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Ausgabe:

1970

Spalte:

599-601

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Hammer, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Die Melanchthon-Forschung im Wandel der Jahrhunderte 1970

Rezensent:

Mau, Rudolf

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Seite 1, Seite 2

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in dem mehr gezögert als ^. handelt wurde, in dem die wesentlichen
Entscheidungen nicht durch Entschlüsse, sondern im
mühsam ausgehandelten Kompromiß zustande kamen und in
dem der Zufall und das eigennützige und oft sogar private
Interesse das meiste regierte.

Kein Zweifel, daß dieses Buch in Zukunft zum Grundbestand
der reformutionshistorischen Literatur zu zählen sein
wird.

Güttingen Ilrrud Moeller

1 In diesem Zusammenhang liat soeben Ii. Honee, Die römische Kurie
und der 22. Artikel der Confeisio Augustnna (NKG KS 50, 19ÜII/70
S. 14Ü-1UÜ), Vurhelialte gegen die Darstellung von M. augeinelclel.

Handhoek der Kcrkgcschiedenis. Herde Druk, opnicuw he-
werkt door J, S. ISakhuizcn van den Brink, C. C. de Bruin,
W. P, Dankhaar. III: Reformatie en (!ontra-rcformatie.
Von J, IX. ISakhuizcn van den Brink u. J. Lindeboom. XI,
,'115 S. IV: De Kcrk sedcrl de zeventiendc eeuw. Von J. N.
Baklniizcn van den Brink u. W. F. Dankbaar. X, ,'138 S.
Den Haag: Bakker/Daamen 1907/68. Lw. ML je 32,50.

Krfreiilich rasch ist die Neubenrbeil ung dioMi Handbuchs
(s. ThLZ 93, 1968 Sp.353) vollendet worden. Der 3. Band
führt die Geschichte der Bcformation und der Gegenicforina-
tion bis zum Westfälischen Frieden und der üordrechter Synode
. Die Darstellung ist stark an der Kirchengeschichte der
einzelnen europäischen Länder orientiert, bemüht sich aber
auch, gcistesgeschichtlichc und theologische Zusammenhänge
ins Licht zu stellen. Die inilia Lulheri werden etwas dürftig
behandelt; man wünscht sich auch zuweilen für den Studenten
, der als Benutzer gedacht ist, etwas mehr Problemerörte-
rung, so z. B. bei den 95 Thesen nicht bloß eine Inhaltsangabe,
sondern einen Hinweis daran!, wo das „Revolutionäre" liegt,
oder bei Thomas Müntzer auf die Verwurzelung seines Denkens
in der Mystik. Die Darstellung ist objektiv, enthält eine
Fülle von Informationen und bietet reiche Literaturangaben.
Dasselbe gilt für den 4. Band, der vom 17. Jahrhundert bis in
die Gegenwart führt und mit einer Geschichte der ökumenischen
Bewegung schließt. Hier ist die Gliederung nach Nationalkirchen
noch strenger durchgeführt, so daß fast ein
Bündel von Landeskirchengeschichten entsteht. Dadurch
werden zwar ungemein viel Tatsachen untergebracht, die Folge
ist aber, daß z.B. in Kap.35 § 3 so disparate Dinge wie die
lutherische Orthodoxie der Zeit Calovs einerseits, der Febro-
nianismus und .losephinisinus andererseits zusammen behandelt
werden. Erst in Kap. 39 folgt die Darstellung der Aufklärung
. Es fragt sich auch, ob es für das 19. Jahrhundert möglich
ist, erst die Geschichte der Kath. Kirche und des Protestantismus
in den einzelnen Ländern zu bringen und dann
von den sozialen und philosophischen Strömungen im 19. Jh.
zu sprechen. Gerade in der Gegenwart, in der die Daseinsberechtigung
der Geisteswissenschaften in zunehmendem
Maße angezweifelt wird, sollten dem Studenten die großen gei-
stesgeschichtlichcn Linien und die Konsequenzen des Denkens
so deutlich wie möglich gemacht werden. Z.B. wird die
Bedeutung Hegels, der natürlich vielfach genannt ist, nicht
recht klar, die deutsche spekulative Theologie wird überhaupt
nicht erwähnt. Doch möchte der Bez. hervorheben, daß seine
positiven Eindrücke überwiegen. Das Werk bildet auch im
deutschen Sprachbereich eine wertvolle Ergänzung des leider
immer mehr veraltenden Krügerschen Handbuchs.

Mainz Hudolf Lorenz

Hammer, Wilhelm: Die Melaiichthoiiforschung im Wandel
der Jahrhunderle. Ein beschreibendes Verzeichnis. Bd. I:
1519-1799. 885 S. Bd. II: 1800-1965. 997 S. Gütersloh:
Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1967 u. 1968]. gr. 8° =
Quellen u. Forschungen zur Reformationsgcsehichte, hrsg.
vom Verein f. Reformationsgeschichte, Bd. 35 u. 36. Lw.
DM 140,- u. DM 170,-.

