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Ausgabe:

1970

Spalte:

616-617

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Meer, Haye van der

Titel/Untertitel:

Priestertum der Frau? 1970

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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kl;n im; und Gegenwart unter «lern Entwicklungsscheiua von
Prinzipien- und Praxiszuwendung, Theologie- und Weltbezo-
genlieit zu deuten, sich durchhalten liiBt, dürfte das wichtigste
Problem sein, das von ihm aufgeworfen wird. Die Geschichte
der Homiletik hat durch die vorliegende Untersuchung
eine große Bereicherung erfahren. Das in der Regel
unterbelichtete Vorfeld der sogenannten ,Dialektischen Theologie
' ist homiletisch aufgehellt worden. Die damit vorgestellten
theologischen und homiletischen Probleme besitzen eine
unübersehbare Aktualität.

Rüdersdorf b. Derlin Friedrich Winter

Heidland, Ilans-Wolfgang: Das Verkündigungsgcspräcli.
Stuttgart: Calwer Verlag [1969]. 102 S. 8°.

Der Vf., Buohof und Professor für Praktische Theologie,
entfaltet eine ganz bestimmte Konzeption des Verkündigungsgesprächs
, die er nach verschiedenen Seiten bin abgrenzt
. In den ersten acht Kapiteln entwirft II. ein Programm
unter folgenden Aspekten: hermeneutisch, morphologisch,
katechetisch, liturgisch, personal, kerygmatisch, tiefenpsychologisch
und ekklesiologisch. Dann folgt die Bandnach-
schrift eines Gesprächs. Der Schlußteil des Büches enthält
methodische Winke und praktische Hinweise.

Die hermeneutischen Krörterungen stellen in sehr engem
Anschluß an Gadainer die Bedeutung des Gesprächs für das
Verstehen heraus. Unter morphologischem Aspekt betrachtet
, ist für II. das Gespräch die ursprüngliche Verkündigungsform
„. . . und die Predigt nur ein Sonderfall, der am Gespräch
zu orientieren ist" (S. 32). Auch didaktisch muß der
vorgetragene Lehrmonolog als überholt angesehen werden.
Im liturgischen Kapitel letzt lieh der Vf. polemisch mit
Schleiermachers Konzeption von Gottesdienst und Predigt
auseinander. Ein weiterer Abschnitt ist der Erörterung des
personalen Aspekts gewidmet. Der eigentliche Träger des
Gesprächs ist die Gemeinde. Sie wird durch ihre redenden
Glieder repräsentiert. Die Situation ist die gleiche wie in der
Aussprache eines Bibelkreises. Die Nichttheologen sind mit
der,, Tagesordnung der Welt" besser vertraut und können daher
die biblische Botschaft besser für diese Tagesordnung
konkretisieren. Das ticfenpsychologische Kapitel ist haupt-
sä< blich auf das Problem der Meditation abgestimmt, obwohl
die Meditation im Mitteilungsakt der Verkündigung sehr
schwer kommunizierbar ist. Nach den Ausführungen zum
ekklesiologischen Aspekt beauftragt die Gemeinde einen kleineren
oder größeren Kreis für eine bestimmte Zeit mit der
Schriftauslegung. „Streng genommen sind die Gesprächspartner
Ordinierte, vom Herrn der Kirche durch die Gemeinde
Beauftragte" (S. 77). Die Funktion des Pfarrers wird wie
folgt umschrieben: „Als Gesprächsleitung ist die kirchliche
Leitung um besten beschrieben, als Leitung des Verkündigungsgesprächs
. Diese Beschreibung gilt sowohl für die Leitung
der Parochie als auch für die eines größeren Kirchen-
körpers" (S. 81).

Das abgedruckte Gesprächsmodell ist in drei Teile gegliedert
, die thematisch so abgegrenzt sind, daß auch eine Predigt
ähnlich aufgebaut sein könnte. Innerhalb der einzelnen Teile
ist die Gedankenführung nicht so homogen wie in einer ausgearbeiteten
Kanzelrede. Die einzelnen Diskussionsbeiträge
bilden selbständige semantische Einheiten, die gut miteinander
verknüpft sind. Die vier Teilnehmer beherrschen offen-
sichtheh die Kunst des Gesprächs. Im praktischen Schlußteil
des Buches unterscheidet H. folgende sechs Gesprächsstruk-
luren: Schwerpunkt-Methode, Problem-Methode, Generalthemen
-Methode, Sammel-Methode, Hundgespräch und das
nicht empfohlene Gespräch nach einer Kurzpredigt. Schwierig
ist in der Praxis die Auswahl der Diskussionspartner, denn
die Aussprache stellt hohe Anforderungen an die Teilnehmer.
Im Idealfall sind sie „. . .gebildet, geistig beweglich, sprachgewandt
und diskussionsgeübt" (S. 95), dazu „...einander

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gleichwertig an Bildung und Argumentationsweise" (S. 96).

