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Ausgabe:

1970

Spalte:

670-672

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Bernard, Johannes

Titel/Untertitel:

Die apologetische Methode bei Klemens von Alexandrien 1970

Rezensent:

Völker, Walther

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

670

allem an solchen Texten der Refutatio, deren Quellen (wie
z. B. Sextus Empiricus und Irenaus) noch heute vorhanden
und damit vergleichbar sind. Dabei stellt sich heraus (bzw.
es bestätigt sich, was bereits anerkannt war), daß Hippolyt
seine Quellen in der Regel (nicht immer! - s. die Behandlung
der Syntagmatradition über Simon Magus in Ref. VI,
19 f; S. 43 f) fast sklavisch wörtlich wiedergibt und sich mit
einem Minimum an eigener Redaktionsarbeit begnügt hat.
Der Schluö liegt nahe, dafj es sich auch beim Apophasis-
bericht (und anderen gnostischen Stücken der Refutatio)
ebenso verhält. Dieser Nachweis erhält eine weitere Unterstützung
durch eine Überprüfung der sog. Epitome zur
Refutatio (üb. X): Im Gegensatz zu der seit Wendland herrschenden
Ansicht, wonach Hippolyt in der Epitome im
Wesentlichen die Referate der Refutatio ausgeschrieben hat,
gelangt Frickel zu dem Resultat, daß auch die Epitome -
unabhängig vom Text des Hauptwerkes - auf die ketzerischen
Originalquellen zurückgreift, ja, ursprünglich vielleicht
sogar eine eigene ältere Schrift Hippolyts gewesen
ist. Die Integrität der Apophasis-Paraphrase in Ref. VI, 9 ff
wird durch den Epitomeabschnitt in Ref. X, 12 also weiter
befestigt.

Daß dieser erste Beweisgang nur den allgemeinen Umriß
der vermuteten gnostischen Quelle sicherstellen kann, liegt
freilich auf der Hand. Daher verbindet der Vf. den ersten
Anlauf zugleich mit einem zweiten, nämlich mit einer
genauen Untersuchung der Hippolytschen Zitationsweisen
und -formein in der Refutatio, besonders wieder im Apo-
phasisbericht. Ergebnis: Weder die Einleitungsformeln der
Originalzitate (Frickel kommt auf plus/minus sieben: Ref.
VI, 9,4; 11; 14,4; 14,6; 17,2-3; 18,2-7; S. 30 ff; dazu
noch 9, 6a - s. S. 122 und 17, 7; s. S. 198), noch das häufig
in Hippolyts Referat eingestreuteepnouv (S. 42 u. 88 ff), ja,
nicht einmal die zwei Zusammenfassungsformeln in Ref. VI,
9, 8 u. Kap. 11 (S. 98 ff) sind als literarisches Eigentum des
Hippolyt anzusehen, vielmehr stammen sie alle von der
Hand des gnostischen Paraphrasten, wobei das «pneav
in der Regel zur Kennzeichnung eines neuen Gedankens
oder Abschnitts innerhalb des Kommentars benutzt war.

Schließlich aber beschreitet Frickel noch einen dritten
Weg seiner Beweisführung, indem er sich an die „Nahtstellen
" zwischen dem ursprünglichen Text der Apophasis
und dem hinzugefügten Kommentar begibt und die terminologischen
und sachlichen Divergenzen diesseits und
jenseits dieser Grenzlinien hervorhebt. Als besonders drastisches
Beispiel solcher Quellenscheidung sei hier das (vom
Vf. so titulierte) „Axiom der Apophasis" in Ref. VI, 9, 6 a
(vgl. 9,8) herausgegriffen (S. 113 ff), wo die aristotelische
Unterscheidung von Potenz und Akt in Verbindung mit der
platonischen von Wesen und Erscheinung auftritt. Hier
schneidet die Schere des Quellenkritikers mitten hindurch:
Das aristotelische Argument fällt an die ursprüngliche
Apophasis - als deren Verfasser mehrfach Simon selbst
bezeichnet wird (S. 105; 112 f; 120; 122), während das
platonische Motiv a conto des Paraphrasten geht.

Es ist im Zuge einer kurzen Besprechung nicht annähernd
möglich, die zahlreichen Details der Frickel'schen
Abhandlung, die zur Diskussion herausfordern, auch nur
aufzuzählen. Ich beschränke mich statt dessen auf wenige,
teils zustimmende, teils kritische Bemerkungen. Überzeugend
, bzw. fast überzeugend finde ich die Arbeit vor allem
an zwei Punkten, die freilich keine Hauptpunkte sind,
nämlich einmal bei der Untersuchung der Epitome (S. 56 ff),
sodann beim Vergleich der Naassenerpredigt (S. 169 ff).
In der Naassenerpredigt könnte u. U. sogar noch mehr
ursprünglich simonianisches Material stecken, als der Text
heute noch verrät. Demgegenüber gestehe ich, daß ich
wesentlichen Teilen der übrigen Argumentation, die oft
mehr durch den Scharfsinn des Vf.s als durch ihr sachliches
Gewicht beeindrucken, nur zögernd zu folgen vermag.

