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Ausgabe:

1970

Spalte:

650-652

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Liber Jesaiae 1970

Rezensent:

Wildberger, Hans

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649

Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 9

650

Anlage und Methode genau der des Epheser-Briefes. Sie
bringt jeweils in der ersten Zeile den griechischen Text, der
mit dem der Nestle/Aland-Ausgabe identisch ist, dann die
verschiedenen, vom Hrsg. angenommenen lateinischen Textformen
. In der Regel sind es folgende: X == der Text, wie
er in den Zitaten Tertullians (Marcion eingeschlossen)
erscheint, K = der Text des Cyprian, D = der Text des
Archetyps der bilinguen Handschriften (dfg), als dessen
Hauptzeuge Lucifer von Calaris anzusehen ist, I = der
Text, wie er u. a. von Marius Victorinus und vom Ambrosiaster
bezeugt wird, V = der Text der Vulgata. Der erste
Apparat bietet die Abweichungen der einzelnen Handschriften
und Kirchenschriftsteller, der zweite die Zitate der
Kirchenschriftsteller zusammen mit ihrem jeweiligen Kontext
.

Die der Edition vorangestellte Einleitung (S. 9-45)
bringt zunächst eine Liste der Handschriften, deren Zahl
gegenüber dem Epheser-Brief größer geworden ist. Die
Beschreibung der Handschriften ist in der Regel kürzer
gehalten als in der Einleitung zum Epheser-Brief, da auf
die ausführlichen Beschreibungen in 24/1 und auf die S. 14
genannten Arbeiten von B. Fischer und H. J Frede verwiesen
werden kann.

Wurde in der Einleitung zur Edition des Epheser-Briefes
eine eingehende Begründung der verschiedenen Texttypen
versucht, so wird diesmal das Hauptgewicht auf die Überlegungen
zur Rezension der Vulgata gelegt (S. 26-43). Das
hängt natürlich mit der von Frede vertretenen These zusammen
, „Pelagius" sei »der früheste Zeuge der Vulgata"
(S. 43), einer These, die in den letzten Jahren lebhaft diskutiert
wurde und bis heute umstritten ist. In diesem Abschnitt
werden zuvor zwei Gesichtspunkte genannt, welche
die Auswahl der Vulgata-Handschriften in der Vetus Latina-
Ausgabe bestimmten, .Das auch in ihnen enthaltene altlateinische
Textgut soll erfaßt und darüber hinaus eine möglichst
umfassende Grundlage für die Rezension der Vulgata gewonnen
werden* (S. 26). Dazu wird gesagt: »Beide Gesichtspunkte
verbinden sich in dem Bemühen, die Überlieferungsgeschichte
der Vulgata in älterer Zeit, also etwa bis ins
9. Jahrhundert, zu klären" (aaO.). Im folgenden werden
diese Handschriften charakterisiert und u. a. wichtige Ausführungen
über die Theodulf-Ausgabe (S. 27 f) und die
Alkuin-Bibel (S. 28-30) gemacht.

Zur Charakterisierung der Vulgata bemerkt Frede: „Die
Vulgata ist ein auf Grund des Griechischen revidierter alt-
lateinischer Text" (S. 31). Aus dieser Feststellung ergeben
sich für die Rezension des Vulgata-Textes zwei wichtige
Anhaltspunkte:

1. Die richtige Vulgata-Lesart ist im Zweifelsfalle diejenige
, die dem Griechischen genauer entspricht.

2. Die richtige Vulgata-Lesart ist in den Fällen, in denen
die Zeugen auseinandergehen, diejenige, die gegen die
altlateinischen Formen steht" (aaO.).

Das so grundsätzlich Gesagte wird anhand von 5 Listen
im einzelnen verdeutlicht (S. 33-35). Die Anwendung vornehmlich
des ersten Kriteriums macht die Korrektur der
Oxforder-Ausgabe (W-W) an nicht wenigen Stellen erforderlich
(S. 36-38).

Besondere Bedeutung mißt Frede dem Pelagius-Text bei,
den er .unter die führenden Vulgata-Zeugen" einreiht (S. 41).
Die S. 41-43 behandelte Streitfrage, ob der Pelagius-Text
der Vulgata schon nahesteht, aber doch noch nicht den
Vulgata-Text selbst bietet, wie K. Th. Schäfer, E. Nellessen,
U. Börse und der Rez. annehmen, oder ob er Vulgata-Text
ist, in den nachträglich altlateinische Lesarten eingedrungen
sind, wie Frede meint, wird wohl erst dann eine allseits
befriedigende Antwort finden, wenn aufgrund der Beuroner-
Ausgabe eine Gesamtübersicht über das Corpus Paulinum
möglich ist.

Einige Bemerkungen über den griechischen Text und
über die orientalischen Übersetzungen schließen die Einleitung
ab (S. 43-45).

Man ist dem Hrsg. und dem Institut der Vetus Latina zu
großem Dank verpflichtet dafür, daß die Reste der altlateinischen
Bibel in einer solchen wohl unüberbietbaren Vollständigkeit
und in einer so klaren Übersichtlichkeit herausgegeben
werden. Dies um so mehr, als diejenigen, die diese
gewaltige Arbeit auf sich genommen haben, das Bewußtsein
haben müssen, die Vollendung des so hoffnungsvoll begonnenen
und so zielstrebig weitergeführten Werkes selbst
nicht mehr zu erleben.

