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Ausgabe:

1970

Spalte:

703-705

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Bovet, Theodor

Titel/Untertitel:

Kompendium der Ehekunde 1970

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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703

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

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immer neu und situationsbezogen nachzuvollziehen hat -
die Selbstunterscheidung des christlichen Glaubens vor
aller menschlichen Religion und Weltanschauung anzeigt*.
Dabei sind vier Stufen zu beachten: „(1) Gottes Selbst-
identifikation als Selbstunterscheidung in der Offenbarung;
(2) das Offenbarungszeugnis der Schrift; (3) das durch das
Medium dieses Zeugnisses die in der Offenbarung gemeinte
Sache aufnehmende und .verstehende' Bekenntnis (Symbo-
lum, Dogma) j (4) die die darin mitgesetzte unterscheidende
Identifikation von Kirche und Christen ratifizierende
menschliche Selbstunterscheidung im Bekenntnisakt" (S. 29).
Das bekennende Ich oder Wir ist also nicht Ausgangs-,
sondern Endpunkt. Die auf dieser unteren Ebene, der des
menschlichen Erkennens, vollzogene Unterscheidung ist
„präzis die zwischen Glaube und Religion" (S. 30). Allerdings
bleibt Glaube als menschlicher Akt zweideutig:
„Glaube an Gott - an diesen Gott - ist das Gegenteil von
Religion; Glaube als .unser' Glaube ist ununterscheidbar
von Religion" (S. 34). Aber was besagt dann noch die These
von der „Selbstunterscheidung des christlichen Glaubens von
aller menschlichen Religion?" Die Geltendmachung zweier
sich ergänzender Gesichtspunkte: als Glaube an diesen Gott
nicht Religion, als unser Glaube ununterscheidbar von
Religion? Dann würde der Glaube in der einen Hinsicht
von der Religion unterschieden, in der andern ihr gleich
sein, und seine Selbstunterscheidung von der Religion wäre
nur die halbe Wahrheit. Ebenso problematisch ist der Versuch
, den Unterschied zwischen Glaube und Religion zu
definieren: „Glaube beruht auf Unterscheidung, Religion
auf Identifikation, Glaube bezieht sich auf das eine Besondere
, Religion auf das Allgemeine" (S. 32). Gibt es nicht
auch außerhalb des christlichen Glaubens im Bereich der
„menschlichen" Religion Unterschsidung, Beziehung auf das
eine Besondere? Z. B. im Islam? Ist dann nicht auch von
dieser Seite her die ausschließliche Entgegensetzung von
christlichem Glauben und menschlicher Religion irreführend
? Das Wahrheitsmoment, das in der Unterscheidung
zwischen Glaube und Religion liegt, dürfte Luther ausgesprochen
haben: „Ich muß auch dabei sein, aber darin bin
ich nicht gerechtfertigt". -Das eine Besondere, auf das
der Glaube sich bezieht, ist der dreieinige Gott; daher ist
Inhalt des Symbolum das christologische und trinitarische
Dogma (S. 20), der Name Gottes. „Das Symbolum ist recht
verstanden, wenn es auf der ganzen Linie als Umschreibung
des Namen Gottes verstanden ist" (S 42).

Im ganzen ein beachtlicher Versuch, den theologischen
Ort des Symbols zu bestimmen.

Halle/Saale Erdmann Schott

ETHIK

Bovet, Theodor: Kompendium der Ehekunde. Zürcher Vorlesungen
. Tübingen: Katzmann Verlag [1969]. 230 S. 8°.
Kart. DM 12,-.

Der Zukunft der Ehe muß durch begründetes Nachdenken
vorgearbeitet werden, weil an ihr sowohl die
Wahrung der Personalität in der Gesellschaft wie die
Bewahrung der Gesellschaft selbst unmittelbar partizipieren.
Darum ist Ehewissenschaft notwendig. Lockerer und zugleich
geraffter als in seiner zweibändigen „Ehekunde"
(1, Aufl. 1961/62; 2. Aufl. 1963/67) hat Bovet hier in Vorlesungen
aus dem Sommersemester 1968, gehalten an der
Medizinischen Fakultät der Universität Zürich, die Grundfragen
der Ehewissenschaft vorgestellt und zu beantworten
versucht. Die drei Aufgaben der Gamologie werden bestimmt
als interdisziplinäre Information und Phänomenologie, als
philosophisch-theologisch-psychologisch-soziologische Wesensbestimmung
der Ehe - und als Therapiebeitrag für
Eheberatung und -behandlung (S. 20).

