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Ausgabe:

1970

Spalte:

573-576

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Khoury, Adel Theodor

Titel/Untertitel:

Les théologiens byzantins et l'Islam 1970

Rezensent:

Rudolph, Kurt

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doch wohl überbewertet, Schleiermachers Abkehr von ihr
scharf herausgearbeitet ist. Wenn Schultz selbst die theologia
crucis so versteht, daß das Kreuz Christi als Leiden zugleich
die Gesamtheit der Leiden umgreife und das Leid zur Mitte
des menschlichen Seins mache, so wird man das in Übereinstimmung
mit Ulrich Hedinger (Hoffnung zwischen Kreuz
und Reich, 1968) kaum ohne gewisse Bedenken hinnehmen
können.

Berlin Wilhelm Knevels

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Khoury, Adel-Theodore: Lcs Theologien« byzantins et l'Islam.
Textes et autcurs (VHIe — Xllle S.). 2e Tirage. Louvain:
Ed. IVauwelaerts; Paris: Beatrice-Nauwelaerts 1969. 334 S.
gr. 8°. bfr. 390,-.

Die immer stärker werdenden Bemühungen der gegenwärtigen
großen Religionen, die durch die wachsende Bildung
einer Weltzivilisation entstandenen Berührungen auch theologisch
fruchtbar zu machen, haben nicht nur zu verschiedenen
interreligiösen Gesprächen und Tagungen geführt (so
fand etwa vom 16.—25.3.70 eine Studientagung in Beirut
^t.itt, die, vom Sludienreferat der Abteilung „Well mission
und Kvangelisation" beim Ökumenischen Rat der Kirchen
veranstaltet. Problem und Möglichkeiten des Dialogs zwischen
den Weltreligionen behandelte, unter Beteiligung von
buddhistischen, christlichen, hinduistischen und islamischen
Theologen), sondern auch zur verstärkten Tätigkeit auf apologetischem
Gebiet. Dazu gehört, daß man vor allem die jahrhundertealten
polemischen Klischees kritisch unter die
Lupe nimmt und dabei die Ergebnisse der modernen reli-
gionswissenschaftlichen Forschung berücksichtigt. Das gilt
besonders für den Dialog zwischen Christentum und Islam,
und der Vf. des vorliegenden Buches, Privatdozent für Reii-
gionswissenschaft an der Kath.-theol. Fakultät der Universität
Münster und Schüler A. Antweilers, durch mehrere Aufsätze
auf diesem Gebiet als Fachmann ausgewiesen, teilt
gleich eingangs mit, daß seine Arbeit aus diesem aktuellen
Anlaß entstanden sei; er äußert die Hoffnung, daß auch auf
muslimischer Seite ähnliche Untersuchungen angestellt werden
. Wer sich etwas mit der antiislamischen Polemik auf Seilen
des Christentums beschäftigt hat, weiß sehr gut, welch
prägende Holle dabei die byzantinische Polemik gespielt hat.
Die Byzantiner sind es ja auch, die jahrhundertelang in I [aut-
nähe zum islamischen Machtbereich lebten und als erste zur
Auseinandersetzung aufgerufen waren. Freilich, sie ist, wie
wir heute wissen — und das Buch lehrt es erneut sehr deutlich
—, für uns heute nicht mehr maßgehend, ja zeigt die
Grenzen jeder bloß lehrhaften Polemik, die sich aus einer
politisch-militärischen Konfrontation speist (dies gilt für
beide Seiten!)*.

Die vorgelegte Hekapitulation der byzantinischen Polemik
und Apologetik kann als ein nützliches Handbuch angesehen
werden, daß dem christlichen Theologen bei den angedeuteten
Dialogen sehr dienlich sein kann: als Korrektiv und Mahnung
nicht in die alten Fehler zu verfallen (wozu die heutige
Situation ohnebin kaum Anlaß geben dürfte, nachdem weithin
die politisch-kolonialistischcn Belastungen den christlichen
Kirchen und Missionen endlich abgenommen worden
sind). Kh. hat sich große Mühe gegeben, ein abgerundetes
llild von dem behandelten Gegenstand zu geben und es ist
ihm auch, soweit das der Bez. überhaupt beurteilen kann (er
fühlt sich eher für die islamwissenschaftliche Seite zuständig),
gut gelungen2. Einzelheiten kann hier nur der Spezialist monieren
, da es sich vielfach um mitunter diffizile philologische
und historische Spezialprobleme der Byzantinistik handelt.
Die polemisch-apologetische Literatur der Byzantiner birgt
offenbar noch zahlreiche unsichere Daten, die Kh. mehr oder

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weniger ausführlich diskutiert und durch selbständige, aus
der Beschäftigung mit den Quellen geborene Urteile zu beseitigen
sucht. Dabei macht sich allerdings öfters ein Trend
bemerkbar, die Authentizität einer Schrift zu retten, bzw.
möglichst die traditionelle Auffassung durch neue Argumentationen
zu rechtfertigen.

