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Ausgabe:

1970

Spalte:

690-692

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Geschichte der Ost- und Westkirche in ihren wechselseitigen Beziehungen 1970

Rezensent:

Onasch, Konrad

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689

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

690

Abmachungen, insbesondere das Beistandsabkommen gegen
Deutschland, unter kritischen Beschuß genommen. Eine
Publikation ist jedoch nicht erfolgt. Ein späteres Angebot
der SS-Führung (wohl 1944), sich mit einem Aufruf an das
deutsche Volk zu wenden und es zum Durchhalten zu
ermuntern, habe Wurm abgelehnt. Ein Protest gegen die
Kriegsgegner Deutschlands, der nunmehr ohne Anklage
des pervertierten NS-Systems für Wurm nicht mehr tragbar
erschien, konnte jetzt nur unterlassen werden. Entsprechende
Korrespondenzen aus den letzten Kriegsmonaten bieten
hierfür interessante Belege.

Die Dokumentation gibt einen Einblick in die vielschichtigen
Behinderungen des kirchlichen Lebens und den
zähen volkskirchlichen Selbstbehauptungswillen gegen die
Maßnahmen des Regimes. Gegenüber den verstärkt vorpreschenden
weltanschaulichen Distanzierungskräften im
Nationalsozialismus berief sich Wurm immer wieder auf
den Punkt 24 des NS-Parteiprogramms sowie auf die entsprechenden
Regierungserklärungen Hitlers aus der Anfangsphase
des Dritten Reiches. Auch spätere apologetisch
auswertbare Äußerungen wurden herangezogen. Reichsstatthalter
Murr - früher und seit 1938 für drei Jahre zu
einem gewissen Ausgleich bereit - hatte sich seit 1941 ganz
auf die Linie des kulturkämpferischen Kultusministers
Mergenthaler begeben und trat Anfang 1942 aus der Kirche
aus. Schon 1940 hatte der frühere Lehrer Friedrich Schmidt,
stellvertretender württembergischer NS-Gauleiter, als Hauptschulungsleiter
im Stabe Rosenbergs sein Buch „Das Reich
als Aufgabe" (Gesamtauflage 900 000) veröffentlicht und
darin seine These vertreten, daß das Christentum dem
Deutschtum gegenüber wesensfremd sei und daher überwunden
und ausgemerzt werden müsse. Nach dem Kriege
komme die große Abrechnung, hat Schmidt vor Amtswaltern
in Hamburg ausgeführt. Die Partei schweige gegenwärtig
lediglich, weil Hitler befohlen habe, jetzt nichts gegen die
Kirche zu unternehmen. Angesichts dieser Tendenzen wies
Wurm darauf hin, es müsse öffentlich erklärt werden, daß
das Christentum eine reale Chance habe, da sonst der
Wehrwille gebrochen werde.

Die Erfolge, die Wurm bei der Verteidigung der Kirche
erzielte, waren verhältnismäßig gering. Er unterschied sich
zunehmend von jener kirchlichen Taktik, die ein Entgegenkommen
gegen das NS-Regime zu dem Zweck wünschte, die
evangelische Kirche vom NS-Staat anerkannt zu wissen. Schon
1934 hatte er erkannt und praktiziert, daß die Erhaltung
des landeskirchlichen Rechtsgefüges wichtiger war, als die
Hoffnung, durch bereitwilliges Eingehen auf die Reichskirchenpläne
Jägers die Gunst der Machthaber zu erhalten.
In diesem Sinne konnte er den stark angeschlagenen Bestand
der württembergischen Landeskirche durch die Zeit des
Dritten Reiches hindurchretten.

Es wäre zu wünschen, daß die dieser Dokumentation
voraufgehenden Jahre seit 1933 eine ähnliche Darstellung
finden. Für die Bekennende Kirche Württembergs liegt
bereits die Publikation von Theodor Dipper vor (vgl. ThLZ
92, 1967 Sp. 929 ff.). Indes bleibt das Desiderat, daß eine
Gesamtgeschichte des württembergischen Kirchenkampfes
neben der Kirchenpolitik des Oberkirchenratees auch die
sehr differenzierte Geschichte der Deutschen Christen in
Württemberg und die Zusammenhänge mit der Reichs-
kirchenpolit'ik noch stärker ins Blickfeld rücken muß.
Tjpiiraltt Kurt Meier

Alves, Rubem A.: Protestatism in Latin Amerca: Its Ideolo-
gical Function and Ulopian Possibilities (ER 22, 1970
S. 1-15).

Bacht, Heinrich: Die Kollegialitätsidee am Vorabend des
Vaticanum I (Catholica 24, 1970 S. 93-110).

Berning, Vincent: Der Philosoph und Theologe Hermann
Schell im Widerstreit der Meinungen (ThPh 45, 1970
S. 227-242).

Cadier, Jean: Bossuet et la reunion des Eglises (EThR 45,

1970 S. 194-197).
Docekal, Herta-Ursula: Emst von Lasaulx. Ein Beitrag zur

Kritik des organischen Geschichtsbegriffs. Münster/W.:

Aschendorff [1970]. VII, 143 S. 8° Aevum Christianum.