1. Um das wichtigste Problem vorwegzunehmen: Hippolyt
gibt an keiner einzigen Stelle seines Apophasisberichtes
zu erkennen, daß er unter dem Namen Simons gar nicht die
Megale Apophasis selbst, sondern lediglich ein sekundäres
Produkt, nämlich eine Paraphrase zu einigen Apophasis-
aitikeln, die als solche deutlich erkennbar waren, ausgeschrieben
hat. Vielmehr identifiziert er seine Quelle durchweg
und unbedenklich mit der Apophasis und darum mit

Simon selbst. Hat also schon Hippolyt den von Frickel
behaupteten Unterschied zwischen Apophasis und Paraphrase
nicht erkennen können? Aber das ist nach Frickels
Beweisführung eigentlich ausgeschlossen. Oder hat er
diesen Unterschied nicht erkennen wollen und seinen
Lesern den wahren Charakter seiner Quelle bewußt vorenthalten
? Aber das erscheint mir erst recht unwahrscheinlich.

2. Frickel setzt überall voraus, daß die von Hippolyt
benutzte Quelle rein gnostischer Herkunft war, dagegen
erwägt er nirgends die andere Möglichkeit, daß die vor-
hippolytsche Redaktion des von Hippolyt verarbeiteten
gnostischen Quellenpakets, wenn wir schon eine solche
annehmen sollen, ja auch auf einen kirchlichen Sammler
zurückgehen könnte, dessen Material dem Hippolyt
überkommen war. Ist es wirklich unbedenklich anzunehmen
, Hippolyt habe in seinem Urteil über den Simonianis-
mus nahezu kommentarlos einem gnostischen Autor
das Wort überlassen? Ist nicht die augenfällige Voranstellung
des in der Apophasis mißhandelten doppelten AT-
Zitates (Dtn 4, 24/Ex 24,17) v o r die eigentliche Uberschrift
der Apophasis (Ref. VI, 9, 3 f) weit einfacher i. S. kirchlicher
Polemik gegen Simon (Simon contra Mose!) als i. S.
einer gnostischen Paraphrase über Simon zu verstehen?

3. So wenig gegen die quellenkritische Auswertung von
Zitationsformeln als solche etwas einzuwenden ist, so sehr
ist doch zu fragen, ob diese Basis der Quellenscheidung -
aber dasselbe gilt mutatis mutandis auch für die vom Vf.
behaupteten Divergenzen an den „Nahtstellen" des Textes
(s. o.) - in unserem Fall nicht einfach zu schmal ist, die ihr
aufgebürdete Beweislast zu tragen. Als Beispiel dafür, wie
schwankend der Boden wird, wenn man den Text kritisch
überfragt, sei auf Ref. VI, 17,1 f gewiesen. Hier wird zunächst
(wie in Kap. 11) eine wichtige Ausführung- angeblich
des Paraphrasten - mit einem koct& töv Ei.|.iu>va eingeführt
(vgl. dazu S. 106). Dagegen wird kurz darauf mit
einem puren £yovai) (man beachte den Plural!) ein
angeblich wörtliches Zitat aus der Apophasis beigesteuert
(S. 35 ff). Soll hier also wirklich ein Simonianer - denn ein
solcher muß der Paraphrast schließlich doch gewesen sein -
von seiner eigenen Sekte, ja sogar von Simon selbst, lediglich
in der 3. Person Pluralis geredet haben? Ist es nicht
auch hier weit einfacher, an einen katholischen Polemiker
zu denken? Und zeigt nicht das ganz analoge Zitationsproblem
in Tertullians De pudicitia, wie fast unmöglich es
ist, allein aus wechselnden Zitationsformeln einen sicheren
quellenkritischen Kompaß zu gewinnen?

4. Ein Letztes: Daß der historische Simon, wie Frickel
meint, als Verfasser der Megale Apophasis zu gelten hat,
ganz gleich, wie man nun deren Umfang bei Hippolyt
bestimmt, halte ich - schon im Blick auf die Syntagma-
Tradition, für völlig ausgeschlossen. Aber dieser Punkt läßt
sich in Klammern setzen; denn an sich käme Frickels
Quellenscheidung auch ohne diese Behauptung aus. Bedenklich
finde ich dagegen den fast völligen Verzicht des Vf.s
auf eine Berücksichtigung der philosophischen und reli-
gionsgcschichtlichen Voraussetzungen des Apophasisberichts
(s. hierzu jetzt Salles-Dabadie) und dessen Einordnung in
größere Zusammenhänge. Ohne den ständigen Blick über
das bloße Quellenproblem hinaus - das unterscheidet die
heutige Situation der Forschung von der der Jahrhundertwende
- bleibt auch die fleißigste Quellenkritik letztlich
eine unsichere Sache.

Corri(ronda: S. 21 Anm. 1 Zolle 8 f. lies: l'expreaslon; S. "1
Anm. 4 lies: Leist Klint? 87—Wj S. 32 Zeile ?."> lies: Analyse;
S. 78 zu Anin. 4: DnO «He Mnrkosfer die „Kürze" der Besch rei-
bHBf ihres Kullns durch Irenaus zum Anlaß genommen nah« n
sollen, ihre Bräuche abz"leii(jnen, treht ars Ref. VI, 42.1
tferade nicht hervor! 8. 137 Anm. 2 lies: Absatz 9, 4 f.; S. 144
Zeile 2 lies: In zehn Sehrilten: S. 191 Zelle 21 lies: umfallt.

Erlangen Karlmanu r>eysehl:ipc

Bernard, Johannes: Die apologetische Methode bei Klemens
von Alexandrien. Apologetik als Entfaltung der Theologie.
Leipzig: St. Benno-Verlag 1968. XXI, 402 S. gr. 8° =a
Erfurter theologische Studien, im Auftrag d. Philos.-Thcol.
Studlumi Erfurt hrsg. v. E. Kleincidam und H. Schür-
mann, 21.

Die Lektüre dieser fleißigen, sorgfältigen und kenntnisreichen
„Dissertation" (so auf S. 139) hinterläßt einen zwie-