Bei einer solchen Edition, die sich darauf festgelegt hat,
Textformen, d. h. rezensierte Texte zu edieren, besteht
grundsätzlich folgende Schwierigkeit: Einerseits soll durch
die Edition das gesamte Material dargeboten und so die
Möglichkeit zur Erhellung der komplizierten Textgeschichte
erst geschaffen werden, andererseits setzt eine solche Edition
natürlich eine bestimmte Auffassung vom Ablauf der Textgeschichte
voraus. Die Bemerkung Fredes im Blick auf den
Vulgata-Text: »Der richtige Text läßt sich nur aufgrund der
geklärten Textgeschichte erreichen" (S. 31), gilt mutatis
mutandis auch für den Text der mit den Sigla X, K, D, I
bezeichneten Formen. Die von Vogels in der oben genannten
Besprechung (Sp. 185) geäußerte Meinung, die Edition
von Texten sei der von Textformen oder Texttypen vorzuziehen
, möchte ich zum mindesten für den Typ I gelten
lassen, der ja ohnehin nicht ganz eindeutig zu bestimmen
ist (vgl. E. Nellessen, Der lateinische Paulustext im Codex
Baliolensis des Pelagiuskommentars: ZNW 59,1968 S. 210-
230). Wenn die Edition erst die Voraussetzung für die
Klärung der Textgeschichte schaffen soll, und wenn die
Geschichte der altlateinischen Textüberlieferung außerordentlich
kompliziert ist - zugestandenermaßen vor allem
an ihrem Anfang und an ihrem Ende -, dann sollte man
bis zu einer endgültigen Klärung auch andere Auffassungen
gelten lassen. Das bezieht sich insbesondere auf die Frage
nach dem Anteil Marcions an der Entwicklung des altlateinischen
Textes und auf die Frage nach dem Verhältnis
des Pelagius-Textes zur Vulgata.

Angezeigt wird noch Band 26/1 Epistulae Catholicae,
von dem in den Jahren 1956-1967 die Lieferungen 2-6
erschienen sind. Er soll jedoch erst dann besprochen werden,
wenn auch die Einleitung dazu erschienen ist, in der die
Grandsätze der Edition vogelegt werden.

Bonn Heinrich Zimmermann

Thomas, D. Winton: Liber Jesaiae. Stuttgart: Württembergische
Bibelanstalt 1968. XXLT, 105 S. hebr. gr. 8° =
Biblia Hebraica Stuttgartensia, Editio Funditus Renovata,
ed. K. Elliger et W. Rudolph, 7.

Mit dem vorliegenden Heft beginnt die längst erwartete
Neuausgabe der .Kittelbibel". Als „editio funditus renovata"
erscheint sie unter dem abgeänderten Titel Biblia Hebraica
Stuttgartensia (BHS). Aus technischen Gründen mußte eine
neue Schrift geschaffen werden; das Ergebnis der nicht
geringen Mühe befriedigt ästhetisch vollauf; in bezug auf
die Lesbarkeit dürfte sie sogar die BHK' noch übertreffen.
Im Vorwort (deutsch und englisch) geben Karl Eiliger und
Wilhelm Rudolph Rechenschaft über die Grundsätze, welche
sie bei der Neuausgabe geleitet haben; Gerard E. Weil
erörtert die Probleme der von ihm betreuten Masora. BHS
basiert wie BHK' auf dem Leningradensis, und zwar, im
Gegensatz zu BHK*, »wie ihn die letzte Hand bietet".
Offensichtliche Schreibfehler sind durch Hinweis auf andere
Manuskripte im Apparat vermerkt. Wenn der Codex Alep-
pensis, welcher der in Jerusalem in Bearbeitung stehenden
Ausgabe der hebräischen Bibel zugrunde liegen wird
(s. dazu die von M. H. Goshen-Gottstein betreute "Sample
Edition": The Book of Isaiah, Jerusalem 1965), der wissenschaftlichen
Welt einmal frei zugänglich sein wird, wird
man sich allerdiags zu fragen haben, ob sich um der Einheitlichkeit
willen nicht auch BHS auf diesen Codex stützen
soll. Wie schon BHKS bietet auch BHS am Rand die kleine
Masora, aber, in immenser Kleinarbeit von Weil besorgt,
in völlig neuer, diesmal kritischer Bearbeitung. In einem
ersten, kleingedruckten Apparat wird bereits auf die große
Masora verwiesen. Man freut sich zu vernehmen, daß diese
selbst unter dem Titel „Massorah Gcdolah (Masora magna)
iuxta codicem Leningradensem B 19A" im Pontificium Instituten
! Biblicum in Rom erscheinen wird. Man ist Weil und
seinen Mitarbeitern zu hohem Dank verpflichtet, daß nun
endlich Aussicht besteht, die Masora in einer sorgfältigen
Ausgabe allgemein zur Verfügung zu haben.

Vorläufig wird sich das Hauptinteresse der Fachleute
dem textkritischen Apparat zuwenden, den D. Winton
Thomas für das Jesajabuch geschaffen hat. Die Zweiteilung