Nachdem der Vf. in den Kapiteln 1-4 die Begriffe
Gamologie, Liebe, Partnerschaft, Sexualität und Ehe geklärt
hat und zu seiner schon in der Ehekunde begründeten
These von der „Ehe-Person" gekommen ist, folgen (Kapitel
5-9) Explikationen zu Wesen, Phänomenen und Gefahren
der Ehe. Beeindruckend ist die These, daß das Annehmen
der Ehe als eines „großen Dramas" die kleinen Ehedramen

aus dem bösen Geruch ewigen Machtkampfes herausnehme
und so erleichtere, ja überhaupt erst durchschaubar und
überwindbar mache (Kap. 5). Die Ehe als „großes Drama",
als „spannende Handlung" nimmt die erste Seite des Verständnisses
der „Ehe-Person" auf: die Selbstverwirklichung
der Lebensgeschichte (72). Hier steht L. Blnswangers Daseinsanalyse
im Hintergrund. Dann wird die zweite Seite
vorgestellt: das Bild der „Ehe-Prson" soll für das ganze
Eheleben „ordnendes Prinzip" sein, wobei Bovet den Geheimnischarakter
dieser „neuen Dimension der Existenz"
gewahrt wissen möchte (73 ff). Er sieht sie letztendlich
gegeben in dem biblischen Wissen um die Gottebenbildlichkeit
des Menschenpaares. Konstitutiv für den Personbegriff
ist drittens, daß aus der Kommunikation erst Person wird,
diese also als „Knotenpunkt von Beziehungen" verstanden
werden muß (72 f). Den Kritikern des Begriffs „Ehe-Person"
räumt der Vf. dessen Unzulänglichkeit ein, gibt aber zu
bedenken, daß es dabei nicht um eine Beschreibung von,
sondern um eine Modellvorstellung für das noch immer
.unbekannte Wesen der Ehe" gehen soll.

Im 6. Kapitel untersucht Bovet den Zusammenhang von
Treue und Geborgenheit. Er sieht Treue bisher als wesentlich
negativ bestimmtes Sich-enthalten verstanden und
möchte zu einer positiven Füllung kommen: „Es ist ... eine
der größten Aufgaben jedes Ehegatten, seinem Partner
Geborgenheit zu geben" (92). Dies geschieht durch Liebe,
Phantasie, Humor - und Treue, die die aktive, willensstarke
Suche nach allem für den Partner Guten ist. Untreue ist
dann schon jede Art der Gleichgültigkeit, nicht erst sexuelle
Beziehung zu einem Dritten. Es läßt sich feststellen,
„daß die Untreue mit einem Dritten fast immer in einer
von innen her gefährdeten Ehe erfolgt, während die gesunde
Ehe praktisch nie gebrochen wird" (96). Angesichts der
heute verbreiteten Meinung, eheliche Treue werde weniger
ernst genommen, weist der Vf. für die Eheberatung auf
die Notwendigkeit genauer Unterscheidungen zwischen
Seitensprung, flüchtiger Untreue und vorsätzlichem Ehebruch
hin und kommt zu der Überzeugung, daß heute weithin
ehrlicher als früher gedacht wird und der Wille zur
Treue auch der eigenen Untreue Herr werden will.

Im 7. Kapitel über „Mann und Frau" kommt Bovet trotz
des Versuchs, typische Wesensmerkmale gegeneinander abzusetzen
, zum Schluß, allen Frauen bzw. Männern zukommende
typische Eigenschaften seien nicht feststellbar; „es
gibt nur ein inneres Kraftfeld des Paares, das sowohl bei
der Frau als auch beim Mann einander polar entsprechende
Eigenschaften und Haltungen sichtbar werden läßt" (105).
Der Vf. fürchtet für die Zukunft keine Angleichung der
Geschlechter, sondern sieht in der Unbefangenheit der
jungen Generation gegenüber den starren Mann-Frau-Rollen
der Konvention eine größere partnerschaftliche Offenheit
sich durchsetzen. Ein reizvolles französisches Chanson-Zitat
gibt diese Tendenz wieder (111): „Ich hab' eine Lederjacke
wie ein Junge, einen breiten Gürtel wie ein Junge, ich hab'
ein Motorrad wie ein Junge und trage das Haar lang wie
ein Junge .... aber wenn ich in seinen Armen liege, dann
bin ich ein ganz, ganz kleines Mädchen ..., und so ist's
auch viel besser".

Kapitel 8 heißt „Die erotische Beziehung". Hier wird der
leidige Streit um die differentiae speeificae zwischen Sex,
Eros und Agape weitergeführt. Nicht mehr wie früher
möchte Bovet Sex als körperliche, Eros als seelische, Agape
als geistige Liebe verstehen. Vielmehr unterscheidet er nun
so: Sex ist das Machbare, Künstliche und Versachlichte,
Eros das Personale der Geschlechteibeziehungen. Der Sex
ist monologisch, der Eros dialogisch und als „echter" aus
Gottes Agape gespeist. Der Rez. gesteht, mit dieser Begrifflichkeit
unzufrieden zu sein; sein Ohr ist gegen eine Reihe
idealistischer Obertöne taub geworden, und er will nicht
einsehen, warum nicht auch im stummen, monologischen,
manipulierbaren Sex Gott das Werk seiner Liebe treibe.

Das 9. Kapitel behandelt unter den erotischen Störungen
auch die Homophilie (137 ff), fordert für den Homophilen
gesellschaftlichen Schutz, unterscheidet ihn aber scharf vom
Ephebophilen und Pädophilen.

In den Kapiteln 10-12 werden die Beziehungen zwischen
Ehe und Ledigenstand, Geschlechtserziehung und
Kindern behandelt. Das 10. Kapitel über Ehe- und Ledigen-