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Ausgabe:

1970

Spalte:

621-623

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Brinkschmidt, Egon

Titel/Untertitel:

Sören Kierkegaard und Karl Barth 1970

Rezensent:

Brinkschmidt, Egon

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 8

622

Notwendigkeit der Mission und versteht sie als ..ökumenische
Tat".

In diesen Vorträgen und Aufsätzen seit den dreißiger Jahren
treten sehr verschiedene, geschichtliche Situationen von
Kirche und Welt in Erscheinung. Der Kampf der Bekennenden
Kirche wird in seiner Bedeutung für die Ökumene eindringlich
dargestellt. Verschiedene und bedeutsame Stationen
in der Geschichte der Ökumene treten uns biographisch
gefaßt im letzten Teil des Buches entgegen, iu welchem kurzgefaßte
Lebensbilder uns bedeutende Bahnbrecher der Ökumene
schildern: Nathan Söderbloiu, John Mott, George Bell
und Dietrich Bonboeffer. Da nun aber der letzlere einer jüngeren
Generation angehört als die drei erstgenannten, so
hätte man sich gewünscht, daß in Parallele zu diesen Friedrich
Siegmund-Schultze oder Adolf Deißmunn gewürdigt
worden wäre; denn diese sind ohne Zweifel die eigentlichen
Bahnbrecher der Ökumene in Deutschland, die wir nicht vergessen
sollten.

Was die Zuwendung der ökumenischen Christenheit zur
Well anbetrifft, so erweist sich der Vf. als ein ausgezeichneter
Kenner all der Weltprobleme, denen sich die Ökumene gegenübersieht
, als ein Vorkämpfer für Weltfrieden, Partnerschaft
der Nationen und soziale Gerechtigkeit, und zwar derart
, daß immer die theologischen Grundlagen der Sozialethik
klar bestimmt werden. Wir sehen W. A. Visser't Hooft und
die Ökumene auf dem Wege zu einer ökumenischen Sozialethik
vor uns, und da alle großen sozialen und politischen
Probleme der Gegenwart Welt-Probleme sind, so ist in der
Tat die ökumenische Sozialethik ein Haupterfordernis der
Stunde für alle Kirchen; die Grenzen der historischen und
konfessionellen Traditionen müssen entschieden überschritten
werden. In der sozialen und politischen Arbeit kommt
dem christlichen Laien entscheidende Bedeutung zu, was inzwischen
die ökumenische, Konferenz über Kirche und Gesellschaft
(Genf 1966) eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat.

Bewunderungswürdig ist die Fähigkeit des Vf.s, sich in vier
verschiedenen Sprachen ausdrücken zu können. Der vorliegende
Band ist in ausgezeichnetem Hochdeutsch abgefaßt.

Jenseits der eigentlichen Thematik liegt die im Anhang
wiedergegebene Studie über Bembrandt, in welcher der große
Maler vor allem als Ausleger der Hl. Schrift dargestellt und
feinsinnig gewürdigt wird (vgl. auch das Buch des Verfassers
„Rembrandt und das Evangelium").

Münster/W. lieinz-Dictrich Wendland

REFERATE ÜBER THEOLOGISCHE DISSERTATIONEN IN MASCHINENSCHRIFT

Brinkschmidt, Egon: Sören Kierkegaard und Karl Barth.
Diss. Tübingen 1970. 218 S.

Kap. I: Die Vorinformation rückt Sören Kierkegaard in
den lilick, mit ihm diese Thematik: der Mensch im Gegenüber
zu Gott. Ein selbstverständliches, unbewegtes Davor- und
[m-Außen-BIeiben des Menschen, Gott auf der anderen Seite,
er seinerseits seiend und nur seinerseits, verharrend im Bei-
sich — das ist für Kierkegaard eine ausgeschlossene Möglichkeit
. Aneignung ist das Wort! Was aber bringt dieses Wort,
gesehen auf Mensch und Gott?

Kap. II: Das Thema von Mensch und Gott (älter und jünger
zugleich als Sören Kierkegaard), gegeben durch sich
selbst, zeigt sich als das Movens tIdeologischen Denkens. Da,
wo Theologie Theologie wird, konzentriert auf ihre Mitte
im Eigentlichen, muß die von Kierkegaard gesehene, erlebte
Konstellation: Mensch und Gott zur Sprache kommen. So
wird mit dem theologischen Aufbruch der zwanziger Jahre
der eine neben den anderen gerückt: Sören Kierkegaard neben
Karl Barth.

