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Ausgabe:

1970

Spalte:

661-663

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Steinmetz, Franz-Josef

Titel/Untertitel:

Protologische Heils-Zuversicht 1970

Rezensent:

Schille, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

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Jerusalems'* (S. 78-88) dürfte an dieser Stelle fehl am
Platze sein. Hinzu kommt, dag es wohl kaum befriedigend
gelingen dürfte, auf 1 'A Seiten dieses umfangreiche Thema
zu bewältigen Überhaupt fällt auf, dag F. das Neue Testament
ganz unkritisch benutzt und dadurch dem heutigen
Leser keine Hilfe bietet.

Der 2. Teil: „Das römische Weltreich zur Zeit des Neuen
Testaments" (S. 165-325) enthält kaum Änderungen gegenüber
den beiden ersten Auflagen. Neben geringfügigen
Kürzungen (vor allem durch Wegfall einiger Zitate) lassen
sich nur unwesentliche Umstellungen (vor allem innerhalb
des Abschnitts: »Die religiöse Lage", S. 266 ff.) und neue
Überschriften beobachten, ohne dag inhaltlich der Text
verändert ist. Leider entsprechen die Literaturhinweise in
der Neuauflage nicht dem neuesten Stand. In einem 1968
erschienenen Werk ist man über eine Bemerkung wie die
folgende doch etwas erstaunt: »Neuestens über den Hellenismus
: V. Grönbech, Der Hellenismus, 1953" (S. 345 Anm. 3)!
Augerdem sollte Nilsson II doch wohl nach der 2. Auflage
von 1961 zitiert werden 1 Dag der Hellenismus wieder nur
als .Kulturfaktor" gewertet wird (S. 169 ff), entspricht nicht
dem Stand der heutigen Forschung. Das gleiche gilt für den
Abschnitt: „Die gesellschaftliche Lage" (S. 201 ff.), der nur aus
den beiden Unterteilen: „A. Die Familie, B. Das Sklavenwesen"
besteht. Der Unterabschnitt über die Gnosis wurde überarbeitet
und durch die Einbeziehung der Ausführungen
über die Orphik als einer »Vorstufe" (S. 297) erweitert,
wobei jedoch diese Änderung wenig sachgemäg erscheint.
Leider wird die Frage einer vorchristlichen jüdischen Gnosis
nicht angeschnitten, bleiben Qumran- und Nag Hammadi-
Texte hier unberücksichtigt, wird die Problematik des
Johannes-Evangeliums hinsichtlich seines religionsgeschichtlichen
Standort nicht ernsthaft diskutiert. Bezeichnenderweise
ist das in einer Anmerkung in der 1. Auflage 1956
enthaltene Zugeständnis, dag „besonders Johannes ... in
der Gnosis Sprache* spricht (vgl. S. 227), jetzt gestrichen
worden.

In einem Anhang werden I. Das Achtzehnbittengebet
(S. 326 f.), n. Übersetzungen der im Text genannten biblischen
und jüdischen Schriften (S. 327) und III. Literatur
zu den einzelnen Gebieten (S. 328-330) (Die Qumran-
bibliographie bietet aber nicht Chr. Borchard, sondern
Chr. Burchard) angeführt. Ein Anmerkungsteil (S. 331-360)
und ein Namen- und Sachregister (S. 361-374) beschliegen
diese Neutestamentliche Zeitgeschichte.

Wenn auch viele kritische Anfragen und Einwände erhoben
werden mugten, so soll doch das Positive dieses
Buches nicht verschwiegen werden: es liegt in seiner leicht
verständlichen Sprache, dem flüssigen Stil, der übersichtlichen
Anordnung des sehr umfangreichen Stoffes und der
vorteilhaften Straffung und Beschränkung auf das Notwendigste
.

Berlin Günther Baumbach

Steinmetz, Franz-Josef: Protologische Heils-Zuversicht. Die
Strukturen des soteriologischen und christologischen Denkens
im Kolosser-und Epheserbrief. Frankfurt/M.: Knecht
1969. IX, 158 S. 8° = Frankfurter Theologische Studien,
im Auftrag d. Philosophisch-Theolog. Hochschule u. Theolog
. Fakultät S. J. Sankt Georgen, Frankfurt/M. hrsg. v.
H. Bacht, J. Haspecker f und O. Semmelroth, 2.

Religionsgeschichtliche und hymnologische Untersuchungen
haben in den letzten Jahrzehnten die beiden Briefe an
die Epheser und Kolosser ins Blickfeld der neutestament-
lichen Forschung gerückt. Dadurch hoben sich diese »Deu-
teropaulinen" immer schärfer vom corpus Paulinum ab, weil
sie von der „Gnosis" ebenso wie von einer taufnahen
urchristlichen Hymnodik stärker als „echte" Paulusbriefe
Gebrauch machen. Was tragen diese Besonderheiten theologisch
aus? Die vorliegende Untersuchung ist 1968 unter
dem Titel „Die Eschatologien des Kolosser- und Epheser-
briefes" der katholisch-theologischen Fakultät in Trier als
Dissertation vorgelegt worden. Für den Druck wurde sie
„weitgehend", aber unter Erhaltung des ursprünglichen
Entwurfs überarbeitet (Vorwort). In sieben Kapiteln werden
Teilaspekte des Themas geprüft (als Muster: I. Die

Eschatologie in den paulinischen Hauptbriefen; II/III.
„Spuren" futurischer Eschatologie bzw. die präsentische
Eschatologie der Deuteropaulinen). Ein gesonderter „Rückblick
" (S. 141-147) zieht die Summe, ohne alle Einzelergebnisse
(jeweils am Schlug der Absätze) zu wiederholen.

