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Ausgabe:

1970

Spalte:

38

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Duthoy, Robert

Titel/Untertitel:

The Taurobolium 1970

Rezensent:

Schneider, Carl

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 1

38

handelt. Daher ist nicht etwa verzeihlich, sondern in hohem
Grade verdienstvoll, daß er ein Höchstmaß von Zitaten bietet,
die sich gelegentlich über mehrere Seiten erstrecken. Es war
nötig, das Buch auch zu einem Quellenwerk werden zu lassen.

Ein zusammenfassendes kurzes thematisches Referat zu geben,
stößt darum auf sehr große Schwierigkeiten, weil zu vielen Feinheiten
verschiedener geistiger Strömungen nachgespürt wird.
Begnügen wir uns mit dem entscheidenden Hinweis! Es hätte
zwei Systeme der magia naturalis gegeben, das des Agrippa
(oder Porta) und das aus dem adeptischen Ansatz des Paracelsus
entfaltete. Die beiden Richtungen hätten Ende des 17. Jahrhunderts
jedem Zugang offen gestanden. Mit dem Namen Agrip-
pas und Portas werden wir zu den neuplatonischen (hermetischen)
Denkern gewiesen. Da durch Emanationen die himmlischen und
mit ihnen auch die dämonischen in die irdischen Kräfte und Elemente
eingeströmt sind, ist der Zugang zu den überirdischen
Mächten möglich und damit zur Praxis der heiligen und unheiligen
Magie. Eine Hauptaufgabe war die Scheidung zwischen
magia naturalis und magia illicita (infamis). Auch Paracelsus
bleibt weithin Neuplatoniker, und Peuckert gibt wieder darüber
viele Zitate. Als neues Element aber tritt die adeptische Philosophie
auf, die Paracelsus von seinem Vater Wilhelm von Hohenheim
überkommen war. Es ist die Philosophie des „natürlichen
Lichtes", durch welches Gott in seinen Werken erkannt und die
magia naturalis „überhöht" wird. Paracelsus gelangt zur
Schätzung des Magus als eines natürlichen sanctus, „zu einer
Wertung, die die Zeit noch nicht gefunden hatte" (145). Während
das Alte weiter nachwirkt, beginnt geschichtlich der neue
Weg. Hier wird wohl die kirchengeschichtliche Forschung Ergänzungen
und wohl auch Korrekturen anbringen. Sabunde
finde ich nicht erwähnt.

Das dicke Buch wird in die Gelehrtenstuben einziehen. Der in
der Seelsorge und Auseinandersetzung mit dem Aberglauben
stehende Theologe sollte wenigstens zur Kenntnis nehmen und
immer wieder überdenken, daß der Aberglaube von heute zum
guten Teil hohe Wissenschaft von gestern gewesen ist. In den
untersuchten Schriften offenbart sich das Suchen und Begreifen
von „Geistesfürsten" wie Albertus Magnus, Paracelsus oder
Agrippa. „Es ist nicht nötig, über sie zu lästern und zu lachen,
denn Lästern und Lachen ist nur dessen Können, der sie (die
Schriften) nicht recht zu lesen weiß und der sie nicht versteht"
(401).

Mit Bewegung liest man im Nachwort, daß das Werk „die
letzte Aussage eines alten Mannes" sei, der seit 1962 rechtsseitig
gelähmt sei. „Es ist alles, was er noch zu geben hat".

Rostock flottfrled Haiti

Svenskt kyrkoliv i Unland, 47. Jahrg. (Julbok för Borgä stift).
Helsingfors: Förbundet för svenskt församlingsarbete i Fin-
land r. f. [1968]. 196 S. m. zahlr. Abb. 8°

Das Jahrbuch wird diesmal eingeleitet mit Bild und Würdigung
des Erzbischofs Martti Simojoki zu dessen 60. Geburtstag.
Die vier Teile enthalten 1. Erbauliches, mit ansprechenden
Reisebildern nach dem jetzigen Bethlehem und nach Missionsstationen
in Pakistan. 2. Die Kleinstadt als kirchliches Arbeitsfeld
, mit tapferen neuen Arbeitsformen. 3. Kirche und Christentum
in der heutigen Gesellschaftsordnung. Paul von Martens:
Worauf kommt es an bei der Unterscheidung von Glaube und
Ideologie? Arvid von Martens: Luxuskirchen oder Wärinestuben
? 4. Kirchlicher Überblick: Uppsala 1968, Liturgie in Bewegung
. Neue Möglichkeiten in der Kinder- und Jugendpflege.

Aus der reichen Ernte theologischer Literatur im Berichtsjahr
sei erwähnt: in schwedischer Sprache: Fredric Cleve, Luthers
Abendmahlslehre auf dem Hintergrund von Gabriel Biels
Lehre, 415 Seiten; in deutscher Sprache: Lorenz Grönvik: Die
Taufe in der Theologie Martin Luthers, 247 S. Beides in Acta
academica Aboensis. Ferner die. 50-Jahr-Jubiläumsschrift „Aca-
demia Aboensis rediviva" mit einem Abschnitt über die theologische
Fakultät. Der Musikverlag Fazer gab u.a. Werke von
Buxtehude und Haßler heraus sowie eine Faksimile-Ausgabe der
originellen finnischen „Piao cantiones von 1582".