Kap. III: Gott und Mensch (der „Neu"-Ansatz Karl
Harths IiiLft es zu dieser Drehung der Thematik kommen:
flott und Mensch;, gesehen unter dein Aspekt des Seins
Oberhaupt, 1.), im Blick auf Zeit, 2.), in Hinsicht auf Geschichte
, .'!.). bilden den „Gegenstand". Aul diese drei Punkte
gesehen, ergibt sich die Kontroverse. Kntsprechung und zugleich
die Grenzen dieser Entsprechung werden deutlich,
wenn sich zeigt:

1. Bei Kierkegaard wie bei Barth kommt es zu einer I ni-

akzentuierung der Problematik von Gott .....I Mensen im

Hinblick auf Sein. Diese isl gekennzeichnet durch ''ine Verlagerung
der Problemmitte aus dem Hefle.xionshereich Gott/
Mensch-Sein überhaupt heraus in den Bereich Gottsein-
Menschsein. Die hier Stattlindende Diskussion ist hei Kierkegaard
wie hei Barth beherrscht vom qualitativen unendlichen

I literschied zwischen Gott und Mensch, dem Unterschied

des Menschen von Gott VOr Gott und ihrer dialektischen
Bezogenheit. Der bei Kierkegaard und Barth je eigene, durch
die jeweilige Situation sich ergehende Ansatz bedingt eine
Verschiedenheil der theologischen Aussage. Diese wird deutlich
vor allem in der Einsetzung und Verwendung des rhristn-
logischen Momentes. Anders als bei Kierkegaard komm! es in

Barths Äußerungen — bei einer nicht immer deutlichen Ak-
zeutsetzung — zu einer bewußten christologiseben Ausfor-
mung des Tatbestandes: Die das Verhältnis von Gott und
Mensch bestimmende Dialektik ist durch Christus „geordnet
".

2. Die ohen aufgewiesene Umakzentuierung der Beziehung
von Gott und Mensch findet, wo es um Ewigkeit und Zeit
geht, ihre Entsprechung: Bei Kierkegaard wie bei Karl Barth
erfährt die Beflexion der Thematik eine Wendung „nach
innen": Zeit wird nicht als allgemein vorauszusetzendes Zeitphänomen
(Ist-Zeit) thematisch, sie wird vielmehr — im Horizont
des Ewigen — als das Zeit-,,Werden" des Ewigen ausgesagt
. Es ist die Hede vom ..Augenblick", in welcher dialektisch
zugleich der unendliche qualitative Unterschied von
Ewigkeit und Zeit und deren Beziehung zueinander zur Geltung
gebracht wird. Der Unterschied zwischen Kierkegaard
und Barth wird in dem Maße deutlich, in dem das Christolo-
gische — hier in seinem zeitlichen „Vor" und „Dann" gesehen
— zur Wirkung gelangt.

,'!. Im Bereich der Problematik von Offenbarung und Geschichte
wird bei Kierkegaard wie hei Karl Barth die Offenbarung
zum zentralen Begriff der Auseinandersetzung. Ihr
gegenüber verliert die Geschichte (als Geschichte an sich)

ihre Eigenständigkeit. Unter der Bestimmung des Ewigen
erfährt der Mensch aufgrund und infolge des sich offenbarenden
Gottes Geschichte.

I kiese stellt sich dar im Scheitern des Menschen und als die
je und je im ..Augenblick" erfahrene Befreiung mihi .Nicht-
Sein zum Sein. (ieschichte wird zur t ieschichte des (ilaubens.
Auch in diesem Zusammenhang ist das christologische Moment
das Kriterium für Übereinstimmung und Verschiedenheit
. Da, wo Karl Barth — in Verlolg seines „leu"-Ansat-
zes — die Geschichte Christi (das Vor-Geschehon seiner (ieschichte
) als Bcalgriind für die Geschichte des Menschen betont
, kommt er Kierkegaard gegenüber zu anderen und neuen
A ussagen.

In Bündelung dieser Ausführungen gelangt die Untersuchung
zu folgendem erstem Ergebnis:

Karl Barth kommt mit Kierkegaard /n einer deutlichen
Markierung des Menschen und seiner Wirklichkeit. Diese
wird nicht isoliert, Im Rahmen von Mensch-Sein Überhaupt,