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Ausgabe:

1970

Spalte:

663-665

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Pastor Piñeiro, Félix Alejandro

Titel/Untertitel:

La eclesiología juanea según E. Schweizer 1970

Rezensent:

Bertram, Georg

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663

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

Charakteristikum dieser Arbeit: Sie beruft sich fortlaufend
auf Sekundärliteratur, und diese wird nicht so sehr durch
das 5seitige Literaturverzeichnis, sondern durch neuere
Kommentare und Lexikonartikel repräsentiert. St. schafft
sich zum Beispiel S. 59 über die Vielschichtigkeit der Problem
»anhand der einschlägigen lexikalischen Literatur" einen
Überblick oder entnimmt S. 90 Anm. 100 Einzelheiten aus
einem Exkurs von H. Schlier. Spezialartikel kommen im
wesentlichen nur durch Vermittlung anderer in Sicht (etwa
H. Odeberg auf S. 42 Anm. 33 über Mußners Studien). Nach
S. 40 sind sich die Exegeten einig, nach S. 42 f. stellt einer
eine passende Formulierung zur Verfügung usw. Wo St.
selbst verantwortlich zeichnet (etwa bei der Aufstellung
über den Wechsel von .wir" und „ihr" im Epheserbrief auf
S. 136), sind die Angaben unvollständig. Daß der Druck
mäßig ist (ich bemerkte elf Druckfehler, u. a. „M.chl" statt
O. Michel S. 78 Anm. 44), sei gleich hinzugefügt. Neu war
mir das (duetsche?) Wort „Offenbarkeit" S. 30.

Man wird den Wert dieser Arbeit daher kaum dort
suchen dürfen, wo man ihn zunächst vermutet. St. hat, und
das ist sicher auch verdienstvoll, neben exegetischen Einzelbeobachtungen
„aus ökumenischer Einstellung heraus" eine
Vermittlung „wenigstens zwischen den extremen Urteilen"
gesucht (S. 141). Daß dabei E. Käsemanns Arbeit als zu
kritisch in den Hintergrund und gemäßigte, oft katholische
Positionen nach vorn gerückt werden, versteht sich von
selbst. Man hätte sich stattdessen eine Auseinandersetzung
mit den brennenden Problemen beider Briefe gewünscht.
Vermutlich wäre diese Auseinandersetzung am Text das
ökumenischere Unternehmen gewesen.

Horndorf b. Leipzig Uottfrieu Schille

Pineiro, Felix Alejandro, S. I.: La Eclesiologia Juanea segün
E. Schweizer. Roma: Libreria Editrice dell'Universitä
Gregoriana 1968. XXXI, 241 S. gr. 8° = Analecta Grego-
riana cura Pontificiae Universitatis Gregorianae edita.
Vol. 168. Series Facultatis Theologicae: Sectio B, n. 55.
Lire 3.000,-.

Von der Untersuchung der neutestamentlichen Grundlagen
eines evangelischen Kirchenbegriffes aus ist Eduard
Schweizer (S.) im Kirchenkampf zu der scharfen Gegenüberstellung
eines charismatischen Christentums, wie es das
johanneische Schrifttum nach seiner Ansicht vertritt, und
einer institutionell und dogmatisch gebundenen Haltung im
Sinne des werdenden Katholizismus gekommen. Führte
diese Auffassang grundsätzlich zu einer Kritik an allem
amtlich geordneten Kirchentum gerade auch im protestantischen
Bereich, so hat doch der Vf. der vorliegenden Arbeit,
Pater Pineiro (P.) mit Recht die Untersuchungen von S. als
repräsentativ für eine wesentlich protestantische kirchenkritische
Stellungnahme empfunden und als radikale Auseinandersetzung
mit dem katholischen Kirchenbegriff verstanden
. Er nimmt das zum Anlaß einer systematischen
Darstellung und kritischen Beleuchtung der Thesen des
protestantischen Theologen, die der Klärung der Probleme
der johanneischen Ekklesiologie dienen und damit einen
förderlichen Beitrag zu einem gemeinsamen katholisch-
evangelischen Bemühen um exegetische und biblisch-theologische
Fragen in ökumenischer Gesinnung darbieten möchte.

Im ersten Teil schildert P. die johanneische Ekklesiologie
nach S. in systematischem Aufbau. Der johanneische Typus
ist neben dem der Urgemeinde und dem paulinischen trotz
seiner Eigenart oft übersehen worden. Für Johannes ist die
cschatologische Erwartung Gegenwart geworden. Christus
ist ein und alles in der Verkündigung. Die heilsgeschichtliche
Betrachtung fehlt. Berufung ist Gnadengabe für die
Erwählten; die anderen bleiben verworfen. Kirche und Welt
sind streng geschieden. Die Einheit der einzelnen untereinander
wie der Gemeinden liegt in ihrer Zugehörigkeit zu
Christus. Aus der Gleichheit aller Glieder und ihrer Eigenständigkeit
ergibt sich die Ablehnung autoritärer Ansprüche.
In der neuen historischen Situation der Johannes-Briefe
droht die Gefahr der Auflösung der Gemeinde in Konven-
tikel und Gruppen vollkommener Gnostiker und Schwärmer
mit doketischen Neigungen. Die großkirchliche Entwicklung
dagegen steht in historischer Kontinuität mit dem Judentum

und könnte leicher dem Ebionitismus verfallen. Die johanneischen
Gemeinden aber stellen sich der Entwicklung zur
Institutskirche mit monarchischem Episkopat entgegen. Das
Dienen Jesu ist Vorbild jedes Dienstes in der Gemeinde.
Die Macht zu binden und zu lösen, gehört nicht den Zwölf,
sondern den Jüngern überhaupt. Das johanneische Schrifttum
kennt keine Propheten und Lehrer. Die Leitung der
Kirche geschieht durch den Geist. Diese charismatische
Kirche steht der römischen mit ihrer hierarchischen, juridischen
, diktatorischen und despotischen Verfassung, mit
ihrem monarchischem Episkopat und mit ihrer papalen
Weltmonarchie gegenüber. Ordination und apostolische
Sukzession werden abgelehnt. Die Weitergabe des Evangeliums
von Generation zu Generation ist Sache der ganzen
Gemeinde. In der gottesdienstlich versammelten Gemeinde
offenbart sich der Geist und bezeugt sich Christus. Unter
den Gaben des Geistes ist entscheidend die des Wortes.
Gemeinde verwirklicht sich im Glauben an die Freiheit und
an die Treue Gottes.

Methodischer Grundsatz ist die Erkenntnis, daß die
Schrift nicht Gesetz, sondern Evangelium ist. Die Verfassung
der Gemeinde muß nicht nur historisch erforscht,
sondern von ihrem Wesen her erfaßt werden. Es geht nicht
um eine fortlaufende Entwicklung von einer enthusiastischen
Urgemeinde zu einer verfaßten Ordnung. Vielmehr
muß die Eigenständigkeit der neutestamentlichen Botschaft
gegenüber allen Einflüssen der jüdischen oder hellenistischen
Umwelt gewahrt bleiben. Daraus ergeben sich auch die
hermeneutischen Grundsätze, die die Beziehungen zwischen
Schrift, Tradition und moderner Verkündigung betreffen. In
dem ständigen Wandel, in dem die Tradition schon im
Neuen Testament selbst begriffen ist, darf der Zusammenhang
mit dem Ursprünglichen nicht verloren gehen. Vielmehr
gilt es, zugleich das Schriftprinzip und die fortschreitende
Offenbarung im Neuen Testament im Sinne des
johanneischen Zeugnisses über den Geist festzuhalten. Das
bedeutet, den Kanon im Kanon auszuwählen und von da
aus die Botschaft zu verstehen. Die Tradition der Kirche
wie auch die alttestamentliche Offenbarung sind christolo-
gisch ausgerichtet. Das Neue Testament schaut den historischen
Jesus und den auferstandenen Christus stets als
Einheit. Historie und Tradition sind untrennbar. Aktualität
und Modernität ergeben sich nicht aus dem Rückgriff auf
die vorösterliche Geschichte an sich Diese muß vielmehr
durch Auferstehung und Ostern ihr Licht empfangen. Dabei
bleibt das historische Geschehen der Kreuzigung die Grundlage
, die durch den Geist gedeutet wird. Der Geist ist der
ganzen Kirche und allen Gläubigen gegeben, und seine
Wirkung vollzieht sich in der Zeit durch das Neue Testament
. Sie ist menschlich begrenzt, bleibt aber unlöslich mit
dem fleischgewordenen Wort Gottes verbunden. Eine Garantie
für den Glauben gibt auch der Kanon nicht. Die
Deutung der Schrift beruht auf Hören und Obersetzen,
Hören als Menschen unserer Zeit ohne Engigkeit in Verbundenheit
mit der Kirche und der Ökumene. Aber bei dem
Widerstreit der Meinungen wird die johanneische Ekklesiologie
zu einem Thema einer theologischen Kontroverse
zwischen den Konfessionen.

Im zweiten Teil hat P. Beobachtungen und Einwände
der zahlreichen Kritiken und sonstigen Stellungnahmen
trotz ihrer Zufälligkeit und trotz ihrer Verteilung auf einen
langen Zeitraum, in dem S.s Meinungen sich entfalteten,
in systematischer Ordnung zusammengestellt. S. hat die
römische Ekklesiologie unbedingt abgelehnt, hat aber doch
die neutestamentlichen Grundlagen auch des katholischen
Kultes anerkannt. So bemüht sich P. bei aller Zurückweisung
der Kritik von S. zumal unter Hinweis auf Vaticanum II,
eine Annäherung der katholischen und der protestantischen
Ekklesiologie an den strittigen Punkten nachzuweisen und
so anstelle der festgefahrenen Debatte, die oft durch unzulängliche
Argumente und mißverstandene Tatbestände belastet
ist, einen erfolgversprechenden ökumenischen Dialog
vorzubereiten. Diese Tendenz beherrscht auch die weitere
Auseinandersetzung, in der zunächst S.s Gesamtauffassung
vom Standpunkt katholischer Kritiker behandelt wird. Die
formgeschichtliche Methode wird mißbraucht, um vom
Menschen her über Gottes Wort zu richten. Vielfach wird
auch die Art angegriffen, in der S. die Argumentation a
priori und e silentio anwendet. So werden manche Über-