Kh. gibt einleitend (S. 9—44) einen Überblick über das Verhältnis
von Christen und Islam nach dem Koran, bzw. Mohammed3
, und der islamischen Tradition und Geschichte.
Der Hauptteil bringt dann eine Analyse und Paraphrase der
polemischen Texte, die natürlicherweise nicht vollständig erfaßt
werden konnten, da eine Reihe noch unedierte Quellen
dieser Art vorhanden sind. Die meisten Texte finden sich in
Migne PG; es sind die, die den Dialog bestimmt haben. Das
Hauptinteresse wird dabei auf die Lehrpositionen gelegt,
nicht auf politisch-militärische Dinge, Hagiographien oder
Martyrien. Es lassen sich grob gesehen zwei Hauptperioden
in dieser Literatur feststellen: die erste vom 8.—13. .Ib., die
zweite vom 14.—16. Jh. Der Einschnitt wird nach Kh. von
dem lateinischen Werk des Ricoldus (oder Ricardos) deMonle
Crucis (gest. 1320), der Confutatio Alcorani (gedruckt Paris
1490; Sevilla 1500), gebildet, da hier erstmalig eigene Forschungen
auf Reisen in Bagdad und der islamischen Well angestellt
werden (1289). Aber auch dieses Werk löst sich noch
nicht von den byzantinischen Vorbildern, hat aber nachweisbaren
Einfluß auf die byzantinische Polemik der folgenden
Zeit ausgeübt (z.B. auf Kantakuzenos), besonders durch
seine Ansicht, daß man zuerst den Koran als falsch erweisen
müsse, ehe man die Muslime missionieren könne. (Das Werk
wurde übrigens von Luther übersetzt und 1542 in Wittenberg
veröffentlicht.) Einen noch schärferen Einschnitt bedeutet
die Eroberung von Byzanz, da dies Ereignis die Polemik noch
aggressiver und schärfer gemacht hat. Der politische Wandel
ändert also immer wieder auch diese Literatur.

Die Texte werden jeweils nach folgendem Schema vorgestellt
: Eine Einleitung unterrichtet kurz über Verfasser- und
Quellenprohleme, dann kommt eine Inhaltsübersicht des
Werkes mit gelegentliehen Zitaten, in der Hauptsache aber
Paraphrasen; ein leichter Kommentar dazu gibt eine erste
Einführung. Iis kann liier unreine kurze Aufzählung gegeben
werden, obwohl es reizt, einzelne Punkte näher zu besprechen
. Am Anfang steht Johannes Damascenos mit 6 Texten
'die arabischen Texte sind El och immer unediert), die Kh. alle
(auch die l'assio des Petrus von Capitolias) für echt erklärt.
(S. 47—67). Es folgt die anonyme Kontroverse zwischen
einem Sarazenen und einem Christen (MPG 96,1330—48), die
schon öfters als wichtigstes Zeugnis für den christlichen Einfluß
auf den Kalärn benutzt wurde (C.II. Becker, A. Abel)
und für Jahrzehnte die Debatte bestimmt zu haben scheint.

Theodor Abu QurrS umgeht in seinen arabischen Schriften
wohl aus Vorsicht eine direkte Polemik; die griechischen
Texte zeigen, wie der Islam noch nicht im Vollbesitz lies
logisch-wissenschaftlichen Rüstzeuges ist (S. 83—105). In der
Chronographie des Bekenners Theophanes wird erstmalig
Mohammed als Epileptiker geschildert (S. 106—119). Der
größte Apologet nach Johannes Damascenos ist Nicetas von
Byzanz. der vermutlich den Koran im Original studierte (eine
griech. Übersetzung ist für das 9. Jh. nicht bezeugt) und uns
so eine minutiöse Koratikritik hinterließ (besonders der Suren
2—18), die auch für ilie Koranwissenschaft von Wert ist; mit
ihm setzt aber auch die seitdem herrschende Vorstellung ein,
daß Mohammed ein falscher Prophet und seine Lehre I .ölzen-
dienst sei (S. 110—162). Davon ist auch Evodius in seinein
Bericht über die 42 Märtyrer der 838 gefallenen Festung
Amorium abhängig; dies Ereignis wird als Strafe für den Abfall
von der Orthodoxie beurteilt (S. 163—179). Stärker von
Theophanes Conf. ist Georg Hamartolos im 125. Kap. seiner
Chronologie beeinflußt; nach ihm ist der Islam vom nriani-
schen Christentum abhängig (S. 180—186). Die folgende Ab-
schwörungsformel ,,Bitual für den Gebrauch der Sarazenen,
die sich zu unserem reinen und wahren Glauben, zu uns Chri-

Theologischc Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr. 8