Das Buch ist mit großem Engagement geschrieben. Der Vf.
legt sich auf sehr verschiedenen Gebieten fest und grenzt sieb
polemisch gegen andere Auffassungen ab. Literatur wird nur
sporadisch herangezogen und zustimmend oder ablehnend zitiert
. Dadurch gewinnt das gezeichnete Bild zwar an Schärfe,
aber eine Fülle von Problemen bleibt außerhalb des Blickfeldes
. Über die tatsächliche Resonanz des hörenden Teils der
Gemeinde erfährt der Leser sehr wenig, und der Vf. erwähnt
mögliche Resonanz- und Feldstörungen nur vereinzelt (S. 79j.
Die Gemeinde als Gesamtheit von Gliedern wird undifferenziert
als redende und zugleich als hörende verstanden. „Sie
selbst (d.h. die Gemeinde) führt, vertreten durch die Partner
draußen am Tisch, ein Rundgesprüch und besitzt grundsätzlich
die Vollmacht, sich in dieses Gespräch durch andere Ge-
iiieindeglieder einzuschalten" (S. 56). Hier wird das sonst
scharfe Bild etwas unscharf. Rundgespräche im größeren
Kreis erfordern einen anderen Stil als Aussprachen von vier
redegewandten Personen vor einer großen Hörerschaft, und
mit Störfaktoren anderer Art muß gerechnet werden. Problematisch
ist auch der Ort des Verkündigungsgesprächs im Ge-
ineindeleben. Der Dialog ist nicht organisch im Hauptgottes-
dienst gewachsen, vielmehr soll das Gespräch dorthin verpflanzt
werden (S. 55). Die Chancen, daß diese Transplantation
auf die Dauer gelingt, sind wohl nicht sehr groß, aber in
der kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit muß das Gespräch zunehmend
an Bedeutung gewinnen, /.um Abbau des Monologs
trägt das rezensierte Buch dadurch bei, daß hier ein praktikabler
Gesprächsstil zur Diskussion gestellt und empfohlen
wird. Am fruchtbarsten scheint mir der Gedanke au Verkündigungsgespräche
in Sendungen technischer Massenmedien
zu sein. „Die Monologe der kirchlichen Sendungen sind morphologisch
ein Anachronismus" (S. 40). Auf diesem Gebiet
sind die Entwickliingsmöglichkeiteii noch nicht ausgeschöpft.

Halle/Saale Ernst Lerle

Meer, Haye van der: Pricstertum der Frau? Eine theologiegeschichtliche
Untersuchung. Freiburg-Basel-Wien: Herder
[1969]. 213 S. 8° = Quaestiones Disputatae, hrsg. v.
K. Rahner u. II. Schlier, 12.

Bei diesem Buch handelt es sich um die Textwiedergabe
einer 1962 abgeschlossenen Dissertation. Wie der Verfasser,
holländischer Jesuit im kirchlichen Lehramt und Schüler
Karl Rahners, im Vorwort zugibt, sind einige Darstellungen
durch die Entwicklung und die neuere Literatur überholt.
Trotzdem bietet die Lektüre einige überraschende Aspekte.
Haye van der Meer stellt sich die Aufgabe, die bekannten
„Beweise" der katholischen Dogmatiker gegen ein Pricstertum
der Frau kritisch zu überprüfen.

Seine Methode beruht auf der Untersuchung der Komplexe
über das Wesen des sacramentum ordinis, über das Verständnis
von Schrift und Tradition sowie über die Spezifik von
Manu und Frau. Auf eine Polemik pro oder contra wird ebenso
verzichtet wie auf ins einzelne gehende exegetische Untersuchungen
. In den Kapiteln über die Heilige Schrift und die
Kirchenväter wird nur auf die Textstellen Bezug genommen,
die den Dogmatikern als Belegstellen zu dienen pflegen.

Haye van der Meer wirft der katholischen Dogmalik vor,
daß es bisher versäumt worden sei, klar herauszuarbeiten,
nach welchem Prinzip bestimmte Texte als „ius divinum in-
dispensabile", andere dagegen nur als ein dem Wandel der
Zeiten unterworfenes „ius ecclesiasticum" betrachtet würden
(S. 35). Unter Zitation von K. H. Steck wird ein sachkritisches
Herangehen an die Bibel („um des ursprünglichen Of-
fenbarungsz.eugnisses willen"', S. 40) gefordert. Zahlreiche
kirchliche Vorschriften, die jahrhundertelange Gültigkeit besessen
haben, seien heute bedeutungslos geworden und zum
„ius ecclesiasticum dispensabile" (S. 45) zusammenge-

Theologische I Jterut iiizeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 8