8M

Das Anwachsen von Literat ur auf allen Wissensgebieten zu
eitlem für den einzelnen selbst in Spezialbereichen nicht mehr
überschaubaren Ausmaß verstärkt immer mehr das Bedürfnis
nach bibliographischer l'bersicht und Dokumentation.
Das gilt auch und gerade für den Bereich der reforinations-
geschichtlichen Forschung. Für die Lutherforschung leistet
hier die im Luther-Jahrbuch laufend erscheinende Bibliographie
mit ihren nach Sachgebieten gegliederten Titelnachwei-
MB gute Dienste; die Melanchthonforschung dagegen war
bisher auf ältere und zudem stark lückenhafte Verzeichnisse
angewiesen: Ein Verzeichnis von G.Th.Strobel aus dem
.labte 1782 enthielt 358 Rüchertitel; spätere Zusammenstellungen
führten ül>er diesen Stand nicht wesentlich hinaus,
ausgenommen die Bibliographie zur deutschen Geschichte im
Zeitaller der Glaubt-nsnpaltung von Schottenloher. die jedoch
schon auf Grund ihrer thematischen Ausrichtung keine Vollständigkeit
in bezug auf Melanchthon beansprucht. Die Verlegenheit
des Forschers, der ein wichtiges Hilfsmittel vermißte
, wurde zur Gelegenheit des Sammlers. In etwa zwanzigjähriger
Arbeit des Suchens, Sammelns und Sicbtens hat
der Vf. das gesamte Gebiet der Melancbtbonlitcratur von den
Anfängen bis zur Gegenwart bibliographisch erfaßt und dürfte
dabei der erst l ebten Vollständigkeit nahegekommen sein —
zumindest in bezug auf die neuere, in den bekannten allgemeinen
Bibliographien verzeichnete Literatur. Das bis Ende
1965 führende Verzeichnis bringt 4 136 Nummern. Die Zahl
der tatsächlich erfaßten Schriften liegt noch um et liebes höher
, da offenbar nach Fertigstellung des Manuskripts noch
zahlreiche Titel (mit a, b, c...) eingefügt wurden.

Das vorliegende W erk ist jedoch nicht nur eine Bibliographie
im üblichen Sinn. Der Vf. will „in Verbindung mit der
bibliographischen Einzelarbeit vor allem eine Forschungsgeschichte
" bieten, „an der mau die jeweiligen geistigen Strömungen
der Jahrhunderte erkennen und das verfolgen kann,
was einzelne Generationen an Melanchthon am meisten anzog
, befremdete oder auch gar nicht berührte" (I, 7). Die bisher
vorliegenden beiden Bände enthalten das vollständige
Material für die Forschungsgeschichte, jedoch noch nicht eine
zusammenfassende Auswertung, die offenbar einem weiteren
Bande — insbesondere den am Schluß des Vorworts (I, 11 f.)
als bereits fertiggestellt erwähnten Registern — vorbehalten
ist.

Das Verzeichnis bietet nicht eine vollständige Zusammenstellung
der Melanchthondrucke, die nach wie vor ein Desiderat
bleibt, sondern will die Melanchthonliteratur, also das,
was „über und gegen Melanchthon geschrieben" worden ist,
zur Kenntnis bringen. Darüber hinaus hat der Vf. allerdings
auch auf neue Funde, insbesondere auf Melanchthonscbriften
und -briefe, die seit dem Tod Melanclithons gedruckt worden
sind, seine Aufmerksamkeil gerichtet. — Der Begriff „Melanchthonliteratur
" wird vom Vf. so weit wie möglich gefaßt.
Da nicht nur ein Verzeichnis, sondern die Geschichte der
Melanchthonforschung geboten werden soll, ist „alles, was als
Beitrag zu dieser Forschung angesehen werden kann", in die
Bibliographie aufgenommen. Der Vf. beschränkt sich nicht
auf Schriften, die im Titel den Namen Melanchthon enthalten
, denn „gar vieles steckt in Abhandlungen, deren Titel
nicht gerade aufschlußreich zu sein scheint" (I, 9). Die bei
diesem weiten Verständnis von Melanchthonliteratur getroffene
Auswahl wird notgedrungen im einzelnen strittig bleiben
müssen. Aus der neueren Literatur wird z. B. P. Stuhlmacher,
Gerechtigkeit Gottes bei Paulus (1965), genannt, und zwar
mit Rücksicht auf die dort auf gut 1 Seite dargelegte me-
lanehthonische Auffassung von Gerechtigkeit Gottes; nicht
genannt werden dagegen K. Holls Aufsatz über die Rechtfer-
tigungslebre in Luthers Vorlesung über den Römerbrief oder
K.Barths Kirchliche Dogmatik mit ihren zahlreichen Bezugnahmen
auf Melanchthon und dezidierten Urteilen über ihn.

Die Bibliographie ist nach Erscheinungsjahren geordnet;
sofern Drucke von Melanchthonschriften bzw. -briefen aufgeführt
sind, ist das Jahresverzeichnis nach „Schriften" und

Theologische Litcratinzeilung 95. Jahrgang 1970 Nr. 8