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Ausgabe:

1970

Spalte:

701-702

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Berkhof, Hendrikus

Titel/Untertitel:

Theologie des Heiligen Geistes 1970

Rezensent:

Dilschneider, Otto A.

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701

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

702

desiderium naturale, das in der traditionellen Apologetik
eine so große Rolle spielt (123 ff.): Er unterscheidet zwischen
Bedürfnis und Verlangen. „Das Bedürfnis ist in der Natur
lokalisiert, das Verlangen in der Freiheit* (126), d. h. wir
bedürfen dessen, was zu unserer natürlichen Beschaffenheit
gehört; als Wesen, denen Wasser ein physiologisches Bestandteil
ist, dursten wir nach Wasser. Im Verlangen dagegen
greifen wir über unsere Natur hinaus. Gott ist nicht
der, den wir brauchen. „Gott kann nur für den existieren,
der überhaupt nicht daran interessiert ist" (132), nur im
„Sich-Fügen in eine endlose Uneigennützigkeit" (147). Es
geht also nicht um die Befriedigung unseres Verlangens -
„Jeder Gott würde zu einem Abgott werden, wenn er das
Verlangen befriedigte" (126), - sondern um das Verharren
im unbefriedigten Verlangen. Gott existiert nur noch als
das Gottesproblem (121). Darum: „Der Gläubige unserer
Tage ist der Atheist" (127, ein Satz, in dem jeweils der
eine oder der andere Nominativ als Subjekt gesetzt werden
kann!). Infolgedessen gibt es „überhaupt keinen Gegensatz
zwischen Gläubigen und Ungläubigen, oder wenn dieser
Gegensatz schon vorhanden ist, beruht er auf Willkür" (159).
Das klingt paradox. Aber „wer über Gott denkt, ohne sich
in Paradoxe zu verwirren, ist ein Götzendiener" (132), und
in einer Zeit, in der positive Gottesvorstellungen nur noch
verkrampft festgehalten werden können, treffen sich die
rechten Gläubigen und die rechten Atheisten im „vorstellungslosen
Erwarten" (162) von der Leere, daß sie sich als
„Geschenk des Seins" (163) uns offenbare. „Warten ist das
einzige, was wir mit Sicherheit tun können", lautet der
letzte Satz des Buches (165).

Manches erinnert an die Gedanken Bonhoeffers in seinen
Gefängnisbriefen: Absage an den Gott, den wir brauchen, -
Verbindung vom Glauben und Uneigennützigkeit, - „Gott
ist als ethische Sanktion ebenso überflüssig wie als Erklärungsgrund
" (149). Aber die Verschiedenheiten sind größer:
Bonhoeffer kam durch Zeitanalyse und durch Ablehnung
„methodischer" Apologetik um so entschiedener zu einer
Rede von Gott, die den Menschen zwar nicht Bedürfnisbefriedigung
, aber Teilnahme an Gottes Werk in der Welt
in Aussicht stellt. V. dagegen bleibt bei aller Modernität
im Traditionsstrom der katholischen Mystik, der amour
desinteresse, einer Kontemplation die auf Godot wartet,
ohne Bild des Erwarteten, was eben hier heißt: ohne Ver-
heissung, daß das Warten Sinn habe. Die Beachtung des
Bilderverbotes hat freilich heute, bei der Zermürbung alter
Gottesbilder, ihren Grund. Aber das biblische Verbot steht
ja im Zusammenhang biblischer Verheissung. Denkt man,
statt von der Verheissung her, metaphysisch auf Gott als
das Letzte hin, dann denkt man nach der Entmythisierung
auf eine Leere hin, von der her eine neue „ungenannte
und unnennbare Fülle des Sinnes" als „Geschenk aus der
Leere" zu erwarten (162), als so verwegen nicht nur, sondern
als so schlechthin unbegründet erscheint, daß man dazu
wohl sagen muß: „Das Verlangen nährt sich von seinem
eigenen Hunger" (126). Wenn man den Namen Gottes unter
schiedlos mit einem Bilde Gottes und mit Vorstellungen
von Gott zusammenwirft, dann gibt es wohl keinen anderen
Weg. Aber es gab eben nicht einen unterschiedlosen „Widerwillen
der alten Juden gegen Gottesnamen und Gottesbilder"
(115), sondern um des Gottesnamens willen und von der
in ihm enthaltenen Verheissung her mußte der Name von
den Bildern unterschieden werden. Allerdings hält der
Name eine „Leere" frei (den „Hohlraum" des frühen Barth
und die von der Theologie nicht zu besetzende leere Stelle
in der Mitte beim späteren Barth), aber er spricht und
kann proklamiert werden. Durch ihn erst bekommt das
Warten Aussicht und Hoffnung.

Mit Obigem ist nur das letzte Kapitel des Buches („Die
leere Mitte") berücksichtigt worden. Es sei nicht verschwiegen
, daß diese Schrift sehr interessante religionsphänomono-
logische Ausführungen über Riten und Symbole enthält,
dazu eine Menge höchst geistvoller Bemerkungen, die die
Lektüre lohnend machen.

neriin Helmut (lollwitrer

Berkhof, H. i Theologie des Heiligen Geistes, übers, v. H.-U.
Kirchhoff. Neukirchen: Neukirchener Verlag des Erziehungsvereins
1968. 144 S. 8° Neukirchener Studien
bücher, Ergänzungsbände zu den Biblischen Studien,
7. Kart. DM 10,80.

