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Ausgabe:

1970

Spalte:

700-701

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Verhoeven, Cornelius

Titel/Untertitel:

Wohin ist Gott? 1970

Rezensent:

Gollwitzer, Helmut

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699

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

700

zur Entscheidung zwingt" (54), also eine heramfordernde
Proklamation ist.

Mit „Gott" werden «rettende Ereignisse" interpretiert,
und zwar in einem „Identifikationsprozeß" (15), der diese
mit früheren verbindet und Ahnung von größerer Befreiung
erweckt. Damit wird entdeckt, „daß die menschliche Geschichte
noch eine andere Dimension hat als allein die
menschliche" (21). Dies wendet sich sofort kritisch gegen
göttliche Verehrung innerwelticher Phänomene, welche die
besondere Funktion des Mythos ist, und insofern steht
biblische Gottesrede polemisch gegen die Menschen, an die
sie ergeht, sofern sie zeigt, dag der Mensch, „sei er Jude
oder Heide, Christ oder Atheist, ... von Natur aus diesen
Gott verwirft" (33). Die biblische Gottesrede unter die
mythische zu subsumieren, ist also ein verhängnisvoller
Fehler, der sowohl verkennen läßt, warum sie vornehmlich
in Erzählungen geschieht und nur erzählend weitergegeben
werden kann, als auch die entscheidende Zuspitzung dieser
Rede auf den Menschen hin verschleiert: Hier wird „das
menschliche Dasein und das Verhalten der Völker kritisch
durchleuchtet" (38) und - bis hin zum schärfsten Lichteinfall
, zur Passion Jesu - „die äufjerste Dimension menschlicher
Schuld" (47) aufgedeckt. Und im gleichen Zuge wird
der durch den Namen IHWH („der in sich selber die Verbindung
mit den Menschen ist, die göttlicher Hilfe bedürfen
" (20]) Bezeichnete als der gezeigt, der an den Menschen
und zugleich mit den Menschen leidet und durch dieses
Mit-Leiden Befreiung schafft. Ihn für eine Projektion religiöser
Phantasie zu halten, würde bedeuten, den Menschen
als ein schon mit sich identisches Wesen zu denken, das
dann sich selbst projizieren kann. Umgekehrt aber ist in
Wahrheit der Mensch ein Wesen, das erst zu sich selbst
kommen muß, indem der Mensch durch das, was er hier
erzählt, selbst erst seine eigene Identität - als Schuldiger
und als Befreiter - erlangt: „Die wahre Bedeutung der
Ereignisse bildet den Erzähler, nicht umgekehrt" (35).

Denjenigen, die die Ereignisse ihres Lebens und der
Geschichte mit diesem Gottesnamen deuten, erweist sich
diese Deutung als die „zuverlässigste"; sie sehen die Welt
in einem „Bezugsrahmen", der zugleich ein „Aufruf" für
sie ist, und „sich als wirksam erweist im täglichen Leben
der Menschen und gegenüber denn großen Fragen von
Angst, Schuld, Hoffnung, sozialer Gerechtigkeit" (45). Denn
sie entdecken: „Gott ist zu finden bei denen, die in der
verkehrten Ecke sitzen" (45), und das bedeutet für sie
selbst: rettende Vergebung, und das erst ergibt die wahre,
haltbare Begründung von Mitmenschlichkeit: „Sich einsetzen
auf sozialem Gebiet, in der Politik, die Zukurzgekommenen
verteidigen, am Leid anderer teilnehmen, - das alles ist
eine mitmenschliche Existenz, die in jenem Mitmenschen
gerade die Züge von Gottes Angesicht schaut" (48). Alles
in allem: eine sehr schöne und für den Theologen wie für
den Nicht-Theologen heute hilfreiche Schrift.

Berlin Helmut Gollwitzer

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SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Verhoeven, Com.: Wohin ist Gott?, übers, v. J. Ernst.
Freiburg-Basel-Wien: Herder (1969). 165 S. 8°.

„Es geht nicht um Gott, sondern um die Frage nach Gott.
Ob Gott nun existiert oder nicht: in der Frage existiert er;
seine Existenz wird in der Frage festgehalten" (108). Aber
„Gott ist eine tötliche Frage" (113), erträglich immer nur
dadurch, daß sie „in Riten eingewickelt" ist, die dann wieder
durch „Nicht-Nennen" (116) aufgebrochen werden. Er selbst
ist „die Leere, um die herum die Götter kreisen" (118), die
leere Mitte, „die das Denken und Tun immer wieder inspiriert
" (6). Deshalb sind einerseits „Atheisten die exaktesten
Theologen" (116), und „der Gläubige, der nachdenkt, kann
den Atheismus nicht entbehren; er ist sein einziger Ausgangspunkt
" (127). Andererseits verschwindet mit den
Göttern auch Gott in diese Leere, „wo er seine Identität
verliert": „Wer die Götter entlarvt, tötet Gott, weil er die
letzte Grenze verwischt, innerhalb deren Gottes Identität
auch nur geahnt werden kann" (118).

Von dem Buch des holländischen katholischen Religionsphilosophen
, sagt der Text auf der Umschlagseite, mehr der
Konvention als dem Autor folgend, zu Unrecht, es zeige
„dem Menschen den Weg zu einer Geborgenheit, auf die er
angewiesen ist". V. sagt dagegen ausdrücklich, daß nicht
feststehe, ob „Geborgenheit ein Privileg des religiösen
Menschen" sei, daß jedenfalls in unserem heutigen Stadium
„Religion und Geborgenheit nicht unbedingt identisch zu
sein brauchen" (110). „Als Objekt der Religion (im Sinne
von Geborgenheit) ist Gott tot" (117). Diesen Unterschied
bekräftigt er durch eine sehr interessante Überlegung zum