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Ausgabe:

1970

Spalte:

34-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Combrink, Hans Jacob Bernardus

Titel/Untertitel:

Die diens van Jesus 1970

Rezensent:

Schille, Gottfried

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Theologische Literaturzeitung 95. Jahrgang 1970 Nr.l

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führung in die Entwicklung der urchristlichen Christologie von
den Anfängen bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts sprechen. Es
. ist der Versuch einer Rechenschaft, ein „schlichte(r) Überblick
über das, was mir selbst wichtig und lieb geworden ist" (S.9).
Auf verhältnismäßig knappem Raum ist eine sehr differenzierte,
vorzüglich lesbare und anregende Darstellung entstanden. Ein
Stellenverzeichnis in Auswahl (S. 188-191) beschließt den Band.

Untertitel, Einleitung (S.7-9) und der kurze Rückblick
(S. 184-186) thematisieren das Problem der Vielfältigkeit der
christologischen Entwürfe innerhalb des Neuen Testaments. Die
gesuchte Einheit liegt nach Schweizer im geschichtlichen Handeln
Gottes. Was Gott in Jesus Christus getan hat, kann nicht ein
für allemal spekulativ fixiert, es muß vielmehr in jeder Situation
der Geschichte neu bestimmt werden. So ist das Neue Testament
selbst „nicht einfach ein Arsenal voller inspirierter Wahrheiten
und bewiesener Heilstatsachen" (S.8), sondern eine
Sammlung geschichtsbedingter Zeugnisse, die uns zu Gesprächspartnern
machen. Glauben heißt auf den Weg mitgenommen
werden, der erst durch das Kommen der Königsherrschaft
Gottes seinen Abschluß findet (S.9). Die hermeneutische Grundkategorie
, die Schweizers Darstellung bestimmt, ist die Kategorie
der „Begegnung". Die neutestamentlichen Texte werden
als geschichtsbedingte Zeugnisse der Begegnung mit der Heilstat
Gottes in Jesus Christus aufgefaßt. Die zunächst verwirrende
Vielfalt von christologischen Entwürfen erklärt sich aus der Geschichtlichkeit
der Zeugen (und der Heilstat Gottes!), die Einheit
steht nicht spekulativ am Anfang, sondern am Ende der geschichtlichen
Entwicklung (S. 186). Nie wird die Kirche eine
unüberholbare Formel für Gottes Tat in Jesus Christus gefunden
haben. Die Gefahr der Beliebigkeit und Unangemessenheit
der Entwürfe wird durch den Gedanken der Selbstbezeugung
Jesu abgefangen: „Wo aber die Gemeinde ihn Herr sein ließ und
demütig auf ihn hörte, da hat er selbst als der Auferstandene sich
immer wieder durchgesetzt" (S. 185).

Die umfassende Thematik macht es einer kurzen Rezension
unmöglich, auf Einzelheiten einzugehen (so lohnend es gerade
dort wäre, wo Schweizer vom Konsensus der Normalexegese abweicht
). Die kritische Würdigung muß sich auf die Grundkonzeption
beschränken. Das Bestechende und Überzeugende
der Darstellung besteht jedenfalls darin, daß sie vom Ansatz her
radikal für die Pluralität der christologischen Entwürfe des
Neuen Testamentes kritisch offen ist, ja diese sogar im Zusammenhang
einer übergreifenden hermeneutischen Reflexion
zu rechtfertigen sucht. Man fragt sich freilich, ob das gesetzte
Problem durch den Hinweis auf die Geschichtlichkeit der Offenbarung
bzw. des Zeugnisses bereits zureichend gelöst ist. Der
Rekurs auf die Selbstbezeugung des Auferstandenen, der sich
letztlich doch inmitten der menschlichen Entwürfe durchsetzt,
erscheint wie ein Rückzug aus der Reflexion in die Unmittelbarkeit
. Vielleicht hängt damit auch zusammen, daß Schweizers
eigene Bestimmung des geschichtlichen Jesus letztlich doch
merkwürdig abstrakt bleibt. Die Darstellung (S. 18ff.) hat den
Sinn, das Geheimnis Jesu herauszustellen, aber es erscheint fast
nur in negativer Bestimmung (Jesus als „der Mann, der alle
Schemen sprengt" S. 18). Und das hängt vielleicht wieder damit
zusammen, daß der für die Entwicklung des Urchristentums
m.E. konstitutive Konflikt in Schweizers Darstellung zu wenig
in Erscheinung tritt: das enthusiastische Element der Verkündigung
Jesu wird geleugnet, der Torakonflikt eingeebnet,
Jesu Passion wird (wenig überzeugend) daraus abgeleitet, daß er
es verschmähte, eine eigene religiöse Gruppe zu institutionali
sieren (S.45f.). Aber wie, wenn gerade der unausweichliche Konflikt
, der durch den impliziten Sinn der Verkündigung und des
Verhaltens Jesu gesetzt ist, die weitere Entwicklung in all ihre
Variabilität und Pluralität verständlich machen sollte? Ließe
sich nicht gerade von daher die in sich widerspruchsvolle Entwicklung
konkret als eine in sich sinnvolle, nämlich als eine
durch das Nebeneinander und Widereinander von Konsequenz
und Regression bestimmte verstehen?

