, um sie
in analytischer Methode laienhaft und womöglich falsch zu
deuten sondern - um sich „mit ihnen zu befreunden" (66).
Auf diese Weise läßt sich Wachstum der Seele, Erneuerung
der Erlebnisfähigkeit und Begegnung mit dem religiösen
Bedürfnis der Seele gewinnen. Vom religiösen Bedürfnis
wird ein theologisches unterschieden. Dieses äußert sich im
Bestreben nach Formulierung religiöser Sachverhalte, jenes
erscheint in der wiederbelebten Gegenwart des inneren
Mythos in der Form von Ankündigungen der Unsterblichkeit
, der Ewigkeit ... in Fragen nach dem Tode, dem
Leben danach und nach dem Gericht über die Seele" (70).

Im 3. Kap. widmet sich der Vf. den Auswirkungen einer
entmythologisierenden Theologie einerseits und einer die
religiösen Symbole im Seelenleben wiederentdeckenden
Psychologie andererseits. Die Fronten sind dabei sonderbar
vertauscht, indem die Psychologie der neuen Moral und
diesbezüglichen Auffassungen J. A. T. Robinsons einen Mangel
an Unterscheidung von gut und böse und z. B. auch
einen unkritischen Gebrauch des Liebesbegriffes vorwirft.
Die Tiefenpsychologie dagegen wisse auch um die dämonischen
Realitäten des Unbewußten, so auch der Liebe.
„Ein Psychologe und Laie ... erwartet ... mehr von einer
.neuen Reformation' als die bloße Ersetzung eines naiven
Gottesbildes ,da droben' durch einen naiven Liebesbegriff
,da drinnen'. Obgleich geschrieben steht, daß Gott ganz
Liebe ist, bedeutet das, daß jede Liebe Gott ist?" (90).
Einer solchen unkritischen neuen Moral gegenüber möchte
der Vf. einen Weg weisen, der psychologisch gültig und
begründet ist. Er fordert eine Moral, die einen Transzendenzbezug
einschließt, weil die seelische Wirklichkeit immer
über sich hinausweist. Von daher wird eine Verinnerlichung
und Kultivierung des Eros im Kampf mit dem „unteren
Eros" (Lieblosigkeit, Anklammern, Primitivität der Sexualität
) erstrebt, aber auch eine Differenzierung des Gewissens,
das die Realitäten des eigenen „Schattens" prüft und das
zerstörende Böse abwehrt. Soll das Gewissen dem Kampf
mit dem Bösen gewachsen sein, dann bedarf es einer
Kultivierung der Gefühlsseite des Menschen, die mit seiner
„inneren Weiblichkeit" verbunden ist. Diese Anima-Wirk-
lichkeit und ihre Beziehung zur Religion wird im Schlußkapitel
in einigen typischen Ausprägungen dargestellt.
Probleme der Sexualität und Ehe werden von diesen Gesichtspunkten
aus noch einmal betrachtet.

Wer am gegenwärtigen Gespräch verschiedener theolo-.
gischer Richtungen und der damit verbundenen Ethik teilnimmt
, sollte die Schrift Hillmanns kennen, denn hier
wird der Versuch gemacht, Einblick in den Reichtum des
Innenlebens mit seiner dämonischen Gefährdung und seiner
unbewußten Religiosität zu geben. Eine unkritische radikale
Entmythologisierung, eine Theologie vom Tode Gottes und
eine Moral ohne Normen einschließlich einer „sexuellen
Revolution" erweisen sich vom Aspekt der Wirklichkeit der
Seele - wenn man sie wieder in ihrer Ganzheit einschließlich
ihrer inneren Mythologie erkennt und erlebt - als
fragwürdig, ja abwegig.

Leipzig Adelheid Rensch

Bodamcr, Joachim: Sexualität und Liebe. Seele und Seelenkrankheit
des Menschen von heute. Zustand oder Übergang
? Hamburg: Furche-Verlag (1970). 68 S. kl. 8°
Stundenbücher, 90. DM 2,80.

Bonhoeffer, Thomas: Das Unbedingte. Zu Kurt Niederwim-
mers Thesen (Wege zum Menschen 22, 1970 S. 272-274.)

Brocher, Tobias: Die Ergebnisse der wissenschaftlichen
Psychologie und die heutige menschliche Existenz (Uni-
versitas 25, 1970 S. 693-699).