Gleich zum Anfang stellt Berkhof zutreffend fest: „Es
kann kein Zweifel sein: die Pneumatologie ist ein vernachlässigtes
Feld der systematischen Theologie". Nachdem
Berkhof die dafür verständlichen Gründe dargelegt hat,
geht er kurz auf die alttestamentliche Prophetie ein, die
auf die Geistoffenbarung hinweist, wie sie sich dann im
Neuen Testament bezeugt. „Jesus Christus - das heißt: die
reale Gegenwart Gottes als Geist in seiner unter uns
wohnenden und neuschaffenden Wirksamkeit", S. 18. Daher
muß künftighin Christologie von der Pneumatologie her
entworfen werden, S. 21. Denn Geist ist das Handeln des
erhöhten Christus, S. 23. Dieser Geist ist eine selbständige
Wirklichkeit, ist Zentrum neuer Aktionen, die sowohl im
ontologischen als auch im kreativem Bereich liegen, S. 26.
Dabei kommt es darauf an, eine neue Synthese zwischen
traditioneller und spiritueller Pneumatologie zu finden und
herzustellen, S. 33. Dieser Geist Christi ist das göttliche
Subjekt missionarischer Sendung, S. 40. Das Wort ist das
Instrument des Geistes, S. 41 und S. 43. Der Geist ist auch
das Subjekt, das stetig die Übersetzung der Botschaft in die
Sprache der Gegenwart vollzieht, S. 43. Geist begründet
zuerst Kirche, dann aber erst lebt der Einzelne in der
kirchlichen Gemeinschaft aus diesem Geiste, S. 55. „Die
Entdeckung der Kirche als des heiligen Bodens, auf dem
wir stehen und als des großen Sakramentes der handelnden
Gegenwart Gottes hat ungeachtet dessen, was schon die
Reformatoren gesagt haben, mancher sogenannte Protestantismus
noch vor sich", S. 61. Die Wiedergeburt ist die zentrale
Vorstellung, in der sich das Wirken des Hlg. Geistes
am Einzelnen zusammenfassen läßt. In dieser Vorstellung
sind enthalten Rechtfertigung und Heiligung, Erneuerung
des Menschen als mortificatio und vivificatio und das Erfüllt
werden mit dem Geist, S. 81 f. Gerade das Erfülltwerden
durch den heiligen Geist, wie es die Gnadengaben
im Neuen Testament aufzeigen, muß wieder neuentdeckt
und zur Sprache gebracht werden, S. 97 f. „In dieser langen
Tradition sind wir für den weiten Horizont, in dem Gottes
heiliger und neuschaffender Geist wirkt, blind geworden",
S. 107. Denn Gottes Geist inspiriert auch die Schöpfung und
die menschliche Kultur, S. 108 f. Ein besonderes Problem
ist das Verhältnis zwischen Gottes Geist und Menschen-Geist
in einem und demselben menschlichen Subjekt. „Ist nicht
unser Geist in diesem Fall die Kontaktstelle und die Wohnstätte
des Heiligen Geistes?", S. 112 f. Zuletzt wendet sich
Berkhof der trinitarischen Frage zu: Ist Geist die dritte
Person der Gottheit?, S. 128 f. Berkhof kommt nach einer
dogmengeschichtlichen Analyse zu der Auffassung, die
Person-Vorstellung des Geistes innerhalb der Trinität zurückweisen
zu müssen. Das mag wohl seinen Grund darin
haben, daß sich Berkhof nicht mit einer Phänomenologie
des Geistes und mit dem Strukturproblem des Geistes selber
beschäftigt hat'.

Zweifelsohne hat Berkhof richtig gesehen: Die Pneumatologie
ist noch ein Stiefkind der systematischen Theologie.
Und die wichtigsten Probleme, die uns heute beschäftigen,
es sei nur an die Hermneutik erinnert, können nur einer
Antwort durch die Pneumatologie zugeführt werden. Die
Pneumatologie ist im Kommen und wird auch künftighin
einen entscheidenden Beitrag zu leisten haben. Sie wird,
wie Berkhof richtig erkannte, erst zu einer Entdeckung und
Entfaltung des III. Glaubensartikels führen. Jedenfalls ist
die Arbeit von Berkhof ein verdienstliches Unternehmen/
das Pionierarbeit geleistet und zutreffende Erkenntnisse
beigesteuert hat.

Berlin Otto Dllschneldcr

1 O. nilflflineldnr, Ich Klnnbe an 'Ion Helllsrcn fielst, Tlienl.
Verlnu It. Brockhniis-Wnpnortnl, 1%!).

Stoevesandt, Hinrich: Die Bedeutung des Symbolums in
Theologie und Kirche. Versuch einer dogmatisch-kritischen
Ortsbestimmung aus evangelischer Sicht. München i Kaiser
(19701. 46 S. 8" Theologische Existens heute, hrsg. v.
K. G. Steck u. G. Eichholz, 163. DM 4,50.

Stoevesandt, Schüler von Barth und Miskottc (S. 24),
vertritt in diesem auf einer Studientagung in der Abtei
Maria Laach am 1.5.1969 gehaltenen Vortrag die These:
.Das Symbolum hat seine Bedeutung darin, daß es -
platzhaiterisch für den Glauben, der diesen Crundak!