Schweizers Darstellung bietet keineswegs nur eine informative
Einführung in einen neutestamentlichen Problemkreis für
einen weiteren Leserkreis, sie bietet auch nicht nur eine Reihe
interessanter Anregungen zu einzelexegetischcn Fragen, sondern
sie hat darüber hinaus gerade in der exemplarischen Konzentration
auf die Grundfrage nach dem theologischen Sinn der
Variabilität der neutestamentlichen Christuszeugnisse ihr besonderes
Verdienst, wie immer man die Lösung selbst, die Schweizer
bietet, beurteilen mag.

Wien Kurt Niederwiminer

Combrink, Hans Jacob Bernardus: Die Diens van Jesus. 'N Ehs-
egetiese Beskouing oor Markus 10:45. Academisch Proef-
schrift. Amsterdam: VrijeUniversiteit 1968, zu beziehen durch
Bauma's Boekhuis N.V., Turfsingel 3, Groningen. X, 201 S.
gr. 8°. hfl. 14,-.

Die bei R. Schippers gearbeitete Amsterdamer Dissertation
des südafrikanischen Autors versucht, ausgehend von Mark.
10.45 und mit dem Ziel einer besseren Interpretation dieser
Stelle, die Frage zu klären, inwiefern man das Dienen als die umfassende
Beschreibung der Wirksamkeit Jesu ansprechen dürfe.
Seit dem Erscheinen der einschlägigen Artikel des Theologischen
Wörterbuchs (besonders zur Wortgruppe diakon- von W. Beyer:
Bd. II S.81ff.) liegt genügend Zeit zurück, so daß die Hoffnung
auf neue Erkenntnisse berechtigt ist. C. begnügt sich mit der
Untersuchung der seiner Meinung nach für Mark. 10,45 wesentlichen
Teilbereiche der Wortgeschichte. Das verleiht seiner
Arbeit Zielstrebigkeit und Rundung.

In Kap.l (S.3-38) wird die Parallele Luk. 22,24-27 als redaktionelle
Abwandlung des Markustextes angesprochen. Dann
(Kap.2 S.39-50 bzw. 50-75) versucht C, die neutestamentliche
Wortgruppe diakon- im alttestamentlich-aramäischen und im
paulinischen Bereich zu verfolgen. Daß das Wort in LXX nicht
begegnet, zwingt ihn zu der Annahme, es sei durch das hebräische
srt bzw. das aramäische Snis vorgebildet worden; in diesen Begriffen
sei wie im Wortstamm diakon- der persönliche Dienst an
anderen gemeint. Dagegen sei die Ableitung vom Stamm 'bd
(vgl. Jes.53) unwahrscheinlich, da dieser die Unterworfenheit
unter einen anderen, etwa Gott, ausdrücke. Im paulinischen
Gebrauch von diakon- entdeckt C. trotz diverser Bedeutungsnuancen
doch die einheitliche Grundbedeutung Dienst an anderen
wieder. Doulos meine mehr die Unterordnung unter den
Herrn, während der Stamm diakon- mehr „die gemeente-ge-
rigtheid van sy amp en werksaamhede andui" (S.74). Doch überschreite
diakon - bei Paulus die neutrale Bedeutung Tischdienst
meist und meine die Vermittlung des Heilswerkes Christi an die
Gemeinde und die Heiden.

Kap. 3 (S. 76-109) wendet sich den synoptischen Belegstellen
zu. C. findet auch hier den erweiterten Sinn. Damit ist die hebräisch
-aramäische Wortgruppe als Hintergrund des synoptischen
Sprachgebrauches wenigstens als möglich erwiesen. Erst
die Kapp. 4 (S. 110-147) und 5 (S. 148-165) widmen sich dem
eigentlichen Gegenstand, indem Versteil b und zuletzt Mark.
10,45 a im einzelnen besprochen werden. C. kann sich nicht entschließen
, die kritischen Bedenken der Form- und Traditionsgeschichte
gegen die ,älthen'-Formcln anzuerkennen, welche das
Logion als vaticinium zu deuten nahelegen. Ihm erscheint die
Kritik „inkonsequent" und „unnötig negativ" (S. 154). Dadurch
wird die B 'Stimmung des markinischen Redaktionsanteils
(S. 161 ff.) fast unmöglich. Da der Spruch auch nicht zerlegt
werden muß (S. 157ff.), meint Jesus nach C, sein Werk könne
mit einem Wort umschrieben werden: Dienst. „Die ganse lewe
en sterwe van Jesus kan met een woord omskryf word - diens"
(S.165, beim Vf. kursiv).

Eine englische Zusammenfassung (Summary, S. 166-170) und
ausführliche Register (besonders ein Literaturverzeichnis von
23 S.) beschließen das Buch, dem ein Blatt mit 19 Thesen beigegeben
ist; allerdings beziehen sich nur etwa 7 dieser Thesen
auf den Gegenstand des Buches. Der Druck läßt besonders an
den Stellen zu wünschen übrig, wo fremdsprachige Zitate eingeschaltet
werden. Diese sind öfter ins Holländische verformt
worden.

Man legt das Buch ein wenig enttäuscht aus der Hand. Ist es
heute immer noch nötig, die form- und traditionsgeschichtliche
Methode zu erläutern, nur weil die Differenzierung zwischen der-
zweifellos unaufgebbaren - Arbeitsweise und den - sicher korrekturbedürftigen
- Einzelergebnissen nicht gelingen will? Wie