Leipzig Frtedrlcb Ostarhlld

KIRCHENGESCHICHTE: ALTE KIRCHE

Duthoy, Robert: The Taurobolium, its Evolution and Termino-
logy. Leiden: Brill 1969. XIV, 129 S., 1 Taf., 1 Kte. gr. 8° =
Etudes Preliminaires aux Religions Orientales dans l'Empire
Romain, publ. par M. J. Vei-maseren, 10. Lw. hfl. 38,-.

Etwa die Hälfte dieses Buches besteht aus einer fleißigen und
dankenswerten Zusammenstellung der inschriftlichen und literarischen
Quellen für das Taurobolium, insgesamt 133 Inschriften
und 4 literarische Texte. Merkwürdigerweise scheint D. die
Arbeiten Leipoldts zu Attis und Kybele gar nicht zu kennen,
sonst wären Urteile wie S. 3 eingeschränkt worden. Bei dem, so
weit ich sehe, fehlerlosen Abdruck der Inschriften verstehe ich
nicht recht, warum einige mit, andere ohne englische Übersetzung
wiedergegeben sind. Wenn schon Übersetzungen, so
wäre eine solche bei der problematischen AJA 39.589 oder IG
III, 172 ebenso berechtigt gewesen wie der Abdruck der Larsen-
schen Übersetzung von TAM 11,508. Eigene textkritische Versuche
oder Beiträge zur Datierung gibt der Vf. nicht. Beschreibungen
der Athener Bildreliefs werden nur nach den wörtlich
abgedruckten Beschreibungen des alten Heydemann wiedergegeben
. Warum beschränkt sich das Zitat aus CIL VI, 1779
nur auf die Verse 25-27: in diesem Gedicht ist doch gerade die
Zusammenstellung mit anderen Kulten lehrreich. Schmerzlich
vermißt man das Bildmaterial; das eine einzige Bild von Lac-
tora kann doch die Reliefbilder der Bildaltäre nicht ersetzen,
zumal es nicht typisch ist.

Der zweite Teil gibt einen kurzen Kommentar im wesentlichen
zu den Inschriften. Nach einer philologischen Übersicht über die
Terminologie, die eine dankenswerte Zusammenfassung aller in
Verbindung mit dem Taurobolium stehenden Kybeleprädika-
tionen enthält, ergibt sich, daß das Wort nicht immer den gleichen
Ritus meinen kann und daher nach einer Entwicklungsgeschichte
zu suchen ist. Das wird dadurch möglich, daß der
Wechsel der mit dem Begriff verbundenen Verben im einzelnen
geprüft wird. Es ergeben sich nämlich drei Gruppen: Zwischen
160-250 lauten die Inschriften: facere taurobolium, zwischen
228-319 accipere und tradere taurobolium und von 305-390
percipere taurobolium, dazu die Bezeichnung tauroboliatus. In
der ersten Phase ist T. ein Stieropfer, in der zweiten - ziemlich
problematisch - die Darreichung und Annahme einer Schale
mit Opferblut und erst in der dritten die Bluttaufe in der durch
Prudentius am besten bekannten Form.

Nun wird man ernstlich nicht bestreiten, daß taurobolium tatsächlich
sowohl für Opfer wie für den .Taufritus' stehen kann;
die Herleitung des einen aus dem anderen über die hypothetische
Stufe IT ist zwar nicht unmöglich, aber auch nicht zwingend. Zu
vieles bleibt offen. Ob nicht ein mithrischer Weihpakt, den Attis
leicht übernehmen konnte, noch immer die einfachste Lösung
der ganzen Frage nach der Bluttaufe ist? Wie dem auch sei,
zum mindesten hat des Vf.s nüchterner Versuch die ganze Diskussion
wohl endgültig von solchen grotesken Phantasterein wie
denen von Rummens befreit. Allerdings ist die Vermutung, das
Christentum könnte für die Entstehung der reinigenden Bluttaufe
verantwortlich sein, nicht weniger grotesk. Hier begibt sich
der Verfasser in denselben .dilettantisme erudit', den er bei Loisy
und Gruppe mit Unrecht behauptet. Am Nächstliegendsten ist
D. m.E. vorbeigegangen: als Mithras seinen Bund mit Kybele
schloß, größtenteils um den Frauen der Mithrasgläubigen einen
religiösen Zufluchtsort zu geben, gingen mithrisehe sakramentale
Formen und Tdeen mit in diese Ehe ein. Die Schale, in der
das Stierblut aufgefangen wird, ist altes mithrisches Gut, das
Stieropfer ohnehin, und die Bluttaufe mag einer der Akte der
mithrischen Tapferkeitsproben gewesen sein, der einzige, den
man einzuweihenden Frauen bei Kybele noch zumuten konnte.
Aber wie gesagt, das ist nur die nächstliegende Lösung. Außer
Prudentius ist das ganze Quellenmatcrial so dürftig, daß man
sich entsagend begnügen muß.

Speyer/Rh. OM Schneider