Cruchon, G. SJ.: L'heure du choix (NRTh 92, 1970 S. 365-
383).

Dhavamony, Mariasuai: The History of Religions and
Theology (Gr 50, 1969 S. 805-836).

KIRCHENRECHT

Aymans, Winfried: Kollegium und kollegialer Akt im
kanonischen Recht. Eine rechtsbegriffliche Untersuchung
insbesondere aufgrund des Codex Iuris Canonici. München
: Hueber 1969. XXIII, 206 S. gr. 8° = Münchener
Theologische Studien, im Auftrag der Kath.-theol. Fakultät
München hrsg. v. J. Pascher, K. Mörsdorf, H. Tüchle.
III. Kanonistische Abt., 28. DM 24,-.

Die aus der Schule von Klaus Mörsdorf hervorgegangene
Abhandlung ist eine rein kanonistische Studie. Als solche
bietet sie ein Stück scharfsinniger und bis in die feinsten
Einzelheiten durchdachter Jurisprudenz, deren Lektüre dem
juristisch geschulten Leser als ein Schulbeispiel klarer kano-
nistischer Konstruktion Vergnügen bereitet und ihn zum
Weiterdenken auf verwandten Gebieten anregt. Viele Gedankengänge
lassen sich auch im evangelischen Kirchenrecht
auf Synoden, Gemeindevertretungen, Wahlkörperschaften
und kirchliche Gerichte mit Nutzen anwenden. Eine parallel
laufende Untersuchung im Raum der evangelischen Kirche
könnte manche Erkenntnis bringen und zur Fortbildung
ihres Rechtes beitragen. Es besteht ja kein Bedenken dagegen
, daß glaubensmäßig völlig neutrale Rechtsgrundsätze
aus dem kanonischen Recht übernommen werden. Wenn
man ihnen im einzelnen nachgeht, finden sich erstaunlich
viele Parallelen zum evangelischen Kirchenrecht, dem eine
kolligiale Struktur wesensgemäß ist.

Da das theologische Moment - bei der Art der Abhandlung
mit vollem Recht - ausgeklammert ist, hat die Arbeit
dem theologisch eingestellten Leser, wie es nicht anders
sein kann, verhältnismäßig wenig zu bieten. Jedoch findet
sich auch manches von allgemeinem Interesse. Hier ist in
erster Linie auf die wachsende Bedeutung hinzuweisen,
welche dem kollegialen Element neuerdings in der katholischen
Literatur zukommt Dafür zeugt u. a. die vorliegende
Arbeit des Verfassers, der übrigens in einer noch
nicht veröffentlichten Münchener Dissertation von 1967 „Das
synodale Element in der Kirchenverfassung" behandelt hat.

Das Vaticanum II hat den kollegialen Gedanken im
Katholizismus stark aufgewertet und dadurch der Verfassungsentwicklung
in der katholischen Kirche vielleicht eine
entscheidende Wendung gegeben. Neben die Hierarchie, die
bisher ganz im Vordergrund stand, ist das Kollegium als
maßgebender verfassungsrechtlicher Faktor getreten. Das
gilt besonders von der durch das Vaticanum II geschaffenen
Bischofskonferenz, auf deren Rechtsstellung häufig eingegangen
wird. Obwohl sie nur ein „einfaches Kollegium" ist,
kommt ihr großes Gewicht zu. Von allgemeinem Interesse
sind auch die Ausführungen über die Rechtsstellung der
Kardinäle als Wahlkollegium bei der Papstwahl. Dabei
wird die Person des einzelnen Wählers vom Kollegium in
seiner Gesamtheit so völlig getrennt, daß sogar ein exkommunizierter
Kardinal nach geltendem Recht (Constitutio
„Vacantis Apostolicae Sedis" vom 8. Dezember 1945 n. 34)
eine gültige Stimme abgeben kann. - Ein ausführliches
Sachverzeichnis erleichtert die Benutzung der Abhandlung,
die entsprechend ihrem auf die rechtliche Dogmatik eingestellten
Aufbau die einzelnen Institutionen wie z. B. die
Bischofskonferenz oder das Conclave nicht im Zusammenhang
behandelt, sondern ihre Rechtsstellung und Funktionen
jeweils dort einer Betrachtung unterzieht, wo es die
juristische Systematik erforderlich macht.

Erlangen Hans Liermann