Salzburger Beiträge z. Religions- u. Geistesgeschichte d.

Abendlandes, hrsg. v. P. T. Michels unter Mitwirkung v.
P. B. Thum, 8. Kart. DM 18,-.
Franz, Egon: Die sexualpädagogische Missionsarbeit Kurt
Gersteins im Rahmen seines Widerstandes gegen die
Machthaber des 3. Reiches (Die Innere Mission 60, 1970
S. 208-216).

Oeyen, Christian; Westliche Orthodoxie. Ein Buch über
Julian Joseph Overbeck (IKZ 60, 1970 S. 35-47).

Schäfer, Walter: Johann Heinrich Bernhard Dräseke der
Prediger im Vorfeld der Erweckung und sein Beitrag zur
Politischen Ethik. Verden 1969. 58 S. 8° = Beiheft zum
Jahrbuch der Gesellschaft für niedersächsische Kirchengeschichte
.

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Annales Instituti Slavici. Veröffentlichungen des Institutum
Slavicum Salisburgo - Ratisbonense des Internationalen
Forschungszentrums für Grundfragen der Wissenschaften,
Salzburg, im Verein mit der österreichischen UNESCO-
Kommission, Wien, hrsg. von Franz Z a g i b a . Bd. 1/1:
Prolegomena ad Acta Congressus historiae Slavicae Salis-
burgensis in memoriam SS. Cyrilli et Methodii anno 1963
celebrati. VII, 38 S. - Bd. 1/2: Das östliche Mitteleuropa
in Geschichte und Gegenwart. VIII, 252 S. m. 2 Abb. -
Bd. 1/3: Geschichte der Ost- und Westkirche in ihren
wechselseitigen Beziehungen. VII, 202 S., 12 Taf. Wiesbaden
: Harrassowitz 1964/66/67 gr. 8°. Kart. DM 4,80;
26,- und 36,-.

Nachdem anläßlich der Erinnerung an die Tätigkeit der
Slavenlehrer Kirill und Method in unserer Zeitschrift bereits
ein Sammelband von Aufsätzen besprochen worden war
(ThLZ 92, 1967 Sp. 765-768), handelt es sich hier um die
Akten eines demselben Gegenstand gewidmeten internationalen
Kongresses, der vom 12.-16. Juli 1963 in den
Räumen der Universität zu Salzburg abgehalten wurde.
Angesichts der Fülle der Referate und der in ihnen angesprochenen
Probleme können wir hier nur Übersichten
bringen, die über die einzelnen Themen von ihrer Überschrift
her kurz informieren. Bd. 1/1 der „Annales" bringt
die „Prolegomena", d. h. außer den hier kaum interessierenden
Begrüßungsansprachen und einer Festpredigt des
Bischofs von Salzburg, Dr. R. G r a b e r den Festvortrag
von Fr. D v o r n i k (Washington), Die Bedeutung der
Brüder Cyrill und Method für die Slaven- und Kirchcn-
geschichte (S. 17-32), den Nachruf auf den Nestor der
cyrillo-methodianischen Forschung, Fr. G r i v e c, von
Fr. T o m s i c, eine Ansprache zur Eröffnung einer Ausstellung
„Salzburg, Bayern und die Slaven" von F. Z a g i b a
und die Schlußansprache von Prof. Dr. P. Th. Michels,
OSB.

Die Darstellung Dvorniks ist sehr weit gespannt und
stellt die Tätigkeit der Slavenlehrer und die Auswirkungen
(einschließlich der protestantischen Bibelübersetzungen und
-drucke in Urach) derselben als hervorragende Kulturleistung
dar. Die neuesten Forschungsergebnisse sind herangezogen
(u. a. S. 31, Anm. 57 das Salzburger Sakramentar als Vorlage
für die Kiever Blätter, s. a. ThLZ 87, 1962 Sp. 860-62).
D.s Lieblingskind, die Annahme einer Patriarchatsakademie
(S. 25, Anm. 38), ist jetzt von H.-G. Beck allerdings als
Fiktion nachgewiesen worden („Bildung und Theologie im
frühmittelalterlichen Byzanz", in: Polychronion. Festschrift
für Fr. Dölger zum 75. Geburtstag, Heidelberg 1966, 69-81). -
Bd. 1/2 der „Annales" hat folgende Beiträge vereinigt:
H. Mitscha-Märheim (Wien), Archäologischesund
Historisches zur Slavensiedlung in Österreich (S. 1-32),
orientiert sein Thema an den wichtigsten Typen der Gräber
und ihrer Funde; Ä. Kloiber (Linz-Graz), Das Skelettmaterial
aus karantanischen Gräbern der Steiermark und
Oberösterreichs (S. 33-50), bietet dazu wesentliche Ergänzungen
für die genannten Siedlungsräume. Auch die nächsten
Beiträge beschäftigen sich mit den archäologischen
Voraussetzungen der cyrillo-methodianischen Forschung:
H. Koller (Wien), Bayerisch-fränkische Kolonisation in
Pannonien im 8. Jahrhundert (S. 51-61), bringt eine Über-