St. fagt die Aussage der jeweiligen Stelle (nicht so sehr
der flächig ermittelten paulinischen Ausführungen) in Diskussion
mit modernen Kommentaren ins Auge und hebt
die Differenzen zur paulinischen Verkündigung, aber auch
innerhalb eines Schreibens scharf heraus. Auf diese Weise
erhärtet sich Zug um Zug die Erkenntnis, dag die Rede-
und Denkstruktur beider Briefe anders als im corpus
Paulinum sonst ist. Dagegen schrumpfen die zwischen beiden
Briefen von anderen erhobenen Differenzen auf ein
Minimum ein. „Die tiefgreifenden Struktur-Unterschiede
zwischen dem Kol/Eph und den paulinischen Hauptbriefen
sollte man nicht bestreiten" (S. 143). Besonders „springt das
weitere Zurücktreten der traditionell futurisch ausgerichteten
Eschatologie im Kol und Eph ins Auge". Ausgleichend dafür
rücken die Gedanken der Heilsgegenwart, ein räumliches
Denken und die „protologische Ausrichtung der gesamten
Theologie" - gemeint ist die theologische Begründung des
Heils im Motivkreis der Prädestination - vor. Das bedeutet
nicht, dag das Futur völlig verschwindet. St beobachtet
„Spuren" der traditionellen Eschatologie (Kap. II, S. 29 ff.)
und „Äquivalente" (Kap. VII, S. 113 ff.), zum Beispiel die
Motivkreise „Wachstum" und „Erfüllung" (das ist kein
glücklicher Begriff für den griechischen Stamm pleroun und
den Begriff „Hoffnung").

Allerdings wird der Wert der Arbeit durch ihre methodische
Eigenart geschmälert. Schon die Erklärung, die starke
Berücksichtigung der Heilsgegenwart in beiden Briefen sei
durch deren Protologie „tiefer begründet* (S. 144), enttäuscht
: „Wenn nämlich einmal klar erkannt ist, dag die
letzten Dinge von Gort her gesehen zugleich die ersten sind,
das Eschaton also das Proton bildet, dann ist es alles andere
als Vermessenheit, wenn dieser Glaube nun auch zuversichtlich
die futurische Blickrichtung, zugunsten eines präsentischen
oder gar aoristischen Bekenntnisses, weniger im
Auge behält" (S. 70). Aber das Problem besteht ja gar nicht
im Vorliegen von Aoristen, sondern in dem seltsamen
Nebeneinander präsentisch-aoristischer und futurischer Aussagen
! Anders: Der Kolosserbrief kann gleichzeitig sagen:
„er hat uns versetzt in den Herrschaftsbereich des Sohns
seiner Liebe" (1,13), und: „sucht, was droben ist, wo der
Christus ist, sitzend an der Rechten Gottes" (3,1). Ähnlich
der Epheserbrief: „wir sind mit inthronisiert in den Himmeln
in Christus Jesus" (2, 6), und gleichzeitig: „ihr und
euer Herr ist in Himmeln" (6, 9). Wo eigentlich lebt die Gemeinde
nach dem Kol/Eph, oben oder unten? Die Antwort
lägt sich keinesfalls mit einem Hinweis auf die räumliche
Denkweise geben. Denn diese wird ja gerade zerbrochen,
wie unsere wenigen Hinweise zeigen.

Darum ist nicht nur ein nebensächlicher Mangel der
Arbeit, dag sie auf religionsgeschichtliche Fragen höchstens
beiläufig einzugehen bereit ist: „Es darf zunächst noch einmal
betont werden, dag diese Untersuchung nicht in erster
Linie auf die delikaten Fragen religionsgeschichtlicher Vergleiche
und Abhängigkeiteni eingehen kann". St. möchte
demgegenüber „mehr systematisch-spekulativ" die „Frage
nach dem Unterschied zwischen christlicher und unchristlicher
Gnosis" klären (S. 12 f.). Leider bleibt diese Klärung
dann aus. Nur im Resume entdeckte ich den Hinweis, man
müsse „immer zugleich über die Ahnung des Christus-
Mvsteriums" reflektieren, „die in vor- oder augerbiblischen
Schriften zur Sprache gekommen" sei (S. 143).

Unerläglich wäre es auch gewesen, nicht nur von Hymnenfragmenten
zu reden (etwa S. 144, wobei Hvmnpnfor-
schung und Sachkritik fast identisch erscheinen). Dag beide
Briefe, wie oben gezeigt, „in zwei Räumen gleichzeitig"
denken, ist vermutlich nur durch die Annahme zu erklären,
dag der Briefverfasser (vom Blickpunkt „unten" her) das
hymnische Reden (Taufe bringt den Menschen nach „oben")
korrigiert, wobei eine echt paulinische Spannung entsteht:
Der Getaufte hat das Heil volloültig erhalten, steht aber
noch vor dem endgültigen Empfangen.

Freilich hat St. von Hymnenfragmenten nur durch die
Sekundärliteratur erfahren, etwa durch E. Käsemanns
Epheser-Artikel in RGG*. Das führt zu